fickt euch und eure Zahlen.-
Und während ich dann durch die wie leer gefegten, nassen Straßen laufe, fällt mir auf, dass ich keinen habe. Ich habe niemanden, den man irgendwie als Freund bezeichnen könnte und dem ich mich voll und ganz anvertrauen könnte. Die Leute aus der Schule, die sich immer um mich scharren, tun das sowieso nur, weil ich ehmaliges Mitglied der Footballcrew bin und sind dadurch purer Zeitvertreib. Keines der Mädchen, die mir immer und immer wieder hinterherrennen, könnte irgendwie als gute Freundin in Frage kommen. Ich habe keinen Zufluchtsort, niemanden der mich hätte aufnehmen können für nur eine Nacht. Seit Jahren besteht mein Alltag aus Schule, Geld sparen und Zeit dämlich vertreiben.
Wieso fällt mir das ausgerechnet dann auf, wenn ich am dringendsten jemanden brauche?
Seufzend schlage ich den Weg Richtung Park ein, um nicht zwischen leeren Gassen rumlaufen zu müssen. Ich taste meine Jackentasche nach meinen Zigaretten ab und atme erleichtert aus, als ich die Schachtel in die Finger bekommen. Mit zitternden Händen hole ich eine der Kippen raus und zünde sie an. Nach dem ersten Zug füllt sich mein Körper mit Wärme und meine Muskeln fangen an sich zu entspannen. Das dichte Gebüsch des Parkes nähert sich, als ich die Kippe schon fast fertig geraucht habe. Ich sehe mich nach einer Bank um, die vielleicht nicht so durchnässt ist, dass man sich nicht mehr setzen kann. Zum Glück stehen die meisten unter großen Bäumen, weshalb sich mehrere zur Verfügung stellen.
Ein paar Straßenlaternen erleuchten den riesigen, dunklen Park, der normalerweise voll von spielenden Kindern und gestressten Erwachsenenen ist. Aber jetzt herrscht nichts außer gähnende Leere und ich genieße den Augenblick der Stille. Verdammte scheiße, dass ist wie der Anfang eines beschissenen Horrorfilms und ich möchte definitiv nicht die Hauptrolle des naiven Spastens, der vergewaltigt und getötet wird, einnehmen.
Ich greife nach meinem Handy, welches ich den ganzen Tag noch nicht angefasst habe und entsperre es. Gefühle hunderte Nachrichten meiner Mutter, die verlangt das ich nach Hause komme, tauchen auf und ich lösche jede einzelne genervt. Seit Jahren geht es so.
Diese Beziehung zwischen meiner Mutter und mir verschlechtert sich, von Tag zu Tag. Falls es überhaupt jemals eine gegeben hat.
Seit dem Tag, an dem mein Vater uns verlassen hat, könnte sie glatt als ihre eigene Patietin durchgehen. Es hat etwas in ihr ausgelöst, dass sie krankhaft und psychotisch denken lässt, dass jeder in ihrem Umfeld sie verlassen will, weshalb sie sich verzweifelt an allem klammert und dabei nicht merkt, dass sie alles genau in diese Richtung lenkt.
Dabei will ich es doch, abhauen. So sehr, dass ich bei dem Moment, an dem ich das Geld in meiner Hand habe, sofort gehen werde.
Ich stöhne genervt auf, als mir einfällt wie viel mir noch fehlt. Und ausgerechnet jetzt dann muss die Schule auch wieder anfangen, mein Leben muss mich wohl hassen.
Erschrocken zucke ich zusammen, als mein Handy eine Nachricht meldet und der viel zu laute Klingelton die Stille, die herrscht, zerreißt. Kurz denke ich darüber nach, nicht nachzuschauen, da es vermutlich sowieso meine Mutter ist, doch als ich auf die Popup Nachricht sehe, wird kein Profilbild und eine fremde Nummer angezeigt.
Verwundert tippe ich ein 'wer bist du?' ein und warte auf eine Antwort der Person.
'Savannah.'
Ich sehe überrascht die Nachricht an. Woher hat sie meine Nummer? Schnell tippe ich meine Frage ab und warte ungeduldig auf eine Nachricht von ihr.
„Ist das deine Freundin?"
Ich zucke zusammen und blicke zu dem Ursprung der Stimme. Ein blondes, fast weiß haariges Mädchen, schwarz geschminkt und mit der Kapuze über dem Kopf, welches gerade dabei ist, sich neben mich zu setzen. Fassungslos sehe ich sie an. Verwirrt hebt sie die Augenbraue an und schaut zurück. „Habe ich etwas im Gesicht?"
Hektisch schüttele ich den Kopf. „Nein nein, du hast mich nur erschreckt. Nein, das ist nicht meine Freundin", antworte ich ihr, nachdem ich meine Zunge wieder gefunden habe. Gott, hat mich die Olle erschreckt.
Ich blicke zu ihr und mustere sie. Sie ist stark geschminkt, meiner Meinung nach viel zu stark. Aber sie ist schön. Wenn nicht sogar sehr schön.
„Was machst du hier?", fährt sie fort, anscheinend um die Konversation aufrecht zu erhalten. „Na, das selbe könnte ich dich auch fragen", gebe ich grinsend zurück und entlocke ihr dabei ein süßes Lächeln.
„Ich bin auf dem Weg nach Hause gewesen, als ich es mir anders überlegt habe."
„Es kann ganz schön gefährlich enden, wenn du nachts alleine als Mädchen durch die dunklen Straßen der Stadt läufst", sage ich theatralisch und halte mir übertrieben die Hand ans Herz. Ein leises Lachen folgt und sie schüttelt den Kopf, wobei ihre Kapuze runterrutscht. Sie hat mittellange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind.
„Das selbe gilt für dich. Loch ist Loch", kontert sie trocken und ich pruste los. Unsicher sieht sie mich an, stimmt aber schnell ein. „Wir müssen aussehen wie zwei Idioten" Ich nicke und sehe mich im Park um.
„Also, erzähl's mir. Wer ist das Mädchen?", fragt sie neugierig und zeigt auf mein Handy. Etwas verwundert über ihre Offenheit zucke ich zögernd mit den Schultern. „Ich kenne sie durch die Arbeit meiner Mutter. Sie ist einfach da."
Interessiert mustert sie mich und dann mein Handy, auf dem die Antwort Savannah's wieder in einem Popup erscheint. Schnell schalte ich den Bildschirm aus.
„Erzähl mir von ihr."
„Wieso interessiert dich das so?"
Sie lächelt und schließt die Augen, während sie sich anfängt, hin und her zu wiegen.
„Ich höre mir gerne zersplitterte Liebesgeschichten an", sagt sie leise und ich ziehe die Augenbrauen zusammen.
„Oh nein, du verstehst da was falsch. Da ist nichts. Nicht zersplittert und nichts Liebe", versuche ich es ihr zu erklären, doch sie hebt die Hand und bringt mich so zum Schweigen.
„Hör auf dich rechtfertigen zu wollen und tu es einfach."
Ein wenig empört sehe ich zum Boden und räuspere mich. Wie soll man denn von Savannah erzählen, wenn ich selbst erst die ersten paar Zeilen des Buches entziffern konnte?
„Sie ist komisch. Ein merkwürdiger Mensch. Und sie ist so tiefgründig, dass kein Gewässer an sie rankommen könnte, egal wie tief es ist. Ihre Gedanken werden immer und ausnahmslos tiefer gehen. Ich glaube, ihr geht es nicht gut. Also ich glaube es nicht, ich weiß es. Und ich glaube, sie will sterben und das schon seit langem. Ich weiß nicht, ob ich es positiv oder negativ finden soll. Vielleicht ein bisschen von beidem, sie kommt nicht mehr mit sich klar aber es wäre so unglaublich schade, wenn sie weg wäre. Wenn sie einen anschaut, ach du scheiße, es fühlt sich an, als würdest du in ein Schwimmbecken gefüllt mit eiskaltem Wasser fallen und dann langsam ertrinken, weil du nicht mehr auftauchen kannst. Und es fühlt sich an, als könnte sie alles aus dir heraussaugen, jeden Gedanken, den du in dir trägst. Ich würde gerne etwas über sie erfahren, dass erklären könnte, wieso sie so geworden ist. Aber wahrscheinlich werde ich dazu nicht mehr die Chance haben", meine ich und schüttele daraufhin mit dem Kopf.
Wieder erscheint ein Lächeln auf dem Gesicht meiner Ruhestörerin und sie sieht mich an. „Das ist schön. Sie muss eine tolle Person sein"
Verächtlich schnaube ich auf. „Da wäre ich mir nicht so sicher, sie könnte glatt die Ausgeburt der Hölle höchstpersönlich sein."
Das blonde Mädchen erhebt sich und klopft sich den Dreck von der schwarzen Skinnyjeans. „Und weshalb bist du hier?", frage ich schnell. Irgendwie möchte ich ihre Anwesenheit nicht verlieren.
Traurig verzieht sie ihr Gesicht, das Lächeln bleibt aber auf ihren Lippen. „Ich erzähle gerne selbst von zersplitterten Liebesgeschichten."
Sie dreht sich um und läuft los. „Man sieht sich bestimmt wieder. Pass auf sie auf", lauten ihre letzten Worte, bevor sie anfängt zu joggen und in der Dunkelheit verschwindet. Wie erstarrt schaue ich ihr nach. Ist das gerade real gewesen?
Wenn ja, könnte ich den Punkt mit der mysteriösen Begegnung nachts von meiner imaginären Bucketlist streichen.
Kopfschüttelnd entsperre ich mein Handy, um die vorhin eingegangene Nachricht zu lesen.
Gott Austin, du bist so dämlich. Ich habe deine Nummer schon immer gehabt.
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Savannah
Teen FictionAustin ist verzweifelt, auf Kriegsfuß mit seiner Mutter und zu von ihr persönlich zugestellten Sozialstunden auf einer Krankenhausstation, die sich mit Suizidgefährdeten und Magesüchtigen beschäftigt, verdammt. Er wird konfrontiert mit Personen, die...