Freak

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Ich lief los. Mir war unwohl, denn ich hatte zwei Waffen im Rucksack, die ich mir illegal gekauft hatte. Für nur hundert Euro. Langsam lief ich los und versuchte keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sowas war nichts für mich, ich könnte nie anfangen zu dealen.

Als ich im Bus saß, fühlte ich mich irgendwie sicherer. Und beobachtet. Was glotze mich die alte Schachtel denn so dämlich an? Und das Kind, was starrte das denn so? Meine Hände waren schwitzig. Ich wollte unbedingt schnell nach Hause. Bei jeder Haltestellendurchsage zuckte ich zusammen. Wie verhält man sich denn, wenn man nicht auffallen will? Wie verhalte ich mich normalerweise? Ich war überfordert.

Ich stieg aus und beeilte mich schnell nach Hause zu gelangen. Ich hoffte dass meine Eltern nicht da waren. Oder mir wenigstens nicht auf die Nerven gingen. Ich schloss auf und hielt kurz inne. Keine Geräusche. Schnell schloss ich die Tür und mein Herzschlag normalisierte sich sofort. Ich sprintete die Treppe hoch und machte meine Tür schnell hinter mir zu. Einmal tief Luft geholt und mir ging es besser. Die Situation stresste mich ungemein. Aber nun konnte das Projekt starten. Projekt Gunman. Ich grinste.

Im Schrank suchte ich nach einem Rucksack, einem Koffer oder irgendeinem Scheiß wo ich die Waffen drin verstecken konnte. Meine Eltern kamen zwar sowieso nie in mein Zimmer, aber falls es doch irgendwann mal dazu kommen sollte, müssen die ja nicht mitten in Zimmer liegen. Mein alter Reisekoffer diente nun als Waffenschrank, ich fuhr ja sowieso nie in den Urlaub.

Sollte ich jetzt noch irgendwas für meine Nachwelt auf Papier festhalten? Oder ein Video drehen? Oder irgendwie sowas? Das macht man doch so. Man erklärt seinen Angehörigen und allen Schaulustigen, warum, weshalb, wieso.
Ach, als würde das jemanden interessieren. Dieses geheuchelte Interesse, was Leute nach deinem Tod hatten, konnte ich mir stecken. Hatte ich ja sowieso nichts von. Die könnten sich schön selber den Kopf darüber zerbrechen, warum ich das tat und wer daran Schuld war! Idioten! Das würden die nun davon haben, mich jeden Tag aufs neue fertig zu machen, mir mein Leben zur Hölle zu machen! Sowohl die die mich gemobbt haben als auch die die wegschauten. Ich werde sie gnadenlos abknallen und ich werde über Leben und Tod entscheiden. Ich. Ganz. Allein.

Wann sollte das Projekt starten? Geich morgen? Nee. Ich brauchte erst den perfekten Plan, daran sollte ich erstmal pfeilen, bevor ich startete, nicht dass etwas schief ging. Dann hätte sich das nicht gelohnt. Es soll perfekt werden, so viele Leute wie nur möglich sollten mit mir in den Tod kommen.

Ich legte mich seelenruhig ins Bett und ich war völlig zufrieden. Nun sollte das Ganze ein Ende haben. Dieses ewige Mobbing hatte mich sowieso so sehr gebrochen, dass ich nie ein vernünftiges Leben führen könnte. Wie sollte ich je wieder vertrauen können? Reden können? Sie machten aus mir einen Soziopathen. Also werde ich mich mit einem Knall verabschieden. Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Und hatte den besten Schlaf seit Monaten.

Ich wurde von dem schrillen nervigen Piepton des Weckers geweckt. Fröhlich beweckte ich mich ins Bad um mich für die Schule fertig zu machen. Fröhlich? Ja, fröhlich. Mit dem Rucksack auf der Schulter hüpfte ich die Treppe runter um mir meine Schulbrote abzuholen. "Na guten Morgen, mein Liebling! Hast du gut schlafen? Du siehst ja so fröhlich aus!" begrüßte mich meine Mutter. Dämliche Kuh! Vor dir stand ein potentieller Amokläufer zu dem auch DU beigetragen hast. Ihre geheuchelte Friede Freude Eierkuchen Welt sollte noch ins Wanken geraten. Oder besser gesagt, völlig zerstört werden. "Ja, ich habe heute gute Laune." antwortete ich und versuchte so freundlich zu klingen, wie ich konnte. Ohne auf ihre Antwort zu warten, verschwand ich auch schon.

Sechzehn jähriger Junge wurde von seinen Mitschülern zum Amoklauf getrieben. Jahrelanger psychischer und physischer Folter war Oliver Lehmann ausgesetzt, bis es ihn zum Explodieren brachte. Warum tat nie jemand etwas, weshalb schauten alle Beteiligten weg? Bewaffnet mit einer Pumpgun und einer Pistole stürmte er seine Schule, die seine jahrelange Folterkammer war. Er stürmte alle Klassenräume und erschoss alle Leute, die sich im Gebäude befanden. Niemand blieb am Leben. Zum krönenden Ende seiner Gräueltat richtete er sich selbst mit einem gezielten, aufgesetzten Schuss hin.

BANG BANG BABYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt