Kapitel 14

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Heaven

„Stellt euch breitbeinig hin und haltet dann den Stick vor euren Körper" sage ich und mache es vor. „Die Rechtshänder haben den richten Fuß vorne, die Linkshänder den linken. Und jetzt lasst ihr den Stick los und versucht mit eurem Chi den Stick nicht runterfallen zu lassen. Am besten ihr schließt die Augen" ich lasse meinen Stick los und er bleibt in der Luft hängen. „Ihr versucht es jetzt am besten so oft ihr könnt. Irgendwann klappt es!" sage ich, lasse meinen Stick verschwinden und wende mich zu Harry. „Komm, wir setzen uns hin" meine ich und wir setzen uns auf den Boden. „Also, ich möchte, dass du dein Chi findest. Das heißt, dass du wenn du dich ganz doll konzentrierst schweben kannst" sage ich und mache es ihm vor. Ich schwebe im Schneidersitz ein paar Zentimeter über dem Boden. „Du schließt am besten deine Augen und konzentrierst dich auf etwas Schönes. Es kann ein Ding sein oder ein Mensch, zum Beispiel ein Mädchen, dass du magst. Konzentrier dich auf dein Innerstes" meine Stimme ist sanft und ich schwebe immer noch über dem Boden. Ein paar Jungs schauen neugierig zu uns rüber, doch ich zeige ihnen mit einer Handbewegung, dass sie weiter machen sollen. Es ist leise und ich merke, dass Harry es gleich hat. Ich merke, dass er gleich anfängt zu schweben. „Finde dein Innerstes" flüster ich und er hebt langsam ab. Es schwankt noch, doch er steigt immer höher. Ich fliege mit, damit, falls er die Kontrolle verliert, er nicht runter fällt. „Und jetzt ganz langsam wieder runter" raune ich leise und er bleibt in der Luft stehen. Dann schwankt er plötzlich total und verliert die Kontrolle. Er reist die Augen auf und ich fange ihn locker auf und bringe uns beide wieder sicher auf den Boden. Er zittert stark und ich umarme ihn feste. „Das hast du toll gemacht" flüster ich in sein Ohr und er lächelt. „Versuche es einfach noch einmal und lasse dich von nichts irritieren, okay?" er nickt und ich lasse ihn los. Er setzt sich wieder ein den Schneidersitz und schließt die Augen. „Was ist los?" frage ich und drehe mich zu den „großen" Jungs um. Sie wenden sich schnell wieder ihrem Stick zu und ich widme mich wieder Harry.

„Azura?" frage ich und ein paar Männer drehen sich zu mir um. „Sie musste nochmal auf einen Einsatz" sagt Paul und ich nicke. „Warum hat sie mich nicht mitgenommen?" frage ich und setze mich auf den freien Stuhl neben ihn. „Du hast gerade so schön mit Harry geübt" meint er und widmet sich wieder seinem Computer. „Macht er schon Fortschritte?" fragt Paul nach einer Weile ohne den Blick von dem Computer zu nehmen. „Ja, er ist ziemlich gut" antworte ich und drehe meinen Kopf zum Computer. Dieser scannt gerade die Gegend ab. „Wo ist der Einsatz?" frage ich und schaue wieder Paul an. „Lilienhaus, die alte Lagerhalle" antwortet er und schaut wieder zu mir „flieg hin. Pass aber auf." ich nicke flüchtig und gehe mit schnellen Schritten nach draußen. Von dort fliege ich dann zum Lilienhaus. Warum auch immer es so heißt. Eigentlich ist es nur eine alte Lagerhalle, welche neben der steht, wo ich damals gefunden wurde. Dort wurde auch Timothy festgenommen. Dass er meinen Vater umgebracht hat wissen nur Azura und Paul. Ich sehe schon von weitem, dass gekämpft wird. Es fallen Schüsse, jemand schreit. Dann flammt Feuer auf. Azuras Wasser hält dagegen. Ich bleibe in sicherer Entfernung stehen und schaue mir das ganze an. Mich sollte niemand entdecken, wer schaut denn schon nach oben? Ich merke, dass jemand hinter mir ist und springe auf. Eine schwarze Gestalt löst sich aus dem Schatten. Als ich ihr Gesicht sehe, entspanne ich meine Muskeln ein bisschen, doch mein Hirn fängt an zu arbeiten. „Heaven Hope Summers" zischt sie. Sie schaut mich hasserfüllt an. Sie hat einen schwarzen Pulli und eine schwarze Hose an. Sie sieht ein bisschen dünner aus als früher. Auf ihrer linken Wangenseite ist eine Narbe. „Allison Ruby Anderson" flüster ich. „Ich hasse dich" zischt sie und hebt einen Stein an. Sie kann die Technik Erde... ich mache mich bereit zum Abwehren. „Ally, warum hast du dich nicht gemeldet?" frage ich sie, sie antwortet nicht. Sie lässt den Stein auf mich fliegen und ich weiche geschickt aus. „Allison! Warum küsst du deinen Entführer?" schreie ich sie an und sie zuckt zusammen. Ihre harte Schale bricht, als sie mein verzweifeltes Gesicht sieht. Doch sie wird sofort wieder kalt und erinnert mich damit an mich. Sie ist ein normales Mädchen, welches immer auf kalt tut, doch eigentlich ist sie ein gefühlvolles Mädchen. Eines das langsam zerbricht. Ein Schrei holt mich aus meinen Gedanken. Ich drehe mich ruckartig um und sehe Azura da liegen mit einer Brandverletzung. Ich drehe meinen Kopf noch einmal zu Ally und sage „Ich liebe dich Ally und ich dachte wirklich, dass du tot bist" dann fliege ich zu Azura und stelle mich vor sie. Ein Mann steht mir gegenüber. Er lacht dreckig als er mich sieht. Ich knurre und er fängt an Feuerbälle auf mich zu schießen. Ich wehre sie locker ab. Dann mache ich eine Handbewegung und der Mann schlittert nach hinten über den Boden. „Kommando zurück!" schreit eine Stimme hinter mir und ich drehe mich zu ihr um. Sie starrt mich an und lässt endlich ihren Gefühlen freien Lauf. „Ally, komm weg hier!" schreit Timothy, welcher ein Stückchen weiter weg steht. „Ally, falls du mal meine Sicht hören willst, dann komm zu mir nach Hause und wir trinken einen Kakao zusammen, so wie in früheren Zeiten. Als alles noch gut war, wo ich Timothy noch nicht kannte. Es ist deine Entscheidung" sage ich, nehme Azura und fliege mit ihr auf dem Arm weg. „Das war Ally?" krächzt sie und ich nicke. „Sei leise, du musst deine Kräfte sparen" füge ich noch hinzu und wende meinen Blick ab. Sie soll meine Tränen nicht sehen. Ich fliege schnell mit ihr zum Hauptquartier und lasse dann meine Hand scannen. Sobald wir im großen Raum sind frage ich „Paul?" er dreht sich um und starrt uns an. Er löst einen Alarm aus und Azura wird weggebracht. Als nur noch Paul und ich im Raum sind breche ich weinend zusammen. All die Jahre hatte ich meine Ruhe. War in der Schule ein Nerd und außerhalb habe ich meine Aufträge erledigt. Alles war okay, doch jetzt bricht meine Welt zusammen. So viel Aufregung in ein paar Tagen ist zu viel für mich. Paul kommt auf mich zu und hebt mich hoch. Dann setzt er sich mit mir auf dem Schoß auf seinen Stuhl und drückt mich an sich. Es ist erstaunlich, dass er so gruselig aussieht und doch so nett ist. Ich schmiege mich an seine Brust und er legt sein Kinn auf meinen Kopf. Er streicht die ganze Zeit meinen Rücken auf und ab, während ich wie eine verrückte weine. Nachdem meine Tränen versiegt sind fragt er sanft „Willst du es mir erzählen?". Ich nicke langsam und fange an zu erzählen. Wie Holder bei mir eingezogen ist, wie ich Butterfly wieder getroffen habe, wie ich Ally und Timothy zusammen auf dem Dach gesehen habe, wie ich danach einen Auftrag erledigen musste, wie ich auf Ryder gestoßen bin und dann wie ich Ally gerade eben wieder gesehen habe. Ich muss sagen, ich bin stolz auf mich, ich habe nicht noch einmal geweint, auch wenn ich öfters kurz davor war. Paul hat mir die ganze Zeit zugehört und nichts gesagt, wofür ich ihm echt dankbar bin. „Du hast ein ziemlich kompliziertes Leben" meint er nachdem es eine Weile still war. Ich schaue zu ihm hoch und er lächelt mich warm an, weswegen ich auch lächeln muss. Er ist wie der Vater, den ich mit 15 verloren habe. Naja, eher ein großer Bruder, so alt ist er nämlich noch nicht. Ich merke, wie meine Augenlieder schwerer werden. „Gute Nacht Kleine" ist das letzte was ich höre. So hat mein Dad mich auch immer genannt...

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(1328 Wörter)



Rache ist süßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt