Atemlos halte ich an. Mittlerweile ist es schon pechschwarz hier draußen, aber trotzdem erkenne ich den kleinen hölzernen Unterschlupf vor mir, als würde statt dem Mond die Sonne am Himmel stehen. Ich sehe mich ein letztes Mal um, dann entferne ich das eine Holzbrett vorsichtig aus den anderen und öffne so den Eingang zu dem Unterschlupf. Von außen, als Unwissender, sieht es aus, wie ein einfacher, heruntergekommener Holzbrettstapel. Aber wenn man hineingeht, findet man ein kleines Versteck. Das Versteck von mir und James. Ich verschließe unseren Unterschupf wieder und krabbel in der leider nötigen, hockenden Stellung zu James, der, wie es aussieht, schon ungeduldig auf mich gewartet hat. James und ich sind Freunde seit ein paar Jahren. Wir trafen uns, als ich gerade einen Apfel gestohlen hatte. Er half mir, mich vor den Jägern zu verstecken, genau in diesem Unterschlupf hier. Und seitdem arbeiten und leben wir meist zusammen. Jeden Abend treffen wir uns nach dem stehlen oder sonstigem wieder hier und zeigen einander was wir haben, um es mit dem anderen zu teilen. Anschließend schlafen wir immer hier. "Wieso warst du heute so spät? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, die hätten dich gekriegt!" James sieht mich durch sein blondes Pony strafend und besorgt an. "Haben sie diesmal auch fast, aber dafür habe ich das hier gekriegt!" stolz nehme ich das Brot aus der Tasche. Die Hähnchen-Keule lasse ich noch drin. "Wow! Ich habe heute nur diesen kleinen Apfel hier", er zeigt auf den Apfel vor ihm. "Ach ja und ich habe noch das hier!" Ich ziehe langsam die Keule aus meiner Tasche im Kleid. James Augen weiten sich und er beginnt leicht zu sabbern. "Das ist! Wo hast du?! WOW! Lis, das ist fantastisch!" Ich grinse ihn an und setze mich dicht neben ihn. Es geht auf den Winter zu und es wird immer kälter, wir Straßenkinder müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht erfrieren. Wer im Winter ganz alleine auf der Straße ist, ist schon so gut wie tot. Umso froher bin, dass ich James habe. "Alles ok?" er sieht mich zweifelnd an. "Ja, alles gut!" bezeuge ich, aber seine skeptische Miene löst sich nicht. Ich seufze. "Okay! Ich wäre heute fast dran gewesen. Ich saß mehrfach in der Klemme und konnte jedes Mal nur ganz knapp entkommen..." Er legt seinen Arm um mich und streichelt sanft meinen Rücken. "Du bist zu wagemutig..." Schon wieder dieses Thema! "James bitte. Ich bin hungrig und müde. Können wir nicht einfach essen und dann schlafen gehen? Ich bin so kaputt", er nickt und wir beginnen zu essen. Es ist so köstlich, dass wir wie die Tiere über alles herfallen, bis es nichts mehr gibt. Wir haben sogar die Kerne des Apfels gegessen. Man kann ja nicht immer nehmen was man will, man muss das nehmen was man hat. Satt kuschel ich mich an James und wir legen uns hin. "War heute ein langer Tag, was Lis?"
"Ja, ein sehr langer und morgen wieder das gleiche Spiel.." Wir seufzen im Chor. "Lis?"
"Ja, James?"
"Bitte pass auf dich auf!" Ich kuschel mich noch enger an ihn. Seine Körperwärme durchströmt mich, lullt mich ein wie eine warme Decke. Spendet mir immer wieder Trost in diesem erbärmlichen Leben, gibt mir Halt und wärmt mich. Was würde ich nur ohne ihn machen? Ich wäre verloren! "Mach ich!" Aneinander gekuschelt schlafen wir ein.
Hey, meine Lieben. Hier mal ein etwas kürzerer Teil, der euch hoffentlich aber auch gefällt :-D.