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Red und ich sind sehr unterschiedlich. Aber dass ist genau der Grund warum ich bleibe.

Sie denkt anders, fühlt anders und sieht die Welt vollkommen anders, als ich. Ob positiver oder negativer lässt sich streiten, aber dennoch ist diese Unterschiedlichkeit genau das, was mir vielleicht helfen könnte.

Die Chance, dass es tatsächlich funktioniert und mein Leben vielleicht angenehmer wird, ist vielleicht gross. Doch ein kleiner Teil bleibt, der das Ganze komplett zerstören könnte und damit auch mit komplett.

Wir setzen uns auf die kleine Verandatreppe des Häuschens und starren in den langsam in Dunkelheit versinkenden Himmel. Da es eine klare Nacht werden sollte, erkennt man auch schon die ersten Sterne, die den Himmel langsam zum glitzern bringen.

Warum kann mein Leben nicht immer so ruhig und friedlich sein?

"Red?", frage ich in die Stille, die sich um uns gebildet hat.

Stille ist etwas Schönes, aber es kann auch ohrenbetäubend und nervend sein. Bei uns handelt es sich eher um ersteres, auch wenn ich sie gerade zerstört habe.

"Was ist den?", fragt sie leise zurück, als könnte uns diese wunderbare Stille auch hören.

Ihre Stimme lässt mich jedes Mal einen kurzen Moment innehalten. In ihr liegt so viel Kraft, Mut und auch ein wenig Kälte ist darin zu erkennen. Wahrscheinlich ist diese Kälte genau dass, was sie so stark bleiben lässt.

"Wieviele Sterne leuchten am Himmel, was meinst du?", spreche ich meinen Gedanken aus, der mich schon seit Jahren beschäftigt.

Valeria hätte mich ausgelacht, wenn ich ihr dieselbe Frage gestellt hätte. Doch Red ist nicht Valeria, dessen bin ich mir sicher.

Sie gehörte zu den Menschen, die sich nichts aus Fragen machen, bei denen es um das Leben geht. Bei ihr zählte nur Mode, Promis und andere Leute als hässlich zu bezeichnen können. Mehr oder weniger, gehört sie zu den Menschen, bei denen jeder Andere Hass oder etwas ähnliches wie Zuneigung empfinden würde.

Ich empfinde nichts. Sie hat weder Hass noch Liebe verdient. Kein Gefühl kann mir das Genügend geben, dass ich bräuchte um ihr verzeihen zu können. Doch sie hat mich gebrochen, zerstört und in die komplette Hölle getrieben. Ein Weg rein und nie wieder raus.

Doch vielleicht ist dieses geheimnisvolle, rothaarige Mädchen, mit den Augen eines Engels, mein Weg zurück.

Zurück...

Zurück in eine Zeit meines Lebens, in der es nicht nur Beleidigungen gab. In denen es egal war wer du bist, solange du du selbst warst.

Diese Zeit zurückzubekommen, ist unmöglich, aber dennoch wünschte ich mir, diese noch ein Einziges Mal erleben zu können.

"Rachel...", murmelt Red leise und schüttelt ihren Kopf, sodass die Locken hin und her wippen,"Es gibt mehr als dass, was du hier am Horizont siehst. Es gibt keine Zahl, die dir die Frage beantworten könnte, es gibt immer mehr, als dass du zu sehen glaubst. Verstehst du?"

"Also sieht man nie alles, nur dass was uns die Welt zeigt?"

Ein Lächeln schleicht sich über ihre Lippen.

"Ja so ungefähr. Genau so ist es auch bei den Menschen. Du siehst nie alles und wirst es auch nie sehen. Niemand erzählt Jemanden die komplette Lebensgeschichte, dafür sind die Leute zu leichtgläubig. Sie glauben alles was ihnen erzählt wird, früher oder später zumindest. Aber sie hinterfragen nie deine Entscheidungen, die du getroffen hast, sie hinterfragen nur dass was sie sehen und zu wissen glauben."

Das hier ist kein Gespräch unter Freunden, sondern etwas Anderes. Dass stelle ich mit jeder Unterhaltung, die wir führen, fest.

Es ist eine Unterhaltung zwischen Menschen, die ihr Leben anders leben, als Andere.

Menschen, die versuchen ein Leben aufzubauen.

The Girl with Red HairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt