Kapitel 7

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Es ist bereits dunkel, und die meisten Menschen sind bereits in ihren Häusern. Sie wissen schließlich nicht, dass die Bestimmten sich in ihrem Dorf befinden, das wäre viel zu gefährlich meint Abigail, da uns auf diese Weise schnell Untertanen der Herrscher finden könnten. Und immer noch hader ich mit mir selbst, ob ich dieser ganzen Sache Glauben schenken soll oder nicht. Bald würde die Zeremonie losgehen. Ich habe keine Ahnung was mich dort erwarten wird beziehungsweise was die anderen dort von mir erwarten. Und das verunsichert mich. „Hallo?“, fragt eine Stimme vor der Zeltwand. „Ja?“, antworte ich. „Abigail hat mich geschickt um dich abzuholen, bist du bereit?“, fragt derjenige. Ich stehe auf und trete aus dem Zelt. Dort sehe ich den blondhaarigen Jungen, mit einem breiten Grinsen vor mir stehen, den ich bereits heute Morgen gesehen habe. „Hey, ich glaube wir wurden uns noch nicht offiziell vorgestellt, oder? Also ich bin Ethan.“, sagt er freundlich. Ich finde ihn irgendwie sofort sympathisch. „Hey Ethan, ich bin Brooklyn, aber das weißt du sicher ja schon.“. Er nickt nur immer noch grinsend. Wir laufen los in Richtung Wald, und jetzt bin ich froh dass ich den Weg nicht alleine suchen muss. Bei Dunkelheit sieht hier vieles ganz anders aus. „Und, bist du schon aufgeregt?“, fragt Ethan neugierig. „Sollte ich denn?“, frage ich vorsichtig. „Naja, eigentlich nicht, es gibt ja nichts was du zu befürchten hast.“, meint er. „Naja, leider bin ich trotzdem aufgeregt…“, sage ich jetzt leiser. „Dacht‘ ich mir. War aber glaube ich bisher jeder von uns vor seiner Zeremonie. Und hey, du bist ja nicht allein, dein Bruder muss heute dasselbe tun wie du.“. Da hat er allerdings Recht. Ich habe Liam seit heute Morgen, als ich den kleinen ‚Zusammenbruch‘  hatte, nicht mehr gesehen. Und irgendwie war mir das auch ganz Recht. Ich habe ihn gar nicht sehen wollen, so wenig wie es ihn heute gejuckt hat, wie es mir ging. Und vor allem, dass er mich einfach alleine gelassen hat. Obwohl es ja genau das war, was ich wollte. Also kann ich ihm auch eigentlich nichts verübeln. Ich versuche, die Enttäuschung von ihm ruhen zu lassen. Aber jetzt kommt mir etwas anderes in den Sinn. „Ehm, Ethan? Kann ich dich noch was fragen?“ von der Seite schaue ich ihn an wie ein kleines Kind, das seine Eltern im Supermarkt nicht mehr findet. „Na klar, nur zu.“, sagt er aufmunternd. Das gibt mir irgendwie Mut. „Also, ehm, haben die Anderen irgendwas von heute Morgen mitbekommen? Also, die Sache mit Jack, Liam und mir und dem Teil, bei dem ich verschwunden bin?“, frage ich vorsichtig. „Nein, also sie haben nur gesehen wie du verschwunden bist, aber gehört hat niemand was von uns. Allerdings, falls du es noch nicht weißt, haben wir eine besondere Verbindung zueinander. Das heißt, wenn es einem von uns schlecht geht, dann spüren wir das. Wenn einer von uns besonders glücklich ist, spüren wir das. Und wenn einer von uns lügt, dann spüren wir das auch.“, erklärt er mir. Bei seinen Worten muss ich schlucken. Wenn das stimmt, dann bedeutet das, dass die Anderen wissen, wie dreckig es mir heute ging. Super. „Ihr könnt aber keine Gedanken lesen oder?“,  frage ich, für einen kurzen Moment ängstlich. Auch wenn es dunkel ist, kann ich ein Grinsen bei Ethan erkennen. „Nein, natürlich nicht! Wir können nur die Stimmung von uns wahrnehmen. Aber wir wissen weder von wem oder was sie ausgelöst worden sind, noch wie lange das anhält.“, sagt er. Ich nicke. Trotzdem irgendwie gruselig und unangenehm. „Also, wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann heißt dass das ihr übernatürlich seid?“, frage ich. „Wie man’s nimmt. Ich würde es jetzt nicht unbedingt übernatürlich nennen, sondern das eher als eine Gabe bezeichnen. Auch wenn sie sehr lästig sein kann.“, meint er. „Du wirst schon bald merken, von was ich hier gerade spreche.“, sagt er mit einem Lächeln. Ja, vielleicht würde ich das, auch wenn ich das eigentlich gar nicht will. Aber das behalte ich für mich. Eine ganze Weile sagen wir nichts, aber es ist keine unangenehme Stille. Plötzlich bleibt Ethan stehen. „So, wir sind da“, sagt er. Ich sehe die anderen ungefähr zehn Meter von uns entfernt um ein Lagerfeuer sitzen, auf derselben kleinen Lichtung auf der wir auch heute Morgen trainiert haben. Ich schlucke, und ehrlich gesagt habe ich ein bisschen Angst vor dem, was jetzt passieren wird. „Mach dir keine Sorgen, du bist nicht allein, und dir wird definitiv nichts Schlimmes passieren, versprochen.“, sagt er mit einer so ruhigen und gelassenen Stimme, dass ich mich sogar etwas wohler in meiner Haut fühle. Ich nicke, und zusammen gehen wir zu den anderen ans Feuer. „Hey Brooklyn, hey Ethan!“, begrüßt uns Holly mit einem strahlendem Lächeln. Ich grüße sie ebenfalls und setze mich hin. Erst jetzt sehe ich, dass nicht nur die anderen Bestimmten hier sind, sondern auch Abigail, Jack – der Trainer bei dem ich vermutlich heute Morgen keinen allzu guten Eindruck hinterlassen habe –, und eine dunkelhäutige etwas ältere Frau. Schnell suche ich in dem Kreis nach meinem Bruder, und kann ihn nur wenige Sitze weiter neben dem Jungen erkennen, den ich bereits heute Morgen als ziemlich gut aussehend abgestempelt hatte. Die beiden reden miteinander. Liam scheint mich gar nicht richtig zu bemerken, geschweige denn sich zu fragen, wo ich bin. Und irgendwie macht mich das ziemlich traurig. Und wieder mal bestätigt sich, dass alles auf den Kopf gestellt ist, seit dem wir hier sind. Der Junge neben Liam scheint meinen Blick zu bemerken, denn er schaut mir direkt in die Augen, was mich dazu bewegt wieder Liam anzuschauen, der mich jetzt auch bemerkt hat. Wir beide starren uns an und ich würde ihm jetzt gerade so gerne sagen, dass ich ihn jetzt eigentlich brauche, und was los ist, dass er so ist wie er ist. Aber ich weiß, dass das jetzt nicht geht. Ich spüre, dass Liam weiß, dass ich ihm das sagen möchte. Aber er wendet seinen Blick nur ab, und richtet ihn auf Abigail. Toll. Was ist nur los mit der Welt? Aber ich habe keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn plötzlich werden alle still, und jeder Blick ist auf Abigail, die schwarze Frau und Jack gerichtet. „Wie ihr wisst, haben wir uns hier versammelt, um etwas ganz besonderes zu feiern. Denn zu unser aller Glück, wurden uns gestern die letzten zwei Bestimmten gesandt. Liam und Brooklyn. Im Namen aller heiße ich euch herzlich willkommen.“, Abigail macht eine kurze Pause und schenkt mir und Liam ein wunderschönes Lächeln, was mich all meine Fragen und Zweifel für diesen Moment vergessen lässt. „Wir können nicht sagen, wie froh wir sind, euch hier zu wissen. So lange haben wir auf diesen heutigen Tag gewartet, auf diesen einzigarten Augenblick, der der Anfang eurer großen Reise ist. Heute schließt sich der Kreis der Bestimmten, auf denen all unsere Hoffnungen für ein besseres und lebenswertes Leben und der Friede dieser Welt liegen. Ihr acht, seid für die meisten von uns die letzte Rettung vor den Herrschern und deren bösartige und kriegerische Herrschaft, unter der wir gezwungen werden, uns zu Knechten zu machen. In der unsere Dörfer zerstört und blutlustig und sinnlos Leben genommen werden. Ihr acht steht ab heute für das Wort Hoffnung.“ Niemand sagt etwas, alle hängen gespannt an Abigails Lippen, mich eingeschlossen. „Liam, Brooklyn, kommt bitte zu mir vor.“, bittet sie uns. Ich tue was sie sagt, aber ich bin nicht nervös, was mich wundert. Liam und ich stehen nebeneinander vor Abigail, die uns aufmunternd anlächelt. „Ihr beide seid hier, weil ihr, genau wie die anderen von euch acht, den Eid schwören müsst. Seid ihr bereit?“, fragt sie vorsichtig. Wir beide nicken. Ich glaube ich weiß, weshalb ich nicht nervös bin. Genauer gesagt, ich weiß es nicht, aber ich weiß etwas anderes. Etwas, das viel wichtiger ist. Ich weiß, dass ich Brooklyn Shawsten bin, und einer der acht Bestimmten. Ich weiß es, weil ich es fühle. Abigail beginnt wieder zu sprechen: „Brooklyn und Liam Shawsten, schwört ihr, diese Welt und jedes Volk das auf ihr lebt, mit eurem Leben zu beschützen?“

„Ich schwöre.“, sage ich mit fester Stimme, synchron mit meinem Bruder.

„Schwört ihr, dass egal was auf euch zukommen mag, egal wie oft ihr gefallen seid, egal wie schlecht es euch gehen wird, und egal wer es von euch nicht schaffen wird, weiter zu kämpfen, für das Leben der Menschen und Lebewesen dieser Welt?“ Ich schlucke, ich weiß nicht ob ich das machen könnte, würde mein Bruder mich verlassen, aber diese Gedanke ist so abwegig, dass ich sage: „Ich schwöre.“ Und mein Bruder tut es mir gleich.

„Schwört ihr, dass ihr stets versuchen werdet zu helfen, wenn ihr Not seht und Leid anderer erfährt?“

„Ich schwöre.“, sagen wir.

„Und schwört ihr, dass ihr zusammen halten werdet, besonders wenn Not besteht und ihr keinen Ausweg mehr findet? Schwört ihr, dass ihr aufeinander vertrauen werdet, egal was kommt?“

„Ich schwöre.“, sagen wir.

Abigail nickt, und holt hinter ihrem Rücken ein kleines Messer hervor, dessen Klinge extrem scharf aussieht. Ich ahne bereits, was wir damit machen müssen, auch wenn ich es irgendwie nicht wahrhaben will. „Ihr habt es geschworen. Beweist es nun mit eurem Blut, welches bereits durch eure Uranen geflossen ist.“, sagt Abigail. Liam´s und mein Blick begegnen sich, und es ist das erste Mal, dass ich wieder so etwas wie Mitgefühl in seinen Augen erkennen kann. Automatisch nehme ich das Messer, welches Abigail ausgestreckt hält, und führe es  vorsichtig an meine Handfläche. Ich muss nicht mal teif schneiden, ehe das Blut aus dem Schlitz meiner Haut tropft. Es hat nicht einmal weh getan. Abigail nimmt vorsichtig – als wäre mein Arm aus Glas – mein Handgelenk und legt es über einen flachen Stein, der zu unseren Füßen liegt, sodass ein Tropfen Blut darauf landet. Dasselbe macht sie mit Liam, nachdem ich ihm das Messer gereicht und er es mir gleich getan hatte. Abigail nimmt uns wieder das Messer ab, lässt es hinter ihrem Rücken verschwinden, und bedeutet uns, uns wieder hinzusetzen, was wir auch tun. Immer noch herrscht Stille. „Der Kreis der acht Bestimmten ist endlich vereint. Das ist der Anfang vom Ende dieser Ära.“, sagt sie mit einem strahlendem Lachen und glitzernden Augen. 

Die BestimmungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt