I | Zwei Gesichter

1.3K 64 11
                                    

Meine liebe Enkelin,

seit Deiner Kindheit kennst Du die alten Traditionen unserer Familie. Schon immer war ich der Meinung, dass man die familiären Sitten beibehalten sollte. Dazu gehört ebenfalls die Ausbildung meiner Nachfahren. Die Familie Black soll weiterhin diesen großen Namen tragen, den mein Großvater einst mit hartem Fleiß aufgebaut hatte. Ich bin dazu verpflichtet, all mein Wissen an euch Kinder weiterzugeben.

Du hast jetzt einen Alter erreicht, wo ich glaube, dass es an der Zeit ist, Dir einige nützliche Bräuche beizubringen, die ich selbst einst gelehrt habe.

Deine Eltern sind bereits informiert, dass Du in den Weihnachtsferien zu uns in den Grimmauldplatz kommst.

Hochachtungsvoll,

C. Black

Die junge Campbell las den Brief mehrmals durch, doch er blieb stets derselbe. Tief in ihrem Innern hatte sie geahnt, dass solch eine Nachricht sie bald erreichen würde, jedoch hatte sie schwerlich gehofft, dass sie noch ein wenig Zeit hätte, um sich darauf vorzubereiten. Sie wollte sich nicht ausmalen, was ihr Großvater ihr alles beibringen würde – vermutlich tief Schwarze Magie oder Verhaltensregeln, wie sie all ihren Skrupel verlieren würde. Es klang vielleicht grausam, was ihr da durch den Kopf ging, doch sie kannte ihn nicht anders. Glücklicherweise hatte ihre Mutter selbst mehr von ihrer eigenen Mutter geerbt als von ihrem Vater, diese war bekanntlich viel feinfühliger und gerechter. Manchmal fragte Hayley sich, was ihre Großmutter nur dazu getrieben hatte, einen Mann wie Cygnus Black zu heiraten. Aber gleich nach diesem Gedanken kommt ihr die herzlose Antwort in den Sinn: Toujours pur – reines Blut soll so lange bewahrt werden, bis die Zaubererschaft ihre Arbeit auf der Welt vollbracht hat.

***

Endlich hatte Hayley sich wieder beruhigt, zumindest dachte sie das. Ständig wanderten ihre Gedanken zu dem Inhalt des Briefes. Leider erinnerte sie sich durch diesen Gedanken an ihre Familie, beziehungsweiße ihre Mutter, die angestrengt hoffte, dass ihre einzige Tochter nach Slytherin kommen würde.

Schlussendlich gelangte ihre Gedankenwelt zu den Ansichten der Blacks und wie ungern sie zugab, dass sie vollkommen dagegen war. All diese Dinge kreisten ihr durch den Kopf, während sie durch die Korridore von Hogwarts schritt.

Sie war auf dem Weg in die Bibliothek, da sie noch eine Menge Hausaufgaben auf ihrem Programm stehen hatte. So sehr beanspruchten diese Komplikationen ihre Konzentration, dass sie nicht bemerkte, dass jemand ihr entgegen kam. Ehe sie sich versah, lag ihre Tasche auf dem Boden und daneben ein paar ihrer Bücher.

»Tut mir leid«, sagte sie hastig und bückte sich, um ihre Habseligkeiten wieder an sich zu nehmen. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass es sich bei der Person, in die sie hineingelaufen war, um ein dunkelblondes Mädchen handelte. Diese hatte sich ebenfalls in die Hocke gesetzt, um ihr die restlichen Bücher zu reichen. Als alles wieder seine Ordnung hatte, bedankte Hayley sich bei ihr für diese unerwartete Hilfsbereitschaft.

»Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben, aber das wäre nicht nötig gewesen.«

»Doch das war es«, widersprach sie, »schließlich habe ich selbst auch nicht wirklich darauf geachtet, wo ich hinlaufe.«

Verdutzt über diese Freundlichkeit musterte sie das Mädchen vor sich etwas genauer. In ihren Augen lag ehrliche Aufrichtigkeit – etwas, was die junge Campbell bisher nur selten in ihrem Leben gesehen hatte. Ihr Blick fiel auf das Emblem, woraufhin sie die Erkenntnis traf.

Ihr Großvater Richard erzählte ihr stets von der Gutherzigkeit der mutigen Gryffindors.

»Augusta Bargeworthy«, stellte die Löwin sich vor und hielt ihr lächelnd die Hand hin.

Die wahre GryffindorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt