Terrified- Kapitel 5

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Wir gingen und gingen. Bis jetzt hatte ich leider noch keinen wirklichen Ausweg gefunden. Ich musste es schaffen, allein zu sein. Gerade rätselte ich, wie ich das am Besten anstellen sollte, als der Wald augenblicklich endete und wir auf eine Landstraße stießen. Ich konnte das große Krankenhaus in der Straßenbiegung schon sehen. Schnell streifte ich mir die Kapuze meines dunkelblauen Hoodies über, um möglichst unerkannt zu bleiben. „Warum die Kapuze?“, fragte Jacob erstaunt. „Ich möchte ungern erkannt werden.“, gab ich kleinlaut zu. „Hast du einen Mord begangen oder was?“, „Nein, ICH nicht!“. Ich schaute ihn vorwurfsvoll an. „Sehr lustig.“, „Also ich find schon. Anscheinend haben wir nicht den gleichen Sinn für Humor. Aber meiner ist wenigstens zum Lachen.“, „Tss, darüber können wir später streiten.“, ächzte er. „Aber jetzt mal ehrlich: Warum musst du unerkannt bleiben?“ Wie viel konnte ich ihm anvertrauen? „Ich sag dir soviel: Ich habe keinen Mord begangen, aber wenn ich erkannt werde, wird es sicher einen Mord geben und den werde ich diesmal nicht überleben.“

Wir betraten das Gebäude. Zum Glück sah man meine Haare unter der Kapuze nicht, denn die waren total verfilzt und verknotet. Früher hatten sie immer einen tollen Glanz gehabt. In der Sonne konnte man meinen, sie hätten einen leichten Blauschimmer, so dunkel waren sie. Sie gingen mir knapp bis zu meiner Armbeuge, waren gestuft und hatten leichte Wellen darin. Man hatte mir mal gesagt, sie sähen aus wie flüssiges Teer. Ich war noch klein gewesen und hatte noch nicht gewusst, was es bedeutete, aber es hatte mich glücklich gemacht. Es war ein Polizeibeamter und sein Kollege gewesen, die uns öfter einen Besuch abgestattet hatten, wegen etlichen Anzeigen aufgrund von Ruhestörung. Doch sie hatten nie bemerkt was wirklich vorging. Hinter der Fassade, die uns als glücklich Familie darstellte um die mein Vater ach so doll bemüht gewesen war! Er war so ein Heuchler!

Wir traten an die Rezeption. Jake sprach mit der jungen Krankenschwester: Guten Tag. Meine Freundin hat einen leichten Streifschuss erlitten und muss dringend behandelt werden.“, er deutete auf meinen Oberarm. Die Frau nickte und erwiderte sein Lächeln. „ Aber natürlich! Wir schicken sofort einen Arzt zu ihnen. Sie können sich schon mal ins Behandlungszimmer 5 setzen.“, „Danke.“ Ich machte mich auf ins Zimmer. Jacob folgte mir auf Schritt und Tritt. Mist! So konnte ich niemals abhauen. Ich hielt den Blick gesenkt und huschte schnell durch den Türspalt einer großen hellgelb angestrichen Tür mit einer großen schwarzen 5 darauf ins Behandlungszimmer. Wir setzten uns auf die beiden Stühle. Gegenüber hing ein großer Spiegel. Ich sah dort nur ungern, dass wir genau gleich dort saßen: Die Füße beide fest auf dem Boden. Arme locker auf den Lehnen abgelegt, den Rücken gerade. Wie kleine Zinnsoldaten. Ich versuchte mich ein wenig zu entspannen, was uns beiden aber anscheinend sehr schwer fiel. Aber ansonsten sahen wir völlig verschieden aus: Ich trug Springerstiefel und eine Röhrenjeans, beides in schwarz. Einen dunkelblauen Kapuzenpullover, darüber eine khakigrüne Jacke. Mein Gesicht war blass, fahl und ausdruckslos. Meine Mundwinkel zeigten nach unten, in meinen Augen lag tiefe Traurigkeit. Ich hatte dunkle Augen, fast schwarz, passend zu meinen Haaren. Früher hatten sie mal gestrahlt, doch mit der Zeit hatten sie ihren Glanz verloren. Sei waren rot gerändert und darunter machten sich dunkle lila Augenringe breit. Kurz und knapp: ich sah aus wie ein Zombie.

Jacob war davon das volle Gegenteil: Er hatte zwar auch Stiefel an, jedoch in braun, eine lockere beige Hose und ein tief grünes T-shirt mit Print. Seine Augen strahlten und er hatte so gut wie immer ein Lächeln auf den Lippen. Seine Haut war tief gebräunt und makellos. Ich hätte am liebsten etwas nach seinem Spiegelbild geworfen, so neidisch war ich auf sein Aussehen.

Eine kleine Ärztin in weißem Kittel betrat das Zimmer. Ich sah kurz auf, senkte den Blick jedoch schnell wieder. „So dann wollen wir uns doch mal deine Arm ansehen.“, rief sie völlig übertrieben aufgedreht. Sie machte diesen Job wohl noch nicht all zu lange... Die Frau hatte ein ovales Gesicht, kurze, fast weißblonde Haare zu einem Minizopf gebunden und wenn sie lächelte, konnte man einen Blick auf eine große Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen erhaschen. Außerdem konnte sie wahrscheinlich grade so die 1,55 m erreichen. „Dann zieh mal die Jacke und den Pulli aus, damit ich mir deine Wunde ansehen kann.“, forderte sie mich auf. Ich streifte meine Jacke ab und wollte grad den Pulli ausziehen, da fiel mir wieder Jacob ein. Er saß dort immer noch ohne eine Veränderung in seinem Stuhl. Ich räusperte mich. „Jacob? Könntest du bitte rausgehen?“ Er grinste über beide Ohren und antwortete: „Ich muss doch auf dich aufpassen. „Ich konnte es kaum glauben. Wie dreist konnte man eigentlich sein? „Raus!“, rief ich und zeigte mit dem Zeigefinger auf die Tür. Er erhob sich langsam und verließ dann letzen Endes den Raum. Schon einer weniger. Ich ging zu der Liege streifte den Pulli aus und ließ mich darauf nieder. Die Ärztin fing an, meine Wunde zu desinfizieren. Danach machte sie eine Salbe darauf und verband meinen Arm. „Dankeschön...“, ich warf schnell einem Blick auf ihr Namensschildchen. „...Mrs. Whinch“ Merkwürdiger Name. „Gerne! Den Verband musst du wöchentlich wechseln und die Salbe täglich erneuern.“ Ich überlegte, wie ich das unterwegs wohl anstellen sollte und wie teuer, das wohl war. Ich hatte nicht viel Geld und das, was ich hatte, brauchte ich für Nahrung.

Was passiert denn, wenn ich das nicht tue?“, „Naja, dann könnte dein Arm langsam verwesen und dein Fleisch verfaulen.“ Sie grinste mich nach dieser Aussage auch noch fröhlich an, als wäre Verwesung, das Tollste was es gäbe. Ich kam wohl kaum um diese Verbands- und Salbungssache herum. „Wo bekomme ich denn diese Sachen?“, „Du kannst sie in jeder Apotheke bekommen. Wir bieten sie aber auch an.“, „Wie viel würde denn eine Salbe und ein Zweiter Verband kosten?“ Sie rechnete kurz „das wären zusammen 60 Dollar. Ich kann dir ja die Sachen mal holen und solange überlegst du, ob du sie hier sofort kaufen willst.“ Sie verließ das Zimmer. Verdammt! Das war meine Chance. Ich war allein und würde es so schnell nicht wieder sein, aber ich brauchte diese Salbe. Ich wartete ab, bis sie wiederkam und die Sachen neben mich auf die Liege legte. Ich hatte mir in der Zeit an dem kleinen Waschbecken das getrocknete Blut abgewaschen und mich wieder angezogen.“ Ach Mist!“, rief Mrs. Whinch aufgebracht. „Jetzt habe ich glatt vergessen, dir die Kreislauftabletten zu verschreiben. Du hast nämlich viel Blut verloren. Warte hier, ich hole sie schnell.“ Das war wohl heute mein Glückstag! Ich zögerte nicht lang, schnappte mir Salbe und Verband, stopfte sie mit in meine Tasche und riss das Fenster auf. Kurzerhand sprang ich heraus (zum Glück war ich im Erdgeschoss behandelt worden), lief in die entgegengesetzte Richtung aus der wir gekommen waren und verschwand im Wald. 

Terrified *ON HOLD*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt