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sechs / six / six.-

Am nächsten Morgen werde ich aber nicht wieder von meiner Mutter, sondern von dem nervtötenden Klang meines besten Freundes namens Wecker aus dem Schlaf gerissen.

Ich stöhne genervt auf und taste nach meinem Handy, um diesem unerträglichen Lärm ein Ende zu setzen. Verwundert über die Tatsache, dass ich mir nicht den Wecker gestellt habe, und zugleich todmüde setze ich mich in meinem Bett auf und sehe mich um. Meine Rollladen sind noch heruntergelassen, jedoch scheint die Sonne ein wenig durch. War es gestern auch schon so hell, als ich mit Mum gefahren bin? Nein, ganz bestimmt nicht.

Scheiße, ich muss verpennt haben! Mum wird mich umbringen, sie wird mich ganz sicher umbringen. Wieso hat sie mich nicht geweckt, wenn es ihr so wichtig ist, dass ich mit zu den Psy'cs komme?

Ich werfe einen Blick auf meinen Nachttisch, wo mein Handy liegt. Erst jetzt fällt mir der kleine, weiße Notizzettel auf, welcher neben meinem Smartphone auf dem kleinen Nachttisch platziert worden ist. Ich greife danach und sofort sticht mir die Schrift meiner Mutter ins Auge. Das würde auch den Wecker erklären, allerdings ändert es nichts daran, dass sie einfach so an mein Handy gegangen ist, was ich ziemlich mies von ihr finde. Bitte lass sie nicht meine Chats gelesen haben.

Hastig überfliege ich das Geschriebene.

Hey Austin,
da du gestern ziemlich müde gewirkt hast und wir heute nicht so viel Arbeit auf der Station zu tun haben, da die Psychologin heute morgen kommt, dachte ich, ich lasse dich ein wenig länger schlafen. Komm nicht zu spät, der Wagenschlüssel liegt auf der Kommode.

Kuss, Mum

Erleichtert atme ich auf und danke meiner Mutter innerlich für die Aktion. Vielleicht kann ich es ihr doch verzeihen, dass sie ungefragt an mein Handy gegangen ist. Ein Blick auf die Uhr verrät mir aber dennoch, dass es schon kurz vor halb Neun ist, weshalb ich beschließe, aufzustehen und mich fertig zu machen.

Nach einer schnellen Morgenroutine und einem kurzen Frühstück, einer halb braune Banane, eile ich mit dem Schlüssel in der Hand in die Garage und springe in den Wagen. Warum zur Hölle muss ich auch den scheiß Aushelfer spielen? Dadurch wird sich mein Sozialverhalten auch nicht bessern. Das ist doch reine Schikane. Hätte sie sich nicht wenigstens etwas Sinnvolles einfallen lassen können, wenn sie schon plötzlich die strenge Mutter spielen möchte? Das einzige, was ihre kranken Patienten bei mir schaffen, ist es, meine Nerven nur noch mehr zu strapazieren.

Seufzend lasse ich den Motor anspringen und fahre langsam los Richtung Krankenhaus.

Das riesige Gebäude ist schon vom Weiten sichtbar und ich steuere den Parkplatz an. Es herrscht ein größerer Tumult als gestern und vor der Notaufnahme stehen mehrere Krankenwagen. Seufzend steige ich aus und laufe los Richtung Eingang in die Hölle, währenddessen schließe ich den Wagen mit dem Automatikschlüssel ab.

Auch der Eingangsbereich ist voll und die gestrige Schwester, die wieder hinter dem Informationsschalter sitzt, wird von einer riesigen Menschenmenge belagert. Ich dränge mich zwischen den Leute hindurch, spüre die Hitze, die von ihren Körpern ausgeht und entscheide mich schließlich für die Treppe, bevor ich mich noch in einen Aufzug mit den schwitzenden Wesen quetschen muss. Ich nehme immer zwei Stufen zugleich und hetze hoch zu meiner Station. Zu meiner Erleichterung befinden sich hier oben weniger Leute. Wahrscheinlich wird es ihnen nicht gewährt, einfach hoch zu gehen und auch in der Station herrscht gähnende Leere. Ich drücke auf die Klingel und warte auf eine Schwester, die mir die Eingangstür öffnen kann. Ohne einen Schlüssel kommt man weder rein, noch raus, versteht sich. Sonst könnten die Freunde oder Angehörige von den Psychos kommen und irgendetwas anstellen, oder die Patienten könnten auf die Idee kommen, einfach rauszuspazieren. Es wäre auf jeden Fall amüsant.

SavannahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt