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Ein lauter Knall ertönt und reißt mich aus meinem traumlosen Schlaf. Was war das? Ich setze mich vorsichtig auf und krabbel zum Eingang unseres Unterschlupfs. Langsam nehme ich ein kleines Stück Holz neben dem Eingang weg und sehe durch das entstandene Loch nach draußen auf die Straße. Jäger gehen durch die Straße und treten immer wieder gegen Holz, Steine und Obdachlose wie mich. Einer der Jäger knallt zwei Steine gegeneinander und brüllt:" Weg hier! Aufstehen! Los, Los, Los! Ihr faules Gesindel!" Sie kommen immer näher. Wir müssen hier so schnell wie möglich weg! "James! Psst!" Ich krabbel zu ihm und wecke ihn schnell. "Was ist?" Sofort hellwach sitzt er da und sieht mich Allermiert an. "Jäger!" flüster ich. Seine Augen weiten sich und er nickt leicht. Man kann ihm seine wachsende Angst ansehen, während er die schäbige Decke auf dem Boden zusammenrollt und ganz hinten versteckt. Wir legen ein paar Holzstückchen so in den Unterschlupf, sodass es aussieht, als hätte hier nie einer gelebt. Dann krabbeln wir möglichst leise nach hinten und James nimmt ein paar Steine beiseite, die eine Wand simulieren. Unser Unterschlupf lehnt an eine steinerne Mauer, jedenfalls sieht es so aus. Wir hatten früher aus genau solchen Gründen, den Unterschlupf in zwei Hälften eingeteilt. In der Mitte simulierten wir die Mauer nach, sodass es aussieht als sei da schon Ende. Dahinter hatte man dann ein kleines Versteck. Und da hinein gehen wir jetzt. Wir verstecken uns mithilfe der Steine und warten ab. Die Schritte der Jäger kommen immer näher und bleiben dann vor dem Unterschlupf stehen. James und ich halten angespannt den Atem an. Wenn sie uns finden, ist es aus. Sie dürfen uns nicht finden, dann heißt es geköpft werden oder ins Gefängnis. Beides wäre einfach nur schrecklich! Nach einer gefühlten Ewigkeit gehen sie weiter und wir atmen keuchend aus. "Ich dachte schon, dass sie nie weitergehen werden!" sagt James, nachdem wir noch gewartet haben, dass sie wirklich weg sind. Wir krabbeln aus dem Versteck und aus dem Unterschlupf raus. "Ja..." Wir sehen uns an. Zwei verschmutzte, heimatlose 15-jährige Kinder, jeden Tag auf der Flucht vor dem Gesetz und dem Tod. "Dann bis heute Abend", sage ich und James nickt. "Falls wir dann noch leben...." Ich stupse ihn an. "Das werden wir! Und wir werden uns hochkämpfen! Ich verspreche es dir! Bis heute Abend, James!" er nickt, grinst schwach und dann laufen wir los. Er nach links, ich nach rechts. Am Ende der Gasse bleibe ich stehen. Vor mir ist eine gepflasterte Straße und viele Menschen gehen dort ihre Wege. Ich verstecke mich hinter einer Mülltonne und sehe mich um. Kein einziger Jäger ist zu sehen. Komisch, sonst sind sie doch Haufenweise auf dieser Straße! Als wirklich keiner zu sehen ist, mische ich mich unters Volk und lasse mich mit dem Menschenstrom treiben. Die meisten die mich sehen, weichen angewidert zurück oder sehen mich pikiert an. Sie alle sehen in mir nur eine kleine, schmutzige, ungezogene Diebin. Aber wer hat mich denn dazu gemacht? Sie, sie alle, wie sie da rumstolzieren und sich für etwas besseres halten. Sie, weil mir von ihnen nie einer geholfen hat. Sie, die mich abstoßen und bestrafen. Nur sie! Ich komme an einen kleinen Obst und Gemüsestand und verstecke mich hinter einer Frau mit einem dicklicheren Körperbau, die sich dort gerade ein paar Äpfel und Birnen bestellt. Als der Verkäufer sich umdreht um die Ware zu wiegen, schnappe ich mir drei Birnen und gehe weiter. Vielleicht sieht er es ja nicht.....vielleicht komme ich davon, ohne fliehen zu müssen, vielleich...."Hey! Haltet sie!" War ja klar! Ich sprinte los und stopfe die Birnen beim Rennen in meine Kleidtasche. Da keine Jäger hier sind, läuft der dicke Obstverkäufer höchst persönlich hinter mir her. Schnaufend und puterrot im Gesicht wedelt er mit der Faust und schimpft mich voll. Schnell wie der Blitz schlängel ich mich durch die Menschenmenge. Laufe zwischen all diesen Menschen hindurch. Jetzt ist es mein Vorteil, klein und wendig zu sein. Der Dicke hinter mir, hat keine Chance. Er wird von den Leuten hin und her geschupst. Ich renne und renne und bin schnell außer Sichtweite des Verkäufers. Lachend halte ich an und sehe mich um. Ich stehe auf einem kleinen Platz mit einem Brunnen. Nach Blicken nach links und rechts, laufe ich über die Straße zu dem Brunnen und halte meine schmutzigen Hände in das Wasser. Kühl läuft es mir über die Hände und wäscht etwas Schmutz weg. Ich bilde mit den jetzt etwas saubereren Händen eine Art Schale und fange etwas des tollen Wassers auf. Gierig schlucke ich es herunter und genieße das Gefühl der Kälte und Nässe, dass meine Kehle runter rinnt. "Hallo", eine Stimme lässt meinen Kopf nach oben schnellen. Vor mir steht ein stattlicher Junge. Er muss reich sein und aus einer wohlwollenden Familie kommen, denn er trägt einen schicken Anzug und seine Haare sind zurück gekämmt. "Ähm...hallo..." Verwirrt sehe ich ihn an. Was will der von mir? "Wie heißt du?"

"Liska", sage ich knapp und betrachte ihn weiter. Leute wie er reden eigentlich nie mit Leuten wie mir. Er sollte mich ignorieren, wegsehen und mich für Abschaum halten, anstatt mich an zu sprechen. "Das ist ein starker Name", verwirrt lege ich meinen Kopf schief, was ihm ein Lächeln entlockt. "Ich heiße Sean. Freut mich dich kennen zu lernen", er hält mir seine Hand hin. Ich blicke auf sie nieder, schüttel sie aber nicht. Meine Hand ist trotz des Wassers noch dreckig und ich will keinen Stress mit ihm. "Hallo, Sean." Er scheint zu verstehen und nimmt seine Hand wieder zurück. "Sean?" Eine helle Frauenstimme lässt mich zusammen fahren. Sie ist schneidend, streng und pikiert. "Ja?"

"Komm, wir gehen!" Sean dreht sich wieder zu mir und sieht mich entschuldigend an. "Hat mich sehr gefreut. Bis dann, Liska."

"Ähm...bis dann, Sean", sage ich noch, bevor er zu der in Pink gekleideten Dame geht und mit ihr und dem Mann in Anzug daneben davon geht. Ich stehe stocksteif da und sehe ihm hinterher. Was war das denn gerade? Ich schüttel meinen Kopf und versuche so die ganzen Gedanken los zu werden. Mit meinen drei Birnen laufe ich zurück zu dem Unterschlupf und warte dort auf James.



Hey, ihr Leserlinge da draußen ;-). Danke fürs lesen!

Und? Was denkst du? Wieso hat Sean so ein Interesse an Liska? Wieso spricht er sie an? ;-)



Liska - dark lightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt