Kapitel 4

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Mein Herz rast und ich weiß dass ich am ganzen Körper zitter. Die Sekunden in denen ich renne, kommen mir ewig vor. Dann erreiche ich das Dorf, und was ich dort zu sehen bekomme ist noch unschöner als ich mir gedacht hatte. Menschen kämpfen gegeneinander, ich sehe Menschen die auf dem Boden liegen, blutend. Und ich hoffe dass immer noch Blut durch ihre Adern fließt und sie nur Verletzt sind. Aber dieses ungute Gefühl in mir verschwindet nicht einfach so. Wie in einem Film spielt sich alles vor meinen Augen ab, und ich stehe da wie in einer Seifenblase gefangen, völlig fassunglos. Plötzlich höre ich jemand der nach meinem Namen schreit: Liams Stimme ! Instinktiev weiche ich zur Seite um ihn zu suchen, als ich bemerke, dass hinter mir jemand steht, schnell drehe ich mich um und blicke einem Mann in die Augen, in den ich von Größe und Statur drei mal passen könnte. Die Kälte dieses Mannes erschüttert mich und als ich das Messer in seiner Hand erkenne, kann ich einen Schauder nicht unterdrücken. Ich weiß dass er jede Sekunde auf mich losgehen wird, und ich weß auch, dass wenn es dazu kommt, ich verloren wäre. Er tritt näher an mich ran und mit einer unglaublich schnellen Bewegung holt er aus. Seine Faust landet genau in meiner Magengrube, die Wucht des Schlages ist heftig. Schwindel überkommt mich, doch ich weiß dass ich jetzt keine Zeit habe mich von dem Schlag zu erholen. Gerade will ich einen Schritt zurückl gehen, als mich der nächste Sclag trifft, diesmal ins Gesicht. Ich weiß dass mir irgendwas warmes aus der Nase läuft. Meine Nase tut zwar weh, ist aber nichts im Vergleich zum ersten Schlag in den Magen. Ich habe das Gefühl ich muss mich jeden Moment übergeben. Und sterben. Und in diesem Moment wird mir klar, wie ernst das hier alles ist. Das hier kann kein Zufall sein. Das hier, und alles was ich heute erlebt habe ist wirklich passiert. Der Schmerz ist zu real. Ich sehe wie mein Angreifer mit dem Schwert, dass er in der Hand hält, ausholt. Er wird mich gleich erstechen. So sterbe ich also, erstochen von einem angsteinflößendem kalten Mörder. Immerhin besser als von dem Viech von heute Nacht zerfleischt zu werden, denke ich. Doch was dann geschieht, ist so unerwartet, dass ich meinen Augen nicht trauen kann. Irgendjemand, in diesem Moment realisiere ich nicht wer, drängt sich zwischen meinen Mörder und mich. Und dann höre ich einen Qualvollen Aufschrei, und ich denke schon mein Helfer wurde soeben von dem Schwert aufgespießt, als ich sehe, dass der Mann zu Boden fällt, ein immergrößer werdender schwarzer Fleck breitet sich auf der Brust des schwarzgekleidetetn Mannes, der mich eben noch umbringen wollte, aus. Blut. Mein Atem geht schneller. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf meinen Angreifer. Ich verstehe nicht, wie? Wer? Warum?  Die Stimme die mir fremd ist dringt nur halb zu mir durch, ich könnte sowieso nicht antworten. “Was zum Teufel machst du hier?! Wir müssen dich von hier weg bringen!”. Ich verstehe den Sinn der Worte, aber ich bin unfähig was zu antworten, unfähig irgend etwas zu tun. Doch jetzt packt mich dieser Jemand heftig am Arm, ich versuche erst gar nicht mich zu befreien, auch wenn ich nicht verstehe warum man so stark zu packen muss. Inzwischen weiß ich dass mein Helfer ein Er sein muss, kein normales Mädchen könnte so heftig zupacken. Halb schubsend und stolperndm halb rennend folge ich ihm. Mir ist egal wo hin er mich bringt. Ich vertraue ihm, oder eher gesagt mache ich mir gar keine Gedanken im Moment ob ich ihm überhaupt vertrauen sollte. Er hatte mir schließlich eben das Leben gerettet, warum sollte er mich also jetzt töten wollen? Ich sehe ein Zelt, zumindest eine Art Zelt. Meine Umgebung realisiere ich nicht mehr. Und jetzt weiß ich, dass der Schwindel überhand nimmt und mich in einen schwarzen Schleier der Ungewissheit hüllt.

 Als ich die Augen aufschlage, spüre ich sofort dass ich nicht alleine bin. Ich blinzel, und meine Sicht wird augenblicklich klarer. “Brooklynn, hey, gehts dir besser?”. Liams Stimme. Es ist also alles gut. Wo Liam ist, bin auch ich. Und wo er ist, kann ich mich sicher fühlen. Und da tue ich jetzt. “Mh, ja.”, meine ich und zwinge mich zu Lächeln. Ich hoffe er kauft es mir ab, auf unnötige Sorgen meines Bruders kann ich wirklich verzichten. Allerdings geht es mir ganz und gar nicht gut. Mir ist immer noch kotzübel. Und mit dem Schmerz kommt auch die Erinnerung an das Geschehene zurück. Menschen, Verletze, Schwerter, Blut, Tod, Schock, Kampf,…Ich zwinge mich dazu mit den Gedanken aufzuhören. “Ist der Kampf vorbei?”, frage ich vorsichtig. Liam nickt. “Ja, Sie haben sich zurückgezogen.”, sagt er sanft. Ich habe einfach zu viele Fragen. Ich fühle mich, als wäre eine tickende Bombe in meinem Hirn plaziert. Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Und über allen steht das Warum. Jetzt höre ich immer näher kommende Stimmen. Wer sind sie, und was wollen sie von mir? Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf irgend welche Frage-Antwort Spielchen. Ein Seufzen entfährt mir. Zwei Frauen kommen um die Ecke, ihnen haben vermutlich die Stimmen gehört, die jetzt allerdings abrupt verstummen. Die eine Frau lächelt mich an, und das gibt mir ein gutes Gefühl. Und ich muss zugeben, auch sonst ist sie ziemlich hübsch. Ich schätze sie auf ungefähr 30 Jahre, Sie hat schwarzes Haar dass sie zu einem geflochtenemZopf gebunen hat, der ihr auf den Rücken fällt, und tiefblaue Augen, die etwas beruhigendes ausstrahlen. Als sie lächelt, haben sich zwei kleine Fältchen an ihren Augen gebildet. Sie trägt ein dunkelblaues Lang Arm T-Shirt mit irgendeinem Stick Muster darauf, und eine schwarze Hose, die hier – sogar Liam, wie ich eben bemerkt habe – jeder zu tragen schien. “Wie fühlst du dich, Brooklynn?”. Ihre Stimme ist noch beruhigender als ihre Ausstrahlung. “Ganz gut, danke.”, antworte ich ihr. “Ganz gut? Das ist erstaunlich, nach dem was du eben mitansehen musstest.” Ich lege den Kopf schief. Sie weiß mehr über Liam und mich als ich eben noch glaubte, denke ich. “Stimmt.”, murmele ich nachdenklich. “Es tut mir Leid. Ich hätte Leyla sagen sollen dass ihr keine Ahnung von dem Umgang mit Waffen habt. Hätte ich diesen Fehler nicht begangen, würdest du jetzt nicht hier liegen, Brooklynn. Ich entschuldige mich.” Fragend ziehe ich meine Auegnbrauen hoch. Warum sollten wir denn auch mit Waffen umgehen können? Zu Hause ist jeglicher Umgang mit den Dingern verboten und absoulut tabu, und zwar fürjeden Jugendlichen! Und außerdem, wer bitte ist Leyla? “Ich verstehe nicht ganz…Meinen sie das Mädchen dass meinen Bruder und mich hier her gebracht hat? Sie hat sich als Blade vorgstellt.”, meine ich. Ich weiß dass jetzt die Möglichkeit ist, einen kleinen Teil meiner Fragen loszuwerden, und diese nütze ich. Die Frau grinst mich breit an. Hab ich irgendwas lustiges gesagt? “Als Blade? Tja, Leyla hat ein Problem damit, Menschen zu vertrauen. Sie heißt nicht Blade, sondern Leyla. Und vor lauter Aufruhr hab ich ganz vergessen mich vorzustellen. Ich bin Abigail und die Beschützerin diesen Dorfes.”, erklärt sie. Da sie meinen Namen und den meines Bruders schon zu kennen scheint, sehe ich keine Notwendigkeit ihr gegenüber, uns noch einmal vorzustellen.  “Ich denke ich habe euch eine Erklärung schuldig, und die werde ich euch nun geben.”, fährt sie fort. “Ihr seid nicht mehr in euerer Welt, nicht mehr in Deutschland. Ihr beide seid durch das Bild in eurem Wohnzimmer hier her teleportiert worden. Es war von Anfang an geplant euch hier her zu bringen. Allerdings nicht zu eurem eigenen Wohl, sondern weil ihr dazu bestimmt seid uns und unserem Land zu helfen und Gutes zu tun. Das klingt selbstsüchtig, und vielleicht ist es das auch. Aber ihr seid zu größerem bestimmt als ihr bisher gedacht habt.”, sie legt eine kurze Pause ein um eine Reaktion von Liam oder mir abzuwarten, aber niemand vo uns sagt etwas. “In dieser Welt hat es immer schon Kriege gegeben. Doch keiner dieser Kriege, war so elend und verlustreich wie der jetzige. Von Anfang an, gab es 16 Familienstämme, die dazu fähig waren das Land zu beschützen und vor Elend zu bewahren. Doch als die Zeit verging, wurden aus den 16 Familienstämmen immer weniger. Sie wurden regelrecht ausgerottet. Manchmal endete die Blutlinie auch einfach, da aus der vorgesehenden Ehe keine Kinder zur Welt kamen oder gewollt wurden. Schon seit Jahrzenten versuchen die Herrscher unsere Lichter und damit auch all unsere Hoffnung auszulöschen, in dem sie euch, die Bestimmten und all jene in denen euer Blut und das euer Uranen fließt, zu jagen und schließlich umzubringen. Und es ist ihnen gelungen. Aus den damaligen 16 Familienstämmen haben nur acht überlebt. Diese acht, von denen ihr zwei ein Teil von seid, seid dazu bestimmt uns zu beschützen und vor der Gewalt der Herrscher zu bewahren. “  Abigail hatte das gesagt, was sie anscheinend zu sagen hatte. Und davon dreht sich mein Kopf. Neue Fragen schwirren auf, und die Informationen dringen in mein Gehirn ein, um sich dort einzunisten. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Liam und Ich, nicht mehr in Deutschland, nicht mehr in unserer Welt?! Wir zwei sollen Bestimmte sein, die dieseWelt hier beschützen sollen? Was zum Teufel ist das hier für ein krankes Spiel was mit uns gespielt wird? Doch ausnahmsweise weiß ich die Antwort auf diese Frage bereits: Das hier ist kein Spiel. Das hier, ist reinste Realität. Und ich bin mitten drin.

“Aber das heißt doch, unsere Eltern waren ebenfalls ‚Beschützer‘, oder?“, fragt Liam nach einigen Sekunden des Schweigens. Abigail wendet sich an ihn. „Ja, das waren sie. Und sie waren unglaubliche Tapfere Beschützer. Viele von uns haben sie sehr geschätzt.“, bestätigt Abigail. Als das Wort auf meine Eltern fällt, muss ich schwer schlucken. Immerzu denke ich an sie, doch ich habe noch nie mit jemand anderen als Liam und Tante Ellie darüber gesprochen. „Wie kann das sein wenn sie gar nicht in eurer Welt gelebt haben?“ Das ist das erste Mal seit dem wir hier sind, dass ich Liam aufgebracht erlebe. Ich beschließe, ihm das Fragen zu überlassen. „Das stimmt nicht ganz, bevor ihr beide auf die Welt kamt, haben sie hier ein glückliches Leben geführt! Doch dann erfuhr eure Mutter dass sie schwanger war, mit dir, Liam. Sie wussten dass sie verfolgt werden würden, und wollten euch auf keinen Fall in Gefahr bringen. Deshalb trafen sie die Entscheidung in eure Welt zu gehen um sich dort vor den Herrschern und dessen Gefolgsleuten zu verstecken und euch in Sicherheit zu wissen.“ Ist es wahr, was Abigail erzählt? Doch ich glaube ihr, warum sollte sie uns auch belügen? Es gibt keinen Grund. Und doch bin ich wie erschlagen von den Dingen, die Sie und eben erzählt hat. „Das ist doch verrückt…“, meine ich. Wie kann es nur möglich sein, dass unsere Eltern all die Jahre nie irgendetwas davon erwähnt hatten? Oder gab es etwa doch Andeutungen, die ich bloß nicht wahrgenommen habe? „Ich verstehe dass euch das alles unglaublich scheint, doch es ist wahr, alles was ich gesagt habe ist wahr.  Ich denke ihr braucht nun etwas Zeit dies zu verarbeiten. Und Brooklynn, du solltest dich ausruhen, morgen beginnt für euch zwei bereits das Training.“, sagt Abigail. „Welches Training?“, fragt Liam. Ich sehe, wie sie ihm ein beeindruckend schönes Lächeln schenkt. „Das werdet ihr schon zur rechten Zeit sehen. Allerdings verrate ich euch schon mal so viel: Es wird euch dazu dienen, dass ihr euch das nächste Mal wehren könnt, wenn es zu einem weiteren Angriff kommt, und ich fürchte das wird sehr bald sein.“. Das nächste Mal? Es wird also ein Nächstes Mal geben. Und allein bei dem Gedanken dreht sich mein Magen um. Abigail verabschiedet sich noch mit einem freundlichen  ‚Gute Nacht‘ und Lächeln, bevor sie aus dem Zelt in dem wir uns befinden, verschwindet. Liam schaut mich nicht an, noch sagt er irgendwas. Er starrt einfach nur auf irgend einen Punkt, den ich nicht deuten kann, und atmet. Ich kann das jetzt nicht. Ich will einfach nur alleine sein. Außerdem ist mir immer noch schlecht und das Pochen in meinem Kopf scheint seit einigen Minuten nur noch stärker geworden zu sein. „Hey, Liam, wenn du nichts dagegen hast würde ich jetzt gerne allein sein.“ Langsam löst er sich von seinem Punkt und sucht meinen Blick. Sein Blick ist leer, ich kann mir vorstellen was gerade in ihm vorgeht, wahrscheinlich sieht es dort nicht anders aus wie bei mir. Er nickt und sagt: „Ja, gut, wir sehen uns dann morgen?“ „Ja, ich geh davon aus.“, antworte ich. Wieder nickt er. „Gut, dann schlaf gut. Und was auch immer heute passiert ist, denk dran: Wir haben uns.“, sagt er. Bei seinen Worten muss ich Lächeln, sogar trotz der Schmerzen. „Ich werd’s nicht vergessen.“, antworte ich. Ohne ein weiteres Wort zu sagen geht auch er aus dem Zelt und lässt mich im Dunkeln mit meinen Gedanken alleine.

Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt