Kapitel 6

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Stunden sind vergangen oder sogar Tage, aber das ist nicht die einzige Frage, die ich mir nach meinem Erwachen stelle.
Noch etwas benebelt komme ich zu mir, kann mich aber weder bewegen noch etwas sehen.
Dumpf nehme ich Stimmen war, aber diese werden noch nicht klar genug, sodass mein Kopf etwas damit anfangen kann. Doch nur weil ich mich nicht bewegen kann, heißt es noch lange nicht, dass ich nichts fühle. Meinem ganzer Körper scheint alle Kraft genommen zu sein und ich weiß nur zu gut was dieses Gefühl hervorruft.

Stück für Stück rufe ich die Geschehnisse wieder auf, um mir daraus einen Reim zu machen. Wenn ich schon nichts machen kann, dann wenigstens das. Ich zwinge mich regelrecht jedes einzelne Detail des Angriffes zu rekonstruieren, jedoch muss ich mir nach Sekunden, Minuten oder vielleicht auch Stunden eingestehen, dass das einzige, was mich wirklich beschäftigt, Zuko ist. In mir dreht sich jede einzelne Frage um ihn oder um das, was ich falsch gemacht habe. Natürlich hätte der Kuss verhindert werden sollen, doch auch in meiner misslichen Lage kann ich nicht leugnen, dass es mich so unendlich glücklich, wenn auch nur für diesen Moment, gemacht hat. 
Die Zeit schien genau wie jetzt still gestanden zu haben und es war, als müsste es so sein. Und dann habe ich es verbockt. Anstatt vernünftig mit ihm darüber zu reden, habe ich mich wie immer hinter einer Mauer versteckt. Wir wären beide niemals so durcheinander gewesen, sodass es jemandem gelungen wäre uns zu überraschen. 
Wegen mir sind wir in dieser Lage und ich kann nur hoffen, dass es Zuko gut geht. Sie werden nicht nur mein Chi geblockt haben und dazu wird er noch größere Kampfverletzungen haben. Ich war unvorsichtig und habe mich überraschen lassen. Eine Meisterbändigerin lässt sich mit einem Schlag auf den Kopf ausschalten. Das ist wahrscheinlich noch das Schlimmste an der ganzen Situation.

Zwar kann ich immer noch nicht einschätzen wie viel Zeit vergangen ist, jedoch wird das Gemurmel um mich herum zu Wörtern, die endlich einen Sinn ergeben. 

"Das Tier brauchen bald ihre zweite Pause", ertönt nicht weit von mir die Stimme eines noch ziemlich jungen Mannes. 
"Wir sind bald da. Und die Freundin des Avatars wiegt nicht so viel, dass dein geliebtes Straußenpferd gleich umkippt", murrt eine raue und ältere Stimme. 
Darauf folgt nur ein Schweigen und länger kann ich mich auch nicht konzentrieren, denn um mich herum versinkt die Welt wieder im Nichts.

Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen erlange ich ein weiteres Mal das Bewusstsein zurück und würde liebend gern einfach wieder einschlafen.
"Endlich", ist das erste was Zuko über seine Lippen bringt. 
Vorsichtig versuche ich mich aufzusetzen, aber auch das ist nicht so einfach wie ich es mir erhofft habe. Auch jetzt reagiert er sofort: "Warte, ich helfe dir."
Sofort schließt er die ohnehin kleine Lücke zwischen uns und hebt meinen kraftlosen Oberkörper in seinen Schoß, legt eine Decke über mich und streicht mir liebevoll durchs Haar, damit ich mich beruhige. Denn ohne, dass ich es bemerkt habe, fließen Tränen mein Gesicht hinunter. 
Er scheint nur darauf gewartet zu haben, dass ich wieder zu mir komme, denn auch einen Becher mit Wasser hält er mir an die Lippen.
Gierig trinke ich, auch wenn einiges daneben geht und kühl meinen Hals hinunter läuft. Nichts könnte sich in diesem Augenblick besser anfühlen.
Auch wenn mir direkt wieder bewusst wird, dass wenn wir Wasser bekommen, mein Chi wesentlich länger geblockt ist und sein wird, als es je der Fall war.
Wer auch immer uns hier gefangen hält, geht nicht davon aus, dass auch nur einer von uns eine Gefahr darstellen wird.
"Wie lange habe ich geschlafen?", ist die erste meiner unendlich vielen Fragen.
"Drei Tage", antwortet Zuko knapp und hört nicht auf mir durch die Haare zu streichen. Das scheint ihn zu beruhigen.
Mit dieser Information muss ich erstmal selbst fertig werden. Wie kann ich ganze drei Tage weggetreten gewesen sein? 
Mein Chi wurde bereits einige Male geblockt, aber nie habe ich mich so schlecht dabei gefühlt und erst recht hat es mich nicht tagelang ausgeschalten.
Jedoch scheint es Zuko wesentlich besser zu gehen, was mich noch mehr verwirrt.
"Warum fühlst du dich nicht so elend? Das sollte anders herum sein. Ich wurde schon einige Male geblockt und, auch wenn man sich nicht dran gewöhnt, sollte ich das wesentlich besser verkraften. Was haben die mit uns gemacht?", fließen die Worte nur so aus mir heraus und ich muss mich selbst stoppen, damit ich mich wieder beruhige.
"Entspann dich erstmal. Soll ich erstmal erzählen was die letzten Tage passiert ist, oder regt dich das wieder zu sehr auf?", fragt er mit einem leichten Lachen.
Und tatsächlich würde ich sehr gern wissen, was passiert ist. Ich drehe mich leicht zur Seite, damit ich Zuko ansehen kann. Doch vorher sehe ich mich einmal um. 
Wir sind in einem relativ kleinen Raum, der vollkommen aus Stein besteht. Alle Seiten sind fester, grauer Stein und nur uns gegenüber ist ein Schlitz, der für Sauerstoff sorgt und auch einige Kerzen wurden uns offensichtlich gegeben. Sie brennen, aber ich denke nicht durch Zukos Hand.

Sol et LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt