30. Mum's Geheimnis

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Zoey's P.O.V

"Wie bitte? Ich bin nicht dein Besitz", prustete ich los.

Tyler ging nicht weiter darauf ein und nahm sich einen der Pizza Kartons, mit dem er sich auf das Sofa pflanzte. Doch da hatte er sich geschnitten.

"He!", rief ich und sah ihn streng an. "Esstisch, sofort!"

Mum hatte es gehasst, wenn auf dem Sofa gegessen wurde. Und auch jetzt, da sie nicht mehr da war, hatte ich mich so sehr daran gewöhnt, dass ich es nicht mehr leiden konnte, wenn man auf unserem Sofa aß.

"Ich mag's wenn du so dominant bist", grinste er dreckig, setzte sich aber brav an den Esstisch.

Seinen Kommentar überging ich geflissentlich und biss herzhaft in meine Pizza. Als ich auf sah, begegnete ich Tyler's überraschten Blick. "Was?", fragte ich verwirrt.

"Du isst ja wie ein Mensch", sagte er, als wäre es das achte Weltwunder.

"Langsam solltest du wissen, dass ich nicht so auf Kaninchenfutter steh", brummte ich und widmete mich kopfschüttelnd wieder meiner Pizza.

Als wir aufgegessen hatten verzog sich Tyler in sein Zimmer und ich räumte auf. Wie klischeehaft.

Ich ging dann ebenfalls nach oben. Zuerst duschte ich und zog mir meine Jogginghose und ein Schlabbershirt an. Das Shirt war ein altes von Luca. Mal wieder. Aber Tyler musste es ja nicht sehen und außerdem waren diese Teile echt bequem.

Als ich mich um elf Uhr - was für meine Verhältnisse fast schon peinlich früh war - ins Bett legte, war ich kein bisschen müde. Aber ich hatte so den Verdacht, dass ich für die morgigen Strapazen ausgeschlafen sein werden muss. Doch meine Augen wollten und wollten nicht zufallen.

Missmutig schlug ich die Bettdecke zurück und holte den Schlüssel zu Mum's Zimmer aus einer Schublade raus. So leise wie möglich schlich ich mich nach oben und schloss die Tür hinter mir wieder zu.

Das Zimmer sah so aus, wie ich es vor meiner Abreise nach Amerika aufgeräumt hatte. Nur etwas war anders. Ein weißer Zettel lag auf ihrer Kommode.

Beim näher Hingehen erkannte ich einen dicken Briefumschlag, worauf ein kleiner Notizzettel klebte.

Ich nahm den Notizzettel.

Zoey, deine Mutter hat mich gebeten, das hier zu hinterlassen. Ich weiß nicht, was drin steht, es ist für dich bestimmt. Deine Tante Molly

Ich hatte Tante Molly immer gemocht. Sie war manchmal wie eine Schwester für mich gewesen, als ich eine gebraucht hatte.

Mit zittrigen Fingern öffnete ich den Umschlag. Mum's Schrift stach mir ins Auge und allein die Tatsache ließ meine Augen anfangen zu tränen.

Zoey,
Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich da sein und dich unterstützen kann. Es tut mir leid, dass ich dich nicht mehr aufwachsen sehen kann und sehen kann, wie du heiratest und ich Oma werde.
Ich wünschte, es gäbe einen anderen Ausweg, doch das tut es leider nicht.
Ich möchte dir hier alles erklären.
Es tut mir leid, dass ich nicht den Mut gefunden habe, es dir selbst zu sagen, als ich noch lebte. Es ist feige von mir und ich weiß das, trotzdem hoffe ich, dass du mich vielleicht ein wenig verstehen wirst.
Ich habe Jack wirklich geliebt, das musst du mir glauben. Er war alles für mich, ein perfekter Ehemann und gleichzeitig mein bester Freund. Und als ich dann mit dir schwanger wurde, war nahezu alles perfekt. Eine wunderschöne Bilderbuchgeschichte.
Ich habe dir immer erzählt, dein Vater wäre ohne jeden Grund verschwunden. Das stimmt nicht, und es tut mir unendlich leid, dass ich dich angelogen habe.
Die ganzen Jahre über dachte ich, ich würde es nur deshalb tun, weil du noch zu jung wärst, um das alles zu verstehen. Jetzt weiß ich, dass das alles nur eine Ausrede war. Ich war feige, und das zu Unrecht.
Jack ist nicht ohne Grund gegangen. Das hätte er niemals getan, dafür ist er ein zu guter Mensch.
Als du gerade sechs warst, kam dein Vater abends wie immer von der Arbeit. Nur dass er dieses Mal ein wenig früher kam.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon drei Monate lang eine Affäre mit einem Arbeitskollegen von mir. Ich könnte es auf Eheprobleme schieben, doch das wäre gelogen. Einzig und allein ich trage die Schuld daran.
Jack erwischte uns im Schlafzimmer. Als er reinkam, konnte ich sehen, wie seine Welt zersplitterte. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen, aber ich durfte nicht jammern. Es war meine Schuld, und das ist es immer noch.
Der Arbeitskollege ging, und wir stritten uns. Du warst zu dem Zeitpunkt bei deiner Tante. Du hast nichts mitbekommen.
Jack hat an diesem Abend seine Sachen gepackt und hat im Hotel geschlafen. Als du am anderen Morgen nach Hause kamst und nach deinem Dad fragtest, sagte ich dir, er wäre auf einer Arbeitsreise.
Schließlich trennten wir uns.
Dein Vater hat mich trotz allem nicht sitzen gelassen. Er hat mir Geld angeboten, um dich zu versorgen, doch ich habe abgelehnt. Ich wollte nichts von ihm nehmen, da ich ihn schon genug geschädigt hatte. Nicht finanziell, aber du weißt, was ich meine.
Ich konnte es dir all die Jahre nicht sagen, und jetzt kann ich mich bei bestem Willen nicht mehr damit rausreden, dass du zu jung bist.
Ich kann dir nur sagen, wie leid es mir tut, obwohl du meine Entschuldigung wahrscheinlich nicht mehr hören kannst und willst.
Aus diesem Grund habe ich eine Entscheidung getroffen. Wenn ich dir damit Schmerz zugefügt habe, musst du wissen, dass ich das niemals wollte.
In einem Monat wirst du sechzehn Jahre alt.
Verurteile mich nicht dafür. Einen Tag nach deinem Geburtstag wirst du der Polizei begegnen. Du wirst mich identifizieren müssen und es tut weh, dass ich dir das nicht ersparen kann. Ich werde ein letztes Mal den gemeinsamen Ort von Jack und mir aufsuchen, danach wirst du mich nie wieder sehen. Es tut mir leid, meine Kleine.
Ich liebe dich.
Mum

Badboy's GoodgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt