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Freitag, 20. März
Fast drei Jahre sind vergangen, seit ich Noreen zum ersten Mal getroffen habe.

Heute habe ich die aller schlimmste Tat begangen, die ich hätte begehen können. Ich hasse mich für alles, was ich heute getan habe und dafür, dass ich zu schwach war. Ich war wirklich zu schwach. Ich fasse es nicht, dass ich mich einfach so - ohne Grund - dem Charme einer verdammten Schlampe hingegeben habe. Nein. Das stimmt nicht. Ich habe mich gewehrt. Jedenfalls am Anfang. Megan Truscot, die Leiterin des Beauté-Clubs hat mich heute Nachmittag im Flur aufgefangen und es - kein Plan, wie sie das angestellt hat - irgendwie fertiggebracht, mich in die Enge zu treiben und an die Wand zu drücken. Erst meinte sie, ich müsse ihr helfen, ihren neuen Freund loszuwerden, indem ich ein einziges Mal mit ihr ausging.
„Bitte", sagte sie und behauptete ich sei ihr das schuldig, was auf gar keinen Fall stimmt. Ich bin ihr nichts schuldig. Nicht mehr.
Ja, ich weiß, ich war mit ihr zusammen und sie ist wegen mir in diese Akademie gegangen. Sie wollte mit mir zusammen sein. Für immer. Tja.
Es ist nicht meine Schuld, dass ich sie verlassen habe. Nicht ganz. Sie hat schließlich selbst entschieden, mit einem Anderen eine Affaire zu beginnen. Dafür kann ich nichts und ich glaube, es war mein gutes Recht, mich von ihr zu trennen. Sie ist einfach nicht das, wofür ich sie anfänglich hielt. Leider hat sie sich für meine Entscheidung, sie zu verlassen, heute mehr als ein wenig gerächt! Ich weiß nicht, ob sie wirklich wieder mit mir zusammen sein wollte oder ob sie all das geplant hatte und wusste, dass Noreen vorbeikäme.
Jedenfalls hat sie angefangen, sich an mich zu klammern wie ein Affe und mich so wild wie nur möglich auszuziehen und zu küssen. Es war furchtbar und ekelhaft zugleich. Na gut, ich hätte sie wegstupsen können, aber nur, weil ich es immer vorgebe, muss es ja nicht stimmten: Ich bin nicht stark. Nicht stark genug.
Zu meinem Unglück kam gerade in dem Moment, in dem Megan anfing, naja (was wohl?), Noreen in den Flur und sah mich, wie ich erstarrt darüber, was Megan tat, geradeaus ins Leere starrte. Ich muss ausgesehen haben, wie der größte Depp der Welt! Verdammt!!!
Jap, sie hat mich dabei erwischt - oder Megan, das spielt keine Rolle - und ich habe nichts gemacht. Nichts.
Ich hasse mich! Ich hasse mich einfach. Am liebsten würde ich mich lebendig begraben und verhungern lassen, damit ich eine gerechte Strafe dafür bekomme ... Als Noreen aufgelöst weggerannt ist, habe ich versucht, Megan zu schlagen, und bin unter ihrem Arm herunter getaucht und Noreen nachgerannt. Leider viel zu spät. Ich bin zwei Mal bei ihr Zuhause vorbei gegangen und habe gefragt, ob sie Zuhause sei, ihre Mutter hat gesagt, Noreen empfinge jetzt keinen Besuch, weil es ihr nicht gut ginge, es täte ihr leid. Mir auch. Mir auch.
Tausendmal mehr. Ich bin schuld. Ich bin schuld und ich hasse mich!

Die letzten Worte waren mit solcher Wucht auf das Papier geschrieben worden, dass an manchen Stellen sogar ein Loch entstanden war. Ich fühlte mich schuldig. Jetzt verstand ich, was wirklich passiert war und sogar noch mehr. Als er am Lagerfeuer von seiner Errungenschaft in Frankreich redete, meinte er Megan! Megan Truscot. Ich las weiter, das zweite Stück Papier.

Donnerstag, 26. März
Fast eine Woche nach meiner Gräueltat.

Bisher hat Noreen nicht mit mir geredet, das heißt, bis heute Vormittag. Sie hat mich angesehen, wie der größte Verbrecher und gemeint, wir sollten reden. Ich war natürlich einverstanden und wir haben uns für morgen Mittag verabredet.
Hoffe, sie verzeiht mir, obwohl ich das selbst nicht bei mir tun würde. Ich bin der größte Arsch der Welt!

Freitag, 27. März
Tag des Jüngsten Gerichts - so kommt es mir jedenfalls vor.

Es war nicht anders zu erwarten und ich darf es ihr nicht vergelten, ich weiß!
Aber es ist einfach ... einfach so schwer deine Ruhe zu bewahren, wenn dein Herz gebrochen wird. Meines wurde gebrochen. Schon vor einer Woche, als ich es selbst beeinflusste, aber - ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll - es ist anders, wenn sie es dir direkt ins Gesicht sagt. All deine Fehler. All deine Macken. All das, was du an dir verabscheust, es dennoch nicht ändern kannst, weil es ein Teil von dir ist. Es ist ein Teil von mir.
Es gibt viele Leute, die sagen „Du musst mit deinen Macken leben. Du musst aus deinen Fehlern lernen", dabei ist das unmöglich. Zumindest für mich.
Ich kann nicht mehr mit meinen Macken und Fehlern leben. Ich kann es nicht mehr. Ich war ein Idiot, ein Schwachkopf, ein idealistischer Macho, der von sich selbst dachte, er könne jede haben. Sie hat recht.
Noreen hat in allem Recht gehabt. Ich bin ein Schwein. Ein sadistisches, verdammtes Schwein.
Meine Eingeweide fühlen sich an, als hätte ihnen jemand einen Tritt verpasst und ich wünschte aus ganzem Herzen, ich könnte mein Herz dazu bewegen, eine Pause zu nehmen und aufzuhören zu schlagen. Ich will dieses Leben nicht mehr. Ich verdiene mein Altes nicht und will kein neues. Das Einzige, was ich jetzt noch zu erwarten habe, ist die Qual der Jahre, die ich verbringen werden muss, bevor ich endlich diese Welt verlassen und dem Befehl meiner Liebe folgen kann.
Noreen will mich nicht mehr sehen, ich mich auch nicht. Vielleicht sollte ich alle Spiegel auf der Welt zertrümmern, um mein eigenes Ich nicht mehr zu Gesicht zu bekommen, vielleicht sollte ich es auch nicht tun, um bestraft zu werden. Von mir selbst. Von meinem Gewissen, das von ihr geleitet wird.
Ich bin kein ganzer Mensch mehr. Nein. Ich werde es nie wieder sein.
Es tut mir so unendlich leid, Noreen Withey. Mein Engelchen. Mein Schatz.

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Das war jetzt schon der vorletzte Teil :o Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr lasst mir einen kleinen Kommentar oder ein Vote da ;)

LG, Joe

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