Kapitel 1

2K 84 4
                                    

"Warum hast du kein Wort gesagt?", ich kann meine Wut nicht unterdrücken und werfe ihm die Worte an den Kopf.
Das Einzige, was mich gerade davon abhält komplett die Beherrschung zu verlieren, ist die Tatsache, dass all unsere Freunde nur einen Raum weiter sitzen.
Vermutlich hören sie trotzdem alles, aber mir ist es gerade herzlich egal.

"Katara . . .", beginnt er seinen Satz, aber kein weiteres Wort kommt über seine Lippen.
Der Avatar, mein Freund, steht vor mir, sieht jedoch nicht wie der 18-jährige junge Mann aus, der aus ihm geworden ist, sondern wieder wie zwölf.
Vorwurfsvoll und wütend blicke ich nach oben, um in seine Augen zu gucken, aber er weicht mir aus.
Die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben, aber ich gebe nicht nach.
Ich drehe mich von ihm weg und laufe den kleinen Raum auf und ab, um meine Wut im Zaum zu halten.

Plötzlich findet Aang seine Sprache wieder.
"Es tut mir so leid. Ich hab nicht mehr daran gedacht. Es einfach vergessen", gibt er kleinlaut von sich.

"Zum vierten Mal in Folge hab ich all meine Pläne umgestellt, vorbereitet ist auch schon alles und dann kommst du nach zwei Wochen nach Hause und hast vergessen, dass du auch mal Zeit mit deiner Freundin verbringen wolltest?", schreie ich beinahe.
Mittlerweile spüre ich mein Blut pulsieren.
Seit Ewigkeiten haben wir nichts mehr zusammen unternommen, wenn er hier ist, dann doch nur, um noch mehr zu arbeiten.
Aang ist öfter unterwegs als bei mir und ich vermisse ihn einfach nur so unglaublich.

"Ich würde nichts lieber tun, als Zeit mit dir zu verbringen und zum nächsten Vollmond werden wir alles machen was du willst, aber dieses Treffen kann ich wirklich nicht verschieben. Es tut mir wirklich so leid", erklärt er sich erneut.

Wie oft habe ich solche Entschuldigungen in den letzen Monaten zu hören bekommen.
Und ohne jede Vorwarnung verwandelt sich meine Wut, die mich eben noch hat kochen lassen in eine tiefe Trauer um.
Er ist der Avatar und er hat eine Verpflichtung dieser Welt gegenüber.
Aber er hat auch mich, vergisst das nur leider viel zu oft.
Seine Visionen und Träume sind wunderbar und ich unterstütze ihn wo ich nur kann, trotzdem tut es weh und das in letzter Zeit immer öfter.
Er denkt  zuerst an Republika und dann kommt alles andere.
Der Plan ist, eine Stadt zu erbauen, die als Hauptstadt der Welt und Zeichen des Friedens gelten soll.
Eine Stadt in der jeder willkommen ist.

Doch während Republika immer mehr Gestalt annimmt, zerstört Aang das, was zwischen uns ist.
Seit zwei Jahren arbeitet er an der Verwirklichung, auch wenn es bisher nur Planungen sind.
Kein einziges Mal hab ich mich beschwert, sogar geholfen.
Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass er mit meinem Bruder eine Beziehung führt und nicht mit mir, denn Sonja lebt für diese Idee.

Ich atme einmal tief ein und wische mir die Tränen vom Gesicht, die unkontrolliert zu laufen begonnen haben.
Aang steht still vor mir und beobachtet mich.

"Komm bitte schnell wieder", sage ich leise und zwinge mich zu lächeln. 

Erleichtert atmet er auf.
"Du bist die Beste! Ich liebe dich, Katara", sagt er fröhlich und zieht mich in eine Umarmung.
Bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gibt und die Umarmung löst, wirbelt er uns einmal durch die Luft.
Er greift meine Hand und zieht mich hinter sich her, zurück zu den anderen.

In dem Moment, in dem wir den Raum betreten, liegen alle Blicke auf uns.
Wir müssen ein seltsames Bild abgeben. Während Aang  übers ganze Gesicht grinst als wäre nichts gewesen, laufe ich mit hängenden Schultern und verweinten Augen hinter ihm.
Auf Sokkas und Zukos Gesichtern kann man ein entschuldigendes Lächeln fürs ungewollte Lauschen sehen.
Nur Toph sieht mit milchigen Augen direkt zu uns und kann sich auch einen Kommentar nicht verkneifen: "Ärger im Paradies?"

"Alles super", antwortet Aang ihr. Ich bleibe jedoch still, denn ich möchte weder lügen noch mit meinen Freunden meine Beziehungsprobleme diskutieren.
Außerdem will ich den Tag nicht mit meiner Laune zerstören, deswegen setze ich mich stumm auf das Kissen neben Aang.
Der Tag war bisher nämlich, mit Ausnahme der letzten Viertelstunde, ziemlich schön.
Heute ist auch Zuko endlich angekommen und wir konnten den ganzen Tag damit verbringen zu reden und einfach zusammen zu sein.
Solche Tage sind mittlerweile zu einer Seltenheit geworden.
Wir haben uns zwar versprochen uns so oft wie nur möglich zu treffen, aber zwischen Vornehmen und Umsetzen liegen Welten.
Toph, Sokka und Aang sehen sich häufiger, da sie zusammen an der Umsetzung von Republika arbeiten.
Zuko hingegen ist um einiges schwieriger aus seinem Palast zu locken.
Als Feuerlord hat er bereits viele Pflichten, denen er nachkommen muss und auch er hat noch die ein oder andere Vision für seine Nation.
Deswegen freue ich mich umso mehr, dass er es dieses Mal tatsächlich geschafft hat, bei uns zu sein, auch wenn sich seine Anreise als unnötig herausgestellt hat, wenn alle außer mir morgen nicht mehr da sind.

Nach und nach lasse ich meinen Blick über die Gesichter meiner Freunde wandern, die ich schon eher als Familie bezeichnen kann.
Wir sind alle keine Kinder mehr, sind älter geworden.
Aber auch das versteckt nicht immer die Narben unserer Vergangenheit.

Alles hat sich verändert.
Nicht nur die Welt, sondern auch wir.
Die, die für ihren Erhalt gekämpft haben.


Sol et LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt