Kapitel 2

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Grace' Sicht

Er lächelte etwas unverholfen und besorgt.
"Darf ich fragen wo du wohnst und dich nach Hause bringen?"

Ich war noch einen Moment still bis ich antwortete, um dann endlich seinem intesiven Blick ausweichen zu können.

"Ähm, ich komm schon klar..." versuchte ich ihn irgendwie wieder los zu werden.

"Auf keinen Fall!" antwortete er bestimmt und hielt mir wieder seine weiche und warme Hand hin.  Etwas in mir wollte unbedingt nach ihr greifen und festgehalten werden. Ich hasste die Tatsache, dass ich so empfand. Alles andere in mir schrie danach weg zu laufen. Aber was blieb mir in diesem Moment anderes übrig? Ich griff also zögernd nach seiner Hand und er drückte sie sanft. Ein mulmiges Gefühl durchfuhr mich. Ich nickte mit dem Kopf in die Richtung, aus der ich gekommen war. "Da lang."

Er nickte und wir machten uns langsam auf den Weg, da wir noch einiges zu laufen hatten. Nachdem ich mir auch die letzten Tränen aus den Augen geblinzelt hatte und mich jetzt zum ersten Mal richtig umsah viel mir auf, dass ich noch lange nicht in der Mitte angelangt war. (Das musste erklären, warum er mich sehen und aufhalten konnte. Sicher war ich mir jedoch nicht.) Nach kurzem Nachdenken war das ganze auch sehr unrealistisch da sie rund drei Kilometer lang war und ich vielleicht zwei Minuten gerannt war. Ich schüttelte den Kopf, da ich schon wieder über so absurde Dinge nachdachte. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen wie er mich irritiert musterte. Gott, ich hasste es wenn mich jemand ansah. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, er solle es lassen. Ich wusste selbst, dass das alles verrückt war. Anderer Seits wollte ich auf keinen Fall meinen Mund aufmachen.

Dennoch, immer wieder bemerkte ich wie er mich von der Seite musterte.

Eitelkeit gehörte nicht zu meinen Eigenschaften, aber ich sah schon nicht schlecht aus. Schönheit  war mir glücklicherweise in die Wiege gelegt worden, aber ich hatte nie viel Wert darauf gelegt und es mir auch eigentlich nicht zum Vorteil gemacht. 

Er schien immer wieder etwas sagen zu wollen und setzte zum reden an, allerdings schloss er seinen Mund jedes Mal wieder und blieb still. Ich konnte verstehen, dass er sich nicht traute etwas zu sagen und schon gar nicht diese eine Frage zu stellen. Warum? Als ich mir schließlich selbst diese Frage stellte, blitzten sofort tausend Szenen in meinem Kopf auf, die dieses schreckliche Verlangen nach dem Aufgeben in mir ausgelöst hatten. Ah ja deswegen. In letzter Zeit waren es tatsächlich immer wieder nur Kleinigkeiten, doch ich war nicht mehr stark. Ich hielt nichts mehr aus. Ich nahm alles sofort persönlich und sofort zu ernst. Ich hatte absolut kein Selbstwertgefühl mehr und ich war einfach nur am Ende. Emotionale Stabilität einer Pusteblume, dachte ich. Ein sehr treffender Satz. Eine kleine Tränen wagte es, sich aus meinem Augenwinkel zu stehlen. Verächtlich schnaubte ich.

"Was ist?" Irritiert sah er mich wieder an. Scheinbar hatte er doch seinen Mut gesammelt. 

Ich schüttele abwertend den Kopf. "Nichts, entschuldige. Ich denke meistens nur zu viel." Ich sagte es so leise das ich mir kaum sicher war, ob er es gehört hatte. Reis dich zusammen! Trotzig und wütend wischte ich die Träne mit meiner Handfläche weg. Hör verdammt nochmal auf zu heulen! Du bist kein kleines Kind Grace.

Halt's Maul.

Ich stöhnte unauffällig. Jetzt führte ich auch schon Selbstgespräche.

"Woher kommst du?" traute er sich tatsächlich zu fragen. Ich überlegte kurz. "Aus dem Süden. Äh also in dieser Stadt meine ich. Lincoln Highschool Gebiet, glaube ich."

Ganz ehrlich ich hatte keine Ahnung, was ihn das anging oder warum ich antwortete.

"Du glaubst?" Er schien sichtlich verwirrt. Erneut. (Oder immer noch.)

Ja, ich glaubte. Da ich erst vor kurzem auf diese Schule gewechselt hatte. Ich hatte meiner Mum schon seit längerem gesagt, dass ich meine alte Schule über alles hasste. Genauso wie die Leute und alles andere. Ich sagte ihr auch immer wieder, ich würde mich außerdem mit absolut niemand verstehen - was auch der Fall war.

Ich hatte eine beste Freundin

Beth. Sie war sehr beliebt und redete sehr viel und da ich nicht sehr viel redete, war es meine Aufgabe ihr immer brav hinterher zu laufen und ihr zuzuhören, wenn sie pausenlos von ihren unzähligen Typen erzählte oder sich über alles lästerte. 

Ich war nicht so. Ich verabscheute Nähe ... und Körperkontakt und Vertrauen und alles was dazu gehörte. (Mir war bewusst, dass ich die Hand eines fremden Typen hielt, was nicht sehr überzeugte.)

Gott, ging sie mir auf die Nerven. Ich wusste, dass ich ihr rein gar nichts bedeutete und sie mich einfach nur ausnutzte, aber da ich nicht noch unbeliebter werden wollte als ich eh schon war, lies ich es einfach zu.

"Ja ich glaube." Um zurück auf das Thema zu kommen, dass ich vor lauter nachdenken schon beinahe wieder vergessen hatte. Dann stolperte ich.

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