Was LEBEN tatsächlich bedeutet.

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Wer von euch kennt diese Gedanken auch?

Es ging doch alles. Ich hab geatmet, bin in die Schule gegangen, hab Filme geguckt, war im Urlaub... So schlimm war es doch gar nicht, als ich weiter drinne war. Als ich Untergewicht hatte.

Ich kenne diese Gedanken sehr gut und bitte euch, weiter zu lesen und nicht weg zu klicken.

Klar, jeder hat seine Meinung zu solchen Themen und das ist meine Meinung.
Aber auch ich bin durchdie Hölle der Magersucht durch, also bitte, hört euch an, was ich zu sagen habe und vertraut mir, ich bin kein Außenstehender.

In den letzten Monaten habe ich viel neu entdeckt, neu erkennen müssen.
Man romantisiert manchmal die Essstörung, spielt herunter, wie schlimm sie tatsächlich ist. Redet sich ein, dass alles halb so wild ist, dass es Leute gibt, die schlimmer dran sind.

Essstörungen sind immer schlimm, du bist wichtig. Stelle dich nicht hinter andere!

Denn Essstörungen rauben einem das Leben, Stück für Stück.
Und nur mit Recovery kann man es ebenso Stück für Stück wieder zurück erlangen.

Aber wisst ihr was?

Es ist ein unglaublich wunderbares Gefühl, zu merken, wie die Lebensfreude langsam wieder kommt.

Da Worte ja nicht greifbar sind und bevor ich mich in ellenlangen Sätzen verliere, dachte ich mir, dass ich euch meine persönliche Ehrfahrung mit der Gewichtszunahme zurück ins Normalgewicht darlege.

(Erlebnisse aus meiner Klinikzeit)

#1
Als ich das erste Mal an der Bewegungstherapie teilnehmen durfte, wäre ich beinahe zusammengeklappt. Wochen später aber - wir haben mit Stöcken irgend so einen Kampfsport begonnen - hatte ich richtig Spaß dabei, mich zubewegen und war verdammt stolz darauf, was mein Körper wieder leisten konnte.

#2
Ich hatte selbst erst realisiert, wie lange ich nicht mehr richtig gelacht hatte, als ich einige Wochen nach meiner Ankunft meinen ersten extremen Lachflash seit Monaten hatte.

#3
Die schönsten Rückmeldungen sind es, gesagt zu bekommen, wie sehr die Augen wieder leuchten, denn an dem persönlichen Tiefpunkt der ES ist die ganze Persönlichkeit so abgenutzt, dass die Augen ihren Glanz verlieren.

#4
Ich hatte Kekse immer geliebt. Dann kam die Magersucht. War ich ohne Kekse glücklich? Nein. Aber als ich dann mit Mitpatienten Eisbecher essen war und einen Cookie-Eisbecher hatte, war ich wohl auf dem besten Weg, um wieder glücklich zu werden.

#5
Monatelang hatte ich keine Kraft, etwas zu unternehmen, lag eigentlich nur herum. Ist das Leben? Sicher nicht. Aber schwimmen, in den See springen, Spiele spielen, ins Kino mit Popcorn gehen, Fotos mit Freunden machen, einfach zusammensitzen, gemeinsam singen, zusammen lachen - das ist Leben.

#6
Bei meinen Besuchen zuhause konnte ich wieder Gassi mit meinem Hund gehen, mit ihm spielen... Das ist es wert gewesen, gesund zu werden.

#7
Ich hatte Geburtstag zu meiner Klinikzeit. Und ja, ich habe Kuchen bekommen und ihn gegessen - Was wäre das Leben ohne einen Geburtstagskuchen denn bitte?

#8
Sobald ich ins Normalgewicht kam, habe ich so schöne ehrliche Komplimente bekommen. Zeigt das nicht schon, dass dürr sein hässlich ist und nur das Leben zerstört? Natürlich weiß ich, dass es immer einen Auslöser gibt, deshalb bitte ich euch: lernt, eure Anspannung, eure Gefühle anders zum Ausdruck zu bringen als über das Essen bzw Nicht-Essen! Bitte lasst euch helfen, ihr müsst da nicht alleine durch!

#9
Mit jedem Kilo habe ich förmlich gespürt, wie ich mehr Lebensfreude entwickelt habe.

#10
Öffnet die Augen, seht euch bewusst um. Das kleine Kind, das von seiner Mutter in die Arme geschlossen wird. Das alte Ehepaar auf der Parkbank, Händchen haltend. Ein Mädchen, dass sich über ein Eis freut. Eine schöne Blume auf der Wiese. Ein blauer Himmel. Ist das Leben nicht schön?

Ich selbst habe mich oft damit auseinandergesetzt, was mir am Leben wichtig ist, was mir Freude bereitet, was ich mag. Mich persönlich hat das motiviert. Ich habe mir damals all meine "Motivationswörter" aufgeschrieben, ausgeschnitten und an die Wand geklebt, heute hängen sie an meiner Zimmerdecke, damit ich auch nie vergesse, dass es sich wirklich lohnt, Tag für Tag gegen die Essstörung anzukämpfen.

Hier nur ein paar kleine Anregungen:
Familie & Freunde
● Lachflashs mit Freunden
● Konzerte besuchen
● Tiere
● Ski fahren
● andere Kulturen erkunden
● Weihnachten feiern & Plätzchen genießen
● Kekse & Schokolade
● am Strand spazieren
● Muscheln sammeln
● tanzen
● Mädelsabende
● Erlebnisparks besuchen
● Eisbecher im Sommer
● Weihnachtsmärkte besuchen
● im Schwimmbad entspannen
...und und und.

Ich hoffe, das Kapitel hat die ein oder andere ein wenig zum Denken angeregt, ob ein Leben mit Essstörung denn wirklich Leben genannt werden kann, oder ob doch erst einiges geändert werden sollte...

Kennt ihr jemanden mit Essstörung? Denkt ihr, dieses Buch könnte helfen? Dann empfehlt es doch bitte weiter! (:
Ihr könnt mich auch immer gerne über eine private Nachricht anschreiben!

Bis demnächst, gebt niemals auf!!! ❤

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