drei (in Bearbeitung)

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Ich soll dich ans Staubsaugen erinnern! P.

Dezember,

2 Wochen nach dem dritten Termin

Vor einer halben Ewigkeit, so scheint es mir, stand ich im Flur und habe hektisch den Wohnungsschlüssel gesucht, während in meinem Kopf tausend und ein Sternchen schwirrten. Mit ein, zwei oder auch drei - möglicherweise auch drei einhalb - Bieren hat sich das als eine wirklich komplizierte Sache herauskristalisiert. Mindestens drei Minuten tastete meine eine Hand vergeblich in meiner Tasche, während meine Linke eine braune Glasflasche zu umklammern und vorm Fall zu schützen versuchte. Jetzt ist es mitten in der Nacht und die Sterne sind immernoch anwesend - über meinem Bett klebend, in einem leuchtenden neonschleimgrün in der stillen Dunkelheit. Morgen früh, da bin ich mir hundertprozentig sicher, werde ich mich dafür selbst ohrfeigen wollen. Sie wird es bemerken und obwohl sie nichts sagen wird, wird sie enttäuscht sein. Das weiß ich. Enttäuschen - das ist, was wir gut können. Ich gut kann. Glanzleistung, Marie. Applaus, Applaus.

Mir ist zugegebenermaßen kotzübel und die beschissenen Sterne, die ich einst mit ihm an meine Decke gepappt habe, fangen an neongrüne Kreise zu werden, die sich drehen. Unzufrieden und völlig fertig lasse ich mich auf mein Bett fallen, Flüssigkeit schwappt aus der Flasche auf meine Hand, auf mein grasgrünes Laken. Ach, Marie - gestern erst frisch bezogen, höre ich seine Stimme und lache, bis mein Lachen mir im Hals stecken bleibt und einem hysterischen Schluchzen und Heulen weicht. Ich presse meine Lippen aufeinander, winde mich, wobei ich das Bier achtlos auf den Teppich vor meinem Ikeabett fallen lasse. Das Kissen schleudere ich mit einer erstaunlichen Kraft durchs ganze Zimmer, die Bettdecke sucht das Weite und rutscht auf den Fußboden, meine Haare kleben mir im vom Heulen nassen Gesicht, mein enges Kleid zwickt in der Hüfte und meine hochhackigen Schuhe, die ich um sechzehn Uhr, einer noch nüchternen Uhrzeit, total genial fand, quetschen nun schmerzvoll meine Zehen aneinander. Als sich meine Hysterie verabschiedet hat, liege ich mit grummelndem Magen und matschigem Gehirn einfach nur da und starre Löcher ins schwarze Nichts, als würde das helfen. Als würde es mich beruhigen. Als könnte es den ganzen Scheiß besser machen. Irgendwann schlafe ich ein, träume irgendwelchen Quatsch, der keinen Sinn ergibt. Als ich aufwache rieche ich Bier, meine Brust zieht sich zusammen und eine riesige Welle voll Selbstverachtung überkommt mich mit dem ekligen Nachgeschmack von Alkohol.

Gut drei Unendlichkeiten später überwinde ich mich und setze mich auf, stehe auf, trotte mit hängenden Schultern auf Perlonsocken Richtung Bad.

Gut vier Unendlichkeiten starre ich dann mein Spiegelbild an.

Meine Haare sehen aus, als hätte ich nicht nur in eine sondern gleich in vierzig Steckdosen gefasst, meine Lippen sind trockener als es eine Sandwüste je sein wird, die Augen und alles drum herum gleichem einem Malen nach Zahlen Bild, das ein Fünfjähriger gemalt hat.

Scheiße murmle ich.

Scheiße, das beschreibt es ganz gut, denke ich.

flaschenpostgrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt