Ich sperre mich im nächstbesten Mädchenklo in eine Kabine. Ich tobe, heule und schreie mir regelrecht die Seele aus dem Leib. Doch Niemand kommt, niemand hört mich und niemand tröstet mich. Ich bin allein in dieser Irrenanstalt namens Leben.
Lebt man das Leben nicht zusammen mit anderen?
Warum also bin ich dann allein und muss diese Last allein tragen?
Es ergibt keinen Sinn, dass mich alle für ein dummes Kind auf dieser noch dümmeren Welt halten. Denn ich wette dass ihr Leben ohne diese ständigen Beleidigungen nur halb so perfekt wäre. Oder genau so scheisse wie mein Leben.
Wieso muss ich wieder das Opfer sein?
Ich sitze die ganze Mittagspause über in der Kabine, denke aber gar nicht daran rauszugehen. Im Gegenteil, ich verpasse eine Stunde nach der Anderen und Niemand kommt mich suchen. Zumindest lässt mich das Ganze in dem Glauben. Ich bleibe allein in der Kabine, nur meine Tränen sind bei mir.
Irgendwann sind meine Tränen alle. Ich wusste bis heute nicht, dass das geht. Aber es geht, man kann Tränen aufbrauchen, doch dann bleibt der Schmerz im Körper und lässt ihn nach Erlösung schreien. Erlösung, die ich meinem Körper jetzt nicht geben kann. Ich schreie aber danach, sehne mich nach dem Hochgefühl das mir diese Erlösung geben könnte.
Irgendwann klingelt die Schulglocke das Ende des langen Höllentag herbei. Ich höre wie die Tür zum Mädchenklo aufgestossen wird. Das Schnattern von zwei Mädchen ist zu hören.
"Hast du das heute in der Mittagspause mitgekriegt? Diese peinliche Geschichte von...wie hiess sie nochmal...Rachel glaube ich. Die ist so etwas von erbärmlich.", höre ich das erste Mädchen kichern.
Ein schmerzhafter Stich durchfährt mein sonst schon demoliertes Herz.
Bin ich den wirklich so erbärmlich?
"Genau die. Habe es gehört und ich muss sagen, so etwas Peinliches und gleichzeitig Erbärmliches habe ich schon lange nicht mehr gehört. Hat anscheinend keine Ahnung vom Leben", antwortet das andere Mädchen und fängt laut an zu lachen. Die Erste stimmt mit ein und ehe ich mich versehe, stürme ich an den Zweien vorbei. Ihre verwunderten Blicke ignoriere ich dabei gekonnt.
Ein bitterer Nachgeschmack brennt sich aber trotzdem in mein Gedächtnis.
Ich stürme durch den schon fast leeren Korridor, bis nach draussen. Mir egal ob ich mein Schulzeug und meine Jacke drinnen gelassen habe.
Das Einzige was mir momentan wichtig ist, ist dieser unermessliche Schmerz in mir drinnen. Er will rauskommen ihm fehlt aber die Kraft dazu. Und deshalb bleibt mir nichts anderes übrig als nach Hause zu stürmen und die Erlösung für alles zu holen. Noch nie ist mir der Weg nach Hause so lange vorgekommen.
Zu Hause angekommen, erwartet mich niemand. Denn meine ganze Familie führt ein glückliches Leben mit Freunden, während ich die Dinge im Haushalt erledigen muss, wie ein Sklave. Nicht einmal ein Haustier wäre vorhanden dass mich begrüssen könnte.
Ich bin einsam.
Statt dass ich mich sofort um die Wäsche, die sich in Haufen in unserem Badezimmer stapelt, kümmere, gehe ich in mein kleines Zimmer. In meinem Zimmer befindet sich ausser einem Bett, einer Kommode und einem kleinen Schreibtisch nichts. Aber es ist okay so, wenn meine Geschwister die grössten Räume haben und ich einer kleinen Kammer schlafen muss. Zumindest ist es okay, wenn ich es mir einrede.
Ich öffne die oberste Schublade meiner Kommode, sie klemmt zwar aber ich bringe sie trotzdem schnell auf. Ich wühle in meinen Kleidern bis ich meine Rettung für all den Schmerz gefunden habe. Noch nie war ich so froh sie behalten zu haben, denn das letzte Mal als ich sie ernsthaft gebraucht habe, ist ein Jahr her. Damals als mein Leben anfing der wahrgewordene Albtraum zu werden, auch wenn es vorher schon nicht perfekt war.
Ich setze mich auf mein Bett, schiebe meinen Pullover zurück und hole tief Luft. Ich versuche mich zu beherrschen, aber plötzlich brechen alle Dämme als ich zum ersten Schnitt ansetze. Langsam frisst sich die Rasierklinge einen blutigen Weg durch meine vernarbte Haut. Mit jedem Schnitt kommen meine Gefühle zurück. Doch ich fühle mich noch immer nicht als Mensch. Ich fühle mich gefangen in einem Gefühl aus Nichts. Das Einzige was mich begleitet sind die leisen Tränen die nun in Bächen meine Wangen hinabfliessen.
Ich höre nicht auf als ich die Schmerzen richtig spüre, sondern mache weiter.
Mit jedem Tropfen Blut den ich nun vergiesse, erinnere ich mich daran wie erbärmlich ich bin.
Jeder Schnitt ist ein Schrei ins Nichts. Ein stummer Schrei der um Hilfe bettelt, aber es hört ihn niemand. Niemand hilft, ich schreie dafür umso mehr.
Warum tue ich das Ganze hier überhaupt?
Sterben wäre doch bestimmt viel einfacher. Nur einmal irgendwo eine Brücke runterspringen und das wärs. Ende der Geschichte.
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The Girl with Red Hair
Teen FictionRachel's Leben ist die reinste Hölle. Nichts scheint zu klappen. Aus Angst, Panik und Wut schliesst sie alle aus ihrem Umfeld aus. Niemand hat mehr eine Chance an sie ranzukommen. Bis ein Mädchen auftaucht. ©Story by schasii ©Cover by schasii Gestar...