[One Shot]

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Strahlen des Lichts scheinen durch die dünnen Vorhänge des kleinen, aber ordentlichen Zimmers. Mittendrin steht Liam und versucht seinen Schmerz zu unterdrücken.

Ein paar Wochen seit Henna's Beerdigung ist nun vergangen und doch ist der Schmerz derselbe wie vor ihrem Tod. Zu traurig ist die Realität über diese Tatsache, dass der Raum in der er sich nun befindet nie mehr Henna's Wärme empfangen kann. Mrs. Summers hat Liam netterweise eingeladen, um sich mit Henna's früheren Leben auseinanderzusetzen. Auch wenn es ihm schwerfällt.

Ein leiser Schluchzer durchbricht die Stille und Liam erblickt Henna's Mutter. Seit ihrem Tod scheint sie um Jahre gealtert. Es scheint als hätte Henna etwas in uns mit in den Tod gerissen, als wäre ein Teil unseres Herzen mitgenommen worden.

"Liam?", schluchzt Mrs. Summers leise. "Meinst du, ein Teil von ihr ist geblieben? Ich gehe jeden Tag in dieses Zimmer, in der Hoffnung, etwas von ihr zu empfangen. Aber da ist nichts, nichts das ich nicht schon bemerkt hätte."

Liam weiss was sie meint. Die gleichen Gefühle haben ihn auch schon befallen, nur war da nichts. Nur zu sehr wünscht er sich, ein Mal ihre Gegenwart zu spüren.

"Mrs. Summers?"

"Nenn mich doch bitte Ellen."

Liam schaut sich nochmals im Zimmer um. Es handelt sich dabei um Henna's kleines Reich. Es ist mit schlichten weissen Möbel eingerichtet und nur wenig dekoriert, aber dennoch weiss man sofort, dass es ihr gehört. Liam ahnt dass sich seit Henna's Abwesenheit nichts verändert haben muss. Sogar einen Strauss ehemaliger Pfingstrosen, deutet daraufhin dass ihre Eltern sie bis am Schluss nicht aufgegeben haben. Vermutlich hofften sie sogar auf eine Rückkehr.

Aber leider war das Schicksal gemein genug, um dies zu verhindern.

"Ellen, es ist erst ein paar Wochen her und noch immer habe ich dieses Gefühl in mir, keine Ahnung wie ich es beschreiben soll, es ist merkwürdig. Ich habe das Gefühl, dass sie bei mir ist, aber ich habe keinen Beweis dafür, keinen, den ich Henna zuordnen könnte. Aber vielleicht ist genau dieses stille Gefühl in mir das Zeichen dafür, dass sie mir etwas hinterlassen hat. Bei Ihnen ist es vielleicht kein Gefühl, bei Ihnen könnte es auch etwas anderes, etwas Wertvolleres sein. Niemand kann uns sagen oder beschreiben wo Henna nun ist, aber man kann es erahnen."

Ellen zuckt bei Liam's Worte zusammen. Wie sehr sie sich doch wünscht Henna hätte dies gehört. Sie hätte bestimmt zugestimmt oder ihre eigene Meinung dazu erklärt. Aber sie ist nicht da und mit ihr auch nicht ihr Strahlen und Lächeln. Das Einzige was bleibt ist die unfüllbare Leere.

Liam kämpft mit sich, als er in ihrem Zimmer umhergeht und Henna's Geruch, der noch immer in der Luft liegt, wahrnimmt. Ellen geht es ähnlich. Sie geht zur kleinen Kommode, die durch die unzähligen Bilder darauf zu den eher mehr dekorierten Möbelstücken gehört.

Ein Bild fällt dabei besonders auf: Henna und Stacy, beide im Partnerlook gekleidet, stehen nebeneinander vor einer grossen Eiche. Es ist dieselbe Eiche die sie vor einem Jahr in ihren Garten gefällt haben. Stacy und Henna sehen mit ihrem dunkeln Haaren und denselben strahlenden Augen fast aus wie Zwillinge, nur das sie nicht gleich alt sind.

Sie dreht den Rahmen um und entdeckt einen kleinen Briefumschlag auf der Rückseite. Eine Träne fliesst ihr die Wange hinab, als sie die Schrift erkennt, mit der in schnörkeliger Schrift darauf geschrieben wurde:

An meine Eltern, die Sterne in meinem Leben

Ein Lächeln umspielt ihren Mund. Es scheint, als wären die Worte nicht von ihr geschrieben, sondern gefühlt worden. Als hätte sie die Worte nicht mit einem Stift, sondern mit dem Herzen geschrieben.

Liam bemerkt, dass Ellen etwas gefunden hat und lässt sie, auch wenn er gerne noch länger im Zimmer geblieben wäre, mit ihrer Sache allein.

Man hört ihn nur noch leise flüstern: "Ich weiss dass du hier bist, Henna. Mein Herz tat weh und du weisst, dass ich dich so sehr liebe, dass es wehtut."

Dann verschwindet er.

Ellen setzt sich vorsichtig auf das ordentliche Bett von Henna. Leise Schluchzer verlassen ihren Mund und sie kann den Schmerz ihres nun komplett leeren Herzen nur schwer unterdrücken. Sie weiss, sie sollte warten bis ihr Mann zurück ist, aber sie wird ihn lesen und anschliessend ihm weitergeben. Denn er leidet fast mehr unter dem Verlust als sie es tut. Darum wird er viel Kraft und Ruhe brauchen um diesen Brief zu lesen.

Viel Zeit vergeht bis sie sich wieder ein wenig gefasst hat. Es fällt ihr schwer. Aber sie überwindet sich, den Brief zu öffnen. Schon nach den erste Worten ist der Schmerz unbegreiflich stark, aber sie liest ihn komplett durch.

'Hey Mum, Hey Dad

Wann hat das Alles eigentlich aufgehört? Also ich meine diese Familiensache. Waren wir nach Stacy's Tod überhaupt noch eine Familie oder war es damals schon vorbei?

Ich habe mir über diese Fragen den Kopf zerbrochen und ich wette, ihr auch. Ich kann euch die Antwort geben.

Sie ist ganz einfach und simpel. Wir werden eine Familie bleiben, auch wenn Stacy und ich jetzt woanders sind. Wir bleiben zusammen.

Ich weiss dass euch unser Zuhause nicht mehr wie vorher vorkommt. Wahrscheinlich scheint es euch leerer als je zuvor, aber es ist okay. Es ist okay dass ich sterben musste. Alles hat etwas Gutes und in meinem Fall war das eure und Liam's Liebe zu mir. Wenn wir gerade beim Thema Liam sind: Richtet ihm schöne Grüsse aus und umarmt ihn für mich ja? Das wäre lieb.

Ihr wisst ja nicht wieviel mir diese Zeit mit euch bedeutet hat. Ihr habt wirklich keine Ahnung, wie es ist, zu wissen dass man stirbt. Aber ich kann euch beruhigen, wenn man glücklich stirbt ist das nur halb so schlimm, wie wenn man weiss dass man unglücklich stirbt.

Ich wünsche euch alles Liebe und denkt nicht zu sehr an die Dinge die geschehen sind, sondern schaut nach Vorne. Ihr seid nicht allein auf dieser gebrochener Welt volle Chaos und Leid.

Danke für die wunderschönen 18 Jahre.

Ihr seid die Besten.

Henna X'

Last First KissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt