Ihr Name war Lila. Wie die Farbe.
Ich habe sie schon immer gemocht und ja, sie war eine Person, die sich nicht davor scheute anders zu sein. Lila war mir gegenüber immer aufgeschlossen. Bei Menschen, die sie neu kennenlernte, redete sie jedoch wenig und wenn sie manche Menschen nicht mochte, redete sie gar nicht. Für sie waren die meisten von uns gleich: Eingebildet, egoistisch und oberflächlich. Sie sagte, in einer Welt, in der Facebook und Instagram existiert, kann sich kein wahrer Geist entfalten. Und diese Meinung vertat sie stark.
Vielleicht haben sie deswegen viele mit gerümpfter Nase und hochgezogenen Augenbrauen gemustert, wenn sie ohne ein Sterbenswörtchen an ihnen in der Mittagspause vorbei ging und nicht wie jedes andere Tumblr-Mädchen um den Hals fiel..
Arrogant. Das war das Wort, welches benutzt wurde, wenn man über Lila sprach. Eben weil sie so ruhig war, weil sie so sie selbst war. Aber es war Lila egal, wenn man sie ausschloss, denn wer sie richtig kennenlernen wollte, für den weckte sich automatisch auch ihr Interesse.
Lila redete wenig und Menschen, die viel tratschten, fanden sie langweilig. Sie hat ja fast nie geantwortet wenn man sie etwas über Oberflächlichkeiten fragte.
Ich war die Einzige, die einen Draht zu ihr hatte und somit auch die Einzige, die wusste wieso Lila lieber den Mund hielt. Die Erklärung ist simpel: Sie hat nachgedacht. Das machte sie immer. Stundenlang.
Einer meiner engsten Freundinnen, Leonie - welche nie zur Ruhe kam und ständig etwas tun musste - gehörte zu der Gruppe von Menschen, die Lila nicht mochten. Sie sagte, Lila sei depressiv. Mit solchen Menschen könne sie nicht umgehen, das ziehe sie runter und sie sei doch gerade so verliebt und glücklich. Sie habe besseres zu tun, als mit Lila hoffnungslos zu versuchen ein Gespräch aufzubauen.
Karl, auch ein guter Freund von mir (er war älter und hatte vielleicht mehr Lebenserfahrung und Reife) fand Lila klasse. Er war der Meinung, dass sie etwas Tiefgründiges an sich hatte. Er sagt, dass sie schwieg, weil sie schlau war und die Anderen redeten, weil sie nichts Besseres zu tun hatten.
Die Meinungen gingen so weit auseinander.
Aber wer kann schon genau beurteilen, ob Jemand wie Lila ein toller Mensch war oder nicht? Liegt das nicht im Auge des Betrachters?
Wenn Lila rote, grüne und blaue Haare gehabt und Heavy Metal gehört hätte, hätte ein Punk sie dann gemocht?
Wenn Lila getanzt hätte, hätte ein Tänzer sie dann gemocht?
Wenn Lila hübsch gewesen wäre, hätten die Jungs sie dann gemocht?
Vorurteile.
Ich denke es waren nur Vorurteile, zu übereilte Einschätzungen. Sind diese daran Schuld, dass sie uns verlassen musste? Es wäre quatsch, das was passiert ist, auf unsere Mitmenschen und ihre Vorurteile zu schieben.
Denn Lila hatte auch welche.
Wir alle haben sie.
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Kurzgeschichten 2015/2016
Short StoryIn diesem Buch stehen alle kurzen Geschichten, Gedankenblitze und Gedichte, die ich zwischen 2015 und 2016 verfasst habe. Es geht um die Frage des Seins und den Versuch eine Antwort zu finden. Lieben, träumen und schweben. -FS