3.) Unbändige Energie

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Tuan

Was soll ich tun? Was soll ich bloß sagen? Soll ich es bei mit behalten oder es abgeben? Wieso wollen sie das überhaupt? Was passiert, wenn sie es in ihren Händen halten würden?
Unzählige Fragen schossen mir in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf und schrien aufgeregt nach Antworten. Dafür hasste ich meinen Kopf. Dieser "Panikmodus", schoss jedes Mal mit unzähligen, schreienden Fragen um sich, abstatt mit Antworten auf meine Frage zu geben. Natürlich verlangte er von mir, dass ich alle gleichzeitig löse, um die Antworten auf Meine zu bekommen, denn die Fragen wirrten überall in meinem Kopf herum und verwehrten mir den Zugriff auf meinen Verstand, den ich in solchen Situationen brauchte.

Unbewusst schlich ich einen Schritt zurück, aber ich erkannte schnell, dass ich nicht weiterkonnte. Nichtmal hinzusehen brauchte ich, da allein die Präsenz des etwas dicklichen Mannes hinter mir reichte, um dies zu registriern.
Mit einen unschlüssigen Blick schaute ich vorwärts in die Augen, der Frau vor mir. Auch sie starrte mich regungslos mit ihren braunen Augen an.
Mein Hinterkopf rief Informationen über Meeresbewohner auf, die im Moment eigendlich total unnötig waren. Jedoch war das eine Automatisierung meines Hirns, die ich nur schwer stoppen konnte.
Braune Augen?
So eine Farbe war höchst selten unter Meeresbewohner. Dort schwimmen generell nur blauäugige oder grünäugige herum, aber braun? Braun war eher eine Farbe für Menschen.
Und wieso befasse ich mich jetzt mit so etwas, wenn gerade mein Leben von diesem Moment abhängen könnte?

Sie wusste es. Das konnte ich fühlen. Wahrscheinlich hatte mein Blick und mein Schritt nach hinten alles verraten. Niemand sonst hatte so reagiert wie ich.
Aber sie sagte nichts und ging einfach immer weiter der Antenne entlang. Ihre Wachen folgten ihr auf Schritt und Tritt, auch wenn es ihnen etwas schwer zu fallen schien. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich sehr wahrscheinlich laut losgelacht.

Sie kam immer und immer näher. Mein Herz pochte rasend und mittlerweile drückte ich mich schon gegen den rundlichen Mann.  Das stetig schneller werdende Gepiepse, des Gerätes machte mich nur noch aufgeregter.
Meine Hand umfasste das Fragment in meiner Jackentasche fest. Ich wusste nicht was mir das bringen würde. Vielleicht dachte ich, dass ich dadurch die Energie etwas abblocken konnte, aber das hätte sich bei diesen Massen nichts gebracht. Vielleicht war das auch nur die Aufregung, die mich dazu veranlasste das Fragment so zu umschließen, aber dies zeigte Wirkung.
Die Energie floss durch mich hindurch, wie ein Herzschlag und breitete in mir ein wohliges, warmes Gefühl aus.
Dies unterstützte mich irgendwie und ich nahm eine bessere Haltung ein als vorher.
Jetzt waren die Meeresbewohner nur wenige Meter von uns entfernt gewesen und drängten sich an mehreren Menschen vorbei.
Gezielt schaute sie mich an, als würde sie die Antworten schon jetzt aus mir herauskitzeln wollen.
Aber ich hielt dem stand. Das Fragment gab mir die nötige Kraft um stark zu sein.

Mittlerweise stand sie vor mir und zeigte mit dem rauchendem Gerät auf mich. Sie schmiss es zu ihren Delfinen nach hinten, die es auffingen und voller Panik wegschmissen.
Für zwei Sekunden mussterten wir uns. Dann ergriff Annica das Wort: "Junger Mann, haben Sie mir irgendetwas zu sagen?"
Junger Mann? Die Frau ist ungefähr gleich groß wie ich und wirkt nicht gerade sehr alt.
Ich schwieg. Wieso sollte ich ihr irgendwas sagen?
Ihr Blick schweifte von meinem Gesicht hinunter zu meiner Kleidung. Sofort fiel ihr Blick auf meine Hand in meiner Jackentasche, die dort eine Faust bildete.
"Was habt Ihr da in Eurer Jacke? Zeigt es mir, bitte."
Sie hielt mir ihre offene Hand hin, damit ich es hineinlegen konnte.
Ich schwieg immer noch. Meine Hand packte das Fragment fester.
Es pulsierte auf meiner Haut und wärmte diese. Dies verstärkte mein Vorhaben. Ich musste das Fragment beschützen egal was kommen mag.
Eine Weile schauten wir uns nur an. Doch sie wurde langsam ungeduldig und wütend. Ihr Stimme wurde lauter:" Junger Mann, im Namen der Meeresstadt muss ich Euch bitten............"

Weiter kam sie nicht, da sich eine Frau zwischen uns stellte. Ich kannte diese Frau. Sie war Bäuerin und ich hatte ihr geholfen indem ich ihr gezeigt hatte, wie man die Last besser trägt.
"Sie können doch nicht mit wilden Anschuldigungen um sich werfen und dann einen völlig unschuldigen Jungen etwas in die Schuhe schieben!"
Der nächste Mann daneben raunte die weiter an: "Ja genau! Dieser gute Junge hat uns im Dorf immer geholfen! Er würde niemals irgendeine Untat vergehen! Außerdem ist das sicher nur einer eurer billigen Tricks, ihr Gauner!"
Auch diesem Mann hatte ich geholfen indem ich ihm sein Schaf einfing. Das arme Tier hatte Hunger und eine Verleztung, aber jetzt gings ihm wieder gut.
Immer mehr Leute stiegen mit der empörten Masse ein.
Es freute mich sehr wie sie sich für mich einsetzten, obwohl das eher aus dem Hass zu diesen Leuten zu passieren schien als auf irgendein Gefühl zu mir.
Annica wurde immer sauerer. Ihr Blick glich hochätzender Säure und die Wut in ihr konnte man förmlich spüren. Auch wenn sie alleine gegen sehr viele Menschen war, glaubte ich, dass sie keine Scheu und vorallem genug Kraft haben würde sich gegen alle durchzusetzen.
Auch sie strahlte etwas aus. Das wusste ich, aber nicht was sie ausstrahlte.

Aber Annica schien so sicher, dass sie dies nicht einsetzten müsste, denn mit einem weiteren Wink schrien die Delfinmänner wieder los. Dieser Ton ging mir durch Mark und Bein, weil ich mir nur ein Ohr zuhalten konnte. Meine andere Hand fasste immer noch das Fragment. Doch dies brachte den Splitter zum Grellen und Leuchten. Weitere unglaubliche Macht durchfuhr meinen Körper.
Annica bemerkte das Leuchten, das durch meine linke Jackentasche kam und starrte mich böse an.
Die Delfine drängten die Menschen um uns zwei mit ihren Lanzen weg auch wenn sie nur zu zweit waren. Plötzlich riss mich Annica am linken Arm und zischte: "Komm jetzt mit!"
Sie schaffte mich einen Meter zu ziehen bevor ich mich wehrte und stehenblieb. "Lass mich!", zischte ich zurück. Meine Wut nährte das Fragment und ließ es stärker pulsieren. Es fühlte sich an als ob ich mein Herz in der Hand halten würde.
Ohne weitere Worte zog sie mich immer und immer weiter. Sie war nicht so schwach wie sie aussah.
Ich zog und wackelte. Das Fragment wurde heller, pulsierender und schickte mir so viel Energie ins Blut, dass ich glaubte meine Adern würden explodieren.
Als ich fast aus dem Kreis raus war, begann ich zu schreien.
Meine ganze Wut steckte in den Schrei. Ich wollte nicht loslassen. Ich durfte niemandem enttäuschen. Man hat mir das Fragment nicht umsonst gegeben.
Und mit diesem Schrei explodierte die Energie im Splitter.

Durch mich zog sich die gesamte Kraft des Fragments und ließ meinen Körper orange Leuchten. Alsbald begannen meine Augen sich oranglich zu färben, das orangene Licht breitete sich aus mir aus und drängte Annica samt den Delfinen mehrere Meter weiter.
Ich merkte gar nicht mehr, dass ich brüllte. Dass sowohl Schmerz als auch Wut meinen Körper durchzogen und mich beinahe explodieren ließen.
Meine gesamte Aufmerksamkeit galt der leisen, säuselnden Stimme, die sich trotz des Lärms um mir herum in mein Ohr drang und mir zuflüsterte: "Tuan............Bitte hilf mir. Bitte beschütze mich. Die Welt ist nicht mehr sicher. Überrall gibt es Habgier und Rachegelüste.
Es ist deine Aufgabe mich wiederzubeleben. Finde.......Finde die restlichen Fragmente. Suche..........."

Ich hörte nicht weiter. Mein Gehör gab nach. Meine Muskeln spielten nicht mehr mit. Die Energie ließ nach.
Und das letzte woran ich mich erinnere war, dass mein Körper sich trotzdem bewegte. Dass ich lief durch Wiesen und Wald.
Und die Worte, die mir durch den Kopf hallten:
"Mut und Wasser.........."

Force of the rainbowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt