4. Kapitel

772 31 1
                                    

---------

Ich bemerkte erst nach kurzer Zeit, dass mein Vater im Türrahmen stand und mich ausgiebig musterte.

Er lächelte schwach als ich zu ihm aufsah. Irgendwas hatte dieses gezwungene Lächeln immer zu bedeuten. Irgendwas bedrückte ihn.

"Was ist los?" Fragte ich unsicher und ließ währenddessen meinen Kugelschreiber auf die Tischplatte fallen.

Er seufzte kurz, bevor er sich vom Türrahmen abstieß und sich auf meine Bettkannte sinken ließ.

Es hatte nie etwas gutes zu bedeuten, wenn er dies tat.

Langsam drehte ich mich mit samt meinem Drehstuhl, sodass ich ihm perfekt in die Augen sehen konnte.

Mein Zimmer war zwar nur schwach beleuchtet, doch trotzdem strahlten seine Augen.

Er erwiderte meinen Blick nicht. Er sah auf seine Hände, die er zusammengefaltet auf seinem Schoß liegen hatte. Es sah so aus als würde er erst die richtigen Worte suchen, mit denen er anfangen konnte.

Umso länger er zögerte, umso nervöser wurde ich. War es so schlimm?

"Erzähl schon.." Bettelte ich kaum hörbar. Ich konnte es nicht mehr lange aushalten.

"Geht es dir gut Jessy?" Ich runzelte die Stirn. War das alles? "Klar geht's mir gut!"

Er sah endlich zu mir auf." Bitte sei ehrlich Jessica." Ich hasste es, wenn er mich do nannte! Seine Stimme wurde plötzlich so  ernst..

"Ich bin ehrlich." Log ich. Mir ging es alles andere als gut. Aber ich konnte meinen Vater doch nicht damit belasten! Er hatte seine eigenen Probleme und Sorgen, da brauchte er meine nicht noch dazu.

"Du bist so stumm geworden seit wir hier wohnen. Du erzählst nichts mehr. Du wirkst nur noch traurig und abwesend. Ich will doch nur, dass es dir gut geht."

Der letzte Satz traf mich wie ein Schlag. Tränen bildeten sich in meinen Augen. Er wollte immer nur das beste für mich und musste jetzt mit ansehen wie es mir von Tag zu Tag schlechter ging.

Er hatte so verdammt recht mit diesen Worten. Ich erzählte nichts mehr, nichts mehr von meinem Scheiß Schulalltag. Ich wischte die ersten Tränen zur Seite." Mir geht's gut." Log ich wieder. Währenddessen liefen mir erneut Tränen über die Wangen.

Verletzt sah mein Vater mich durchdringlich an. Er tat mir so leid..

Schweigen trat in den Raum. Keiner von uns sagte mehr etwas. Mein Vater sah inzwischen wieder zu Boden. Warscheinlich weil er nicht mit ansehen konnte wie ich weinte.

Normalerweise hätte er mich schon längst in seine Arme geschlossen.

"Ich würd' mir so sehr wünschen das du eine gute Freundin an deiner Schule finden würdest." Er brach seinen Satz ab. Seine Stimme versagte. Langsam stieß er sich von der Bettkannte ab und richtete sich auf.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen verließ er mein Zimmer. Er ließ mich einfach so zurück. Mit Tränen überströhmtem Gesicht. Das hatte er noch nie getan.

Seine Worte brannten wie Feuer in meiner Seele. Noch nie hatte er mit mir darüber gesprochen. So lange musste ihn das schon bedrückt haben, solange würde ihn das noch bedrücken.

-

Irgendwann ließ ich mich tot müde auf mein Bett fallen. Meine Tränen waren getrocknet und trotzdem ging es mir kein Stück besser.

Es dauerte eine Ewigkeit bis ich in einen unruhigen Schlaf fiel. Umso müder war ich, als ich am nächsten Morgen aufstehen musste.

-

Mir tat alles weh. Meine Augenringe waren größer als je zuvor. Wie lange hatte ich geschlafen? Zwei Stunden?

Es kam mir vor wie fünf Minuten. Ich konnte mich kaum wach halten.

Mein Vater schlief noch, als ich das Haus verließ. Er hatte bestimmt noch schlechter schlafen können als ich..

-

Nach einem zwanzig Minütigen Fußweg, erreichte ich den Lehrerparkplatz, der direkt an die Schule grenzte.

Wie jeden Morgen schlenderte ich quer über den Parkplatz auf das Schultor zu, doch mitten auf meinem Weg blieb ich stehen.

Etwas weiter vorne entdeckte ich den schwarzen Impala von Mr. Parker. Die Beifahrertür stand offen, er konnte also nicht weit entfernt sein. Langsam lugte ich über die anderen Autos hinweg, bis ich ihn endlich sehen konnte.

Er stemmte mit seiner linken Hand krampfhaft die Motorhaube seines Wagens nach oben, da sie sonst anscheinend nicht halten würde, während er mit der anderen Hand an irgendwelchen Dingen hantierte. Was auch immer er da tat, es sah ziemlich anstrengend aus.
Die Motorhaube Drohte jeden Moment aus seiner Hand zu rutschen, sodass sie schmerzhaft seinen rechten Arm zerquetschen würde. Ich konnte also nicht anders, als auf ihn zu zugehen..

Erstaunt über den Mut, den ich gerade aufbrachte, machte ich schließlich dicht hinter ihm halt. Sein wohliger Duft stieg mir auf Anhieb in die Nase.

"Kann ich helfen?" Fragte ich so selbstsicher wie möglich. Er sah mal wieder unverschämt heiß aus. Seine blaue Jeans saß ihm perfekt an den Beinen, ebenso wie sein eng sitzendes Shirt.

Fast erschrocken sah er mich an. Ich bereute sofort ihn angesprochen zu haben. Meine Knie fingen an zu zittern, und das nur, weil ich seinem durchdringlichen  Blick ausgeliefert war.

Seine erst verwirrte Miene verwandelte sich in ein unglaublich schönes Lächeln.

"Das wäre echt nett, danke!" Mein Herz raste. Seine Stimme brachte mich so dermaßen um den Verstand!

"Könntest du das halten?" Er trat ein Stück zurück, sodass ich mich vor ihn schieben, und die Motorhaube stützen konnte. Einen kurzen Moment streifte mich sein Becken, als ich mich vor ihn schob. Ich zuckte kurz zusammen. Wie konnte dieser Mann mich nur solche Gefühle spüren lassen?

Inzwischen hatte er sich wieder dem Problem gewidmet, welches sich unter der Motorhaube befand, und somit seinen Blick von mir abgewandt.

Ich zögerte kurz, bis ich beschloss die Stille zu durchbrechen. Wow, so mutig heute?
"Was ist denn das Problem?" Er schielte kurz zu mir. Er schien überrascht. Anscheinend war er ebenso verwundert über meinen plötzlichen Mut, wie ich selbst.

"Weiß ich selbst nicht.., der Motor ist plötzlich angekratzt.." Murmelte er fast verzweifelt. Mit seiner rechten Hand kratzte er sich nachdenklich am Hinterkopf. Wieder Stille.

"Du solltest jetzt los. Nicht das du wieder zu spät kommst. "Redete er beiläufig, als er sich wieder aufrichtete und mich ansah." Danke nochmal für deine Hilfe!" Er schob schwach lächelnd meine Hände beiseite und schloss die Motorhaube.

Hatte er gerade wirklich meine Hände angefasst? Mein Puls wurde immer schneller.

"Kein Problem." Gab ich leise als Antwort und sah ihm noch ein letztes Mal in die Augen. Er war so schön.., so verdammt schön!...

× Unerlaubtes Verlangen × #ByMeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt