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Was jetzt?
Ich kann nicht einfach so eine fremde Person anquatschen und sagen sie soll sich verpissen.

Und ist es nicht unhöflich einfach zu verschwinden?

Und vorallem: Was soll ich denn jetzt machen?

Zum auf die Person zugehen ist meine Angst einfach zu gross. Und abhauen kommt auch nicht in Frage. Beide Dinge führen nur ins Leere und machen mir Angst.

Ich beschliesse mich trotz allem zum Gehen. Doch bevor ich mich zum gehen wenden kann, meldet sich die Person. Es ist eine klare Stimme mit einem leicht rauen Unterton.

Anscheinend hat dieser jemand meine Anwesenheit bemerkt.

Warum werde ich ständig ignoriert und Gemobbt und jetzt wo ich gerne unauffällig bleiben würde, werde ich bemerkt?

Das gibt nicht wirklich viel Sinn. Aber weshalb sollte es das auch? Es wäre ja sonst viel zu einfach.

"Hey du, bist du nicht die die ständig dumm angemacht wird, sprich gemobbt wird?", fragt mich die unbekannte Person.

Es handelt sich um ein Mädchen, aber die Stimme selber kommt mir nicht bekannt vor. Ihr Klang ist vergleichbar mit einer Harfe, mit jedem neuen Ton fesselt sie mich. Sie lässt die Töne auf magische Art und Weise zu mir fliessen und man kann sich nur schlecht abwenden.

Ich könnte auch eine Harfe sein, doch bei mir sind längst ein paar Saiten gerissen. Der Klang Meinerselbst ist nur noch ein verzerrtes Musikstück. Das Lied meines Lebens ist fast verstummt, Tag zu Tag wird es leiser, schwächer. Bis es komplett verstummt.

"Was meinst du?" , erwidere ich und versuche das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. Ich stelle mich dumm. Die Tatsache, dass sie etwas über mich weiss macht die Situation nicht gerade angenehm.

Woher weiss sie, dass ich gemobbt werde?

Erst jetzt zeigt sich die Person. Sie tretet aus der Nische hervor und hellblaue Augen blicken mir entgegen. Ihre Haut ist blass und ihr Gesicht wird von wilden, roten Locken umrahmt. Ihr schwarzer Mantel und ihre Leggings machen sie zu einer schlanken, fast elfenhaften Gestalt. Dieses Mädchen sieht aus als wäre sie aus einer ganz anderen Welt. Plötzlich fühle ich mich noch hässlicher als dass ich sonst schon bin.

"Ach komm, ich sehe es dir doch an wie beschissen dein Leben ist." Ihr Lächeln, dass sich nun über ihre vollen Lippen schleicht, ist nicht böse gemeint, aber es schüchtert mich ein.

Sie wirkt zierlich vom Körper her, aber es scheint, als wäre sie doch stärker.

"Was weisst du schon? Habe dich noch nie zuvor hier gesehen, also verpiss dich aus meinen privaten Angelegenheiten.", zische ich sie sauer an. Keine Ahnung woher ich den Mut nehme sie so anzufahren, aber es tut gut.

Was will die von mir? Ich habe sie noch nie zuvor an dieser Schule gesehen oder sonst wo. Sie macht mir auf irgendeine merkwürdige Weise richtig Angst. Vielleicht ist sie ja ein Anhängsel oder Mitglied meines persönlichen Haterclubs. Würde mich nicht wundern

"Tja, wenn du keine Probleme hast, kann ich gerne wieder verschwinden. Zeig mir aber deine Arme.", provoziert sie mich weiter.

Geschockt, über ihren Vorschlag, reisse ich meine Augen auf. Sie wagt es mir zu sagen, was ich zu tun habe. Sie weiss von meinen Armen.

Ist sie etwa ein verrückter Stalker?

"W-Was?", bringe ich fassungslos hervor.

Sie scheint genau zu wissen dass es sich bei meinen Armen um einen wunden Punkt handelt.

Aber woher?

Sie schüttelt kurz ihre Locken und richtet sie anschliessend wieder. Ihr schwarzer Mantel lässt sie extrem blass erscheinen, doch trotzdem sieht sie hübsch aus.

Kleine Flocken schneien vom Himmel herunter. Sie fallen auf unsere Kleidung und hinterlassen einen kurzen Moment lang weise kleine Tupfen. Doch so schnell sie gekommen sind, verschwinden sie wieder. Das Einzige was bleibt ist ein kleiner Wassertropfen.

"Du hast schon richtig gehört, wenn du keine Probleme hast, zeig mir deine Arme und ich verschwinde wieder. Du wirst mich dann vergessen und nie mehr wiedersehen. Glaub mir, ich weiss dass da etwas ist. Ich kann es ahnen." Sie sieht mich aus ihren intensiv hellblauen Augen an. Das unbekannte Mädchen scheint direkt durch mich hindurch zu blicken.

Sie versucht mich aus der Reserve zu locken, doch so schnell lasse ich mir nichts mehr sagen. Schon zu lange musste ich leiden, dass lasse ich mir mit einer Fremden schon gar machen.

Als Antwort schweige ich sie an.

"Gut, wie du willst. Bin morgen um die gleiche Zeit wieder hier, falls du mich doch noch brauchst." Sie lächelt mich an, entblösst dabei eine Reihe schneeweisser Zähne und will sich dann zum Gehen wenden.

"Halt!"

Mit einem überraschten Gesicht dreht sie sich wieder zu mir. Ein leichtes Lächeln umspielt ihren Lippen. Sie glaubt wohl sie hätte gewonnen, aber sie hat die Rechnung ohne mich gemacht.

"Wie heisst du?", frage ich sie, denn schliesslich muss dieses Mädchen einen Namen haben.

"Ich trage viele Namen, nenn mich wie du willst.", antwortet sie und geht davon.

Ich bin völlig verwirrt, was war das für ein Mädchen?

Ich bleibe noch ein wenig bei meiner Nische, bevor ich dann nach Hause gehe. Dabei muss ich die ganze Zeit an dieses Mädchen denken.

Das Mädchen mit dem roten Haar.

The Girl with Red HairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt