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dreizehn / thirteen / treize.-

Zusammen verlassen wir das Krankenhaus durch den Hintereingang, welches neben der Krankenhausküche liegt. Savannah rümpft die Nase, während wir durch die sterile Küche laufen.

„Die unfähigen Untermenschen hier sind also verantwortlich für das stinkende Essen, welches drei mal täglich in mein Zimmer geschleppt wird", spottet sie und ich grinse sie an, während ich ihr die schwere Tür aufhalte. Trotz des unglaublichen Lärmes, welchen wir dank der Infusionsstange produzierten, hat uns keiner bemerkt. Oder aufgehalten.

„Und du wohnst in dieser Stadt?", hacke ich vorsichtshalber nach, aber auch um auf Jacobs Behauptung zurückzukommen. Das Mädchen, welches einfach so auftauchte und unlösbar sei.

Verwirrt sieht sie mich von der Seite an, während sie neben mir herläuft und ihren nervtötenden Begleiter mit sich zieht.

„Natürlich tu ich das", kam es prompt als Antwort und ich atmete innerlich erleichtert auf. „Gut, dann führ mich. Ich bin noch nie an dem Platz, welchen du vorgeschlagen hast, gewesen."

Lüge. Ich bin schon so oft dort gewesen, um meinen Frust abzulassen, dass ich es als mein zweites Zuhause bezeichnen könnte.

Sie nickt und zusammen laufen wir durch die Straßen. Immer mehr Menschen schauen uns, oder besser gesagt Savannah, dumm von der Seite an, doch die Kälte in ihrem Blick schüchterte jeden einzelnen so sehr ein, dass er sofort den Blick abwand und weiterlief.

„Fühlt sich komisch an, frei zu sein", murmelt sie und ich ziehe die Augenbrauen zusammen. „Definiere mir deine Freiheit", sage ich, um ein Gespräch ins Laufen zu bringen. Und insgeheim, um endlich das leere Blatt füllen zu können.

Sie scheint nachzudenken, wählt ihre Worte bedacht aus.

„Freiheit ist, wenn du fallen, aber nach dem Fall auch zersplittern kannst", meint sie und ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen.

„Wieso willst du zersplittern?"

„Ich wurde geschubst, bin mitten im Fall, aber man hat mich nicht fallen gelassen. Verstehst du?"

Ich runzelte die Stirn. Nein. "Ja."

Zufrieden lächelt sie und biegt ab, schweigend folge ich ihr. Langsam nähern wir uns dem besagten Park.

„Wie kommt es eigentlich, dass ich dich noch nie zuvor gesehen habe?", frage ich weiter. Bitte Savannah, gib mir eine verdammt nochmal verwertbare Antwort.

„Weil du deine Augen nicht offen hattest. Wusstest du, dass du jemanden, den du kennst, viel schneller siehst, als jemanden der für dich unbekannt ist?" Ich zucke mit den Schultern. „Darauf habe ich nie geachtet."

Sie grinst mich verschwörerisch an. „Siehst du, genau das ist der Punkt. Soll ich dir was verraten?", sie schweigt kurz. „Ich bin auf deiner Schule gewesen Austin. Ich kenne dich. Ich wusste sogar, wie du heißt. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit dir in Kontakt treten werde."

Erstaunt sehe ich sie an und hebe meine Augenbraue an. Das konnte nicht sein. Sie ist die ganze Zeit vor meiner Nase gewesen und ich habe sie nie bemerkt. „Du verarschst mich doch?"

„Nein, sowas habe ich nicht nötig. Aber vielleicht merkst du ja jetzt, dass du deine Augen offen halten solltest. Sonst siehst du die Welt nicht. Obwohl sie nicht wirklich sehenswert ist", antwortet sie und lässt sich auf einer Parkbank nieder. Ich habe nicht mal bemerkt, dass wir angekommen sind. „Krass", flüstere ich und lasse mich neben ihr nieder. Krampfhaft versuche ich mich daran zu erinnern, ob ich sie schon mal irgendwo gesehen habe, aber das einzige, was mir einfällt, ist nur ein kleiner Vorfall, der vor mehreren Wochen passiert ist. „Du bist das Mädchen gewesen, welches von dem Rettungswagen abgeholt wurde, oder?", frage ich sie mit hochgezogener Augenbraue. Zaghaft nickt sie.

Viele haben darüber diskutiert, Gerüchte rumerzählt. Ich habe nie gewusst, wer gemeint war.

„Du hast ziemlich viel Aufmerksamkeit gekriegt danach", informiere ich sie, doch sie schnaubt nur verächtlich auf. „Diese Aufmerksamkeit sollten diese hinterhältigen Schlangen verteilen, wenn es nötig ist. Nicht dann, wenn es zu spät ist", murmelt sie.

Ich merke, dass ihr das Thema unangenehm ist und versuche verzweifelt, mir Fragen an sie auszudenken. Doch mein Kopf ist leer.

„Wieso tust du das eigentlich?", unterbricht sie die Stille. „Was meinst du?"

Sie seufzt. „Na, das mit dem Krankenhaus. Du arbeitest dort seit Tagen, obwohl man förmlich spürt, dass du ungefähr so motiviert bist wie ein Schüler vor einer Mathearbeit", erklärt sie.

„Um ehrlich zu sein werde ich gezwungen. Ich schätze, ich habe ein wenig übertrieben und Mum hatte keine Lust mehr darauf. Also hat sie mir einen Deal vorgeschlagen. Ich arbeite, dafür darf ich ins Ausland", antworte ich ihr. Die mustert mich mit ihren grauen Augen und lacht auf. „Ja, dass habe ich mitgekriegt. Es geht nicht wirklich Gutes über dich an der Schule herum", kichernd lehnt sie sich zurück. „Den Beschreibungen nach zu urteilen bist du schlichtweg ein Hurensohn."

Auch ich muss auflachen. „Vielleicht bin ich das. Aber ich bin ein Hurensohn mit Herz!", ich verstelle meine Stimme und klatsche feierlich in die Hände. Wieder folgt ein Lachanfall von uns.

„Weißt du, selbst Miss Hanson hat über dich abgelästert und alle Mädchen in unserer Klasse vor dir gewarnt", berichtet sie mir und kichert weiter. Einige Passanten werfen uns wieder Blicke zu, doch diesmal nicht wegen dem dürren Mädchen mit der klappernden Infusionsstange. Dieses Mal wegen dem dürren Mädchen und einem bescheuerten Jungen, die unter grauen Wolken auf einer Bank sitzen und lachen, so laut es geht.

„Ohja, Miss Hanson. Sie konnte mich noch nie ab", gebe ich zu. Und so beginnt ein Gespräch über unsere Lehrer, unsere unausstehlichen Lehrer, die nicht schlimmer hätten sein können. „Unsere Lehrer sind scheiße, so scheiße, dass ich mich in die Gebärmutter meiner Mum zurückzwängen will", schnaube ich und wieder folgt Gelächter. Savannah nickt zustimmend.

Nachdem es aber anfängt zu tröpfeln und die grauen Wolken immer dunkler werden, stehe ich auf und klopfe den Dreck von meiner Jeans. „Lass uns los, sonst werden wir nass", meine ich und sehe zu ihr.

Langsam hebt sie den Kopf an und schließt ihre Augen. „Regen ist toll. Es lässt dich Lebendigkeit spüren."

Dann steht sie auf und umklammert ihre Infusionsstange. „Auf geht's in die Hölle auf Erden", sagt sie feierlich und läuft los, mit Regentropfen in den Haaren und einem immernoch kalten Herz. Und ich, am folgen mit meinem leeren Blatt.

SavannahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt