Kapitel 4

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"Hast du alles eingepackt?", frage ich Aang müde.
Er legt gerade den letzten Beutel an Proviant zu den anderen Dingen auf Appas Rücken. Kein geringerer als mein Bruder hat darauf bestanden noch mehr Essen mitzunehmen. 
Als das erledigt ist, kommt er zu mir.
"Hab ich. Ich werde dich vermissen", sagt er leise und küsst mich sanft. Ich verweigere den Kuss nicht, aber er merkt auch, dass ich ihn nicht zu hundert Prozent erwidere.
"Komm nur schnell wieder", sage ich und drehe mich um, damit ich Toph und Sokka ebenfalls verabschieden kann.

Zuerst nehme ich mir meinen Bruder vor, auf den ich seit dem Gespräch mit Toph auch eine leichte Wut entwickelt habe.
Nichtsdestotrotz ist er meine Familie und ich umarme ihn fest. Er ist erwachsen und sollte wissen was er tut. Aber ich kenne ihn und weiß, dass ihm nicht bewusst ist, dass er es sich mit einer starken Frau verscherzt  hat.
Toph steht einige Meter weiter. Sie hat noch immer eine Abneigung gegen das Fliegen und die Trauer ist ihr immer noch vom Gesicht abzulesen.
Sie ist so in ihren Gedanken, dass ich ihr nicht auffalle, bis ich ihre Hände in meine nehme.
Erschrocken zuckt sie zusammen, bleibt aber stumm.
"Ich bin immer für dich da", versuche ich sie ein wenig zu trösten und zur Antwort bekomme ich ein Lächeln.
Zu mehr Worten kommt es nicht, denn Aang ruft die beiden zu sich und mit einer leichten Bewegung bändigt Toph sich auf Appas Rücken und Sokka wird von Aang ebenfalls mithilfe der Erde, nur etwas uneleganter, nach oben verfrachtet. 
Gerade noch rechtzeitig kommt Zuko aus dem Haus. Er sieht so aus, als wäre er eben erst aufgestanden und hat es nur geschafft sich eine Hose über zu ziehen, was den direkten Blick auf seine Narbe freigibt. 
Ich kann nie den Blick von ihr abwenden, denn sie ist das einzige, das mich vor dem sicheren Tod gerettet hat. 
Als er mich sieht, lacht er fröhlich und streicht sich die wieder länger gewordenen Haare aus dem Gesicht.
"Nichtmal an einem freien Tag komme ich zum Ausschlafen", ist seine Begrüßung. 
Bevor die anderen starten, redet er noch kurz mit Aang und stellt sich dann wieder neben mich.
Stumm stehen wir da, winken, bis sie zu weit weg sind und erst als Appa aus unserem Blickfeld verschwunden ist, atme ich erleichtert aus.
"Manchmal tut eine Pause gut", sagt Zuko mit wenig Überzeugung.
Schulternzuckend drehe ich mich um und gehe auf das Haus zu, um erst einmal zu Frühstücken.

Auch am Tisch herrscht eine seltsame Stille zwischen uns. Aber ich denke mir nicht viel dabei, denn wir sind es beide nicht gewohnt allein mit dem jeweils anderen zu sein.
In all den Jahren gehört unser Ausflug zum Mörder meiner Mutter wohl zu der längsten Zeit, die wir allein waren und der Grund für diese Reise ist wahrscheinlich auch nicht der, der viel hergibt um darüber zu reden.
Ehrlich gesagt haben wir beide nie ein weiteres unnötiges Wort darüber verloren.
Irgendwann wird mir das Ganze zu blöd. Wir kennen uns so lang, also werden wir es auch schaffen ein vernünftiges Gespräch zu führen!

"Wann musst du zurück?", ist das Erstbeste was mir einfällt.
Nach kurzem Zögern antwortet Zuko: "Ich bin der Feuerlord, ich gehe zurück, wenn ich es für richtig halte."
"Das glauben dir vielleicht die anderen, aber ich ganz sicher nicht", sage ich, während ich nebenbei meine Mango in mundgerechte Stücke schneide. Ich muss Zuko nicht ansehen um zu wissen, dass er nach einer weiteren Ausrede sucht.
Da er nichts weiteres sagt, versuche ich die Stimmung aufzuheitern.
Ich halte ihm den Teller mit Mango hin und sage: "Du kannst gern noch bleiben."
"Danke, Katara", entgegnet er und seine Erleichterung erfüllt den ganzen Raum. Ob es daran liegt, dass ich nicht weiter frage, oder er froh ist noch nicht nach Hause zu müssen, kann ich nicht sagen.
"Also, was machen wir zwei heute?", frage ich, obwohl ich eigentlich schnellstmöglich aufbrechen wollte.
Jedoch bin ich in diesem Moment Gastgeberin und Zuko ist ein langjähriger Freund, da kann wohl noch einen Tag warten. Doch erstaunlicher Weise überkommt mich beim Fragen tatsächlich die Lust etwas mit ihm zu unternehmen. Es ist viel zu schade, dass wir uns so selten sehen und besonders Zuko ist ein angenehmer Zeitgenosse. Ich bereue bis heute, wie ich ihn am Anfang behandelt habe, denn mittlerweile möchte ich nicht mehr auf ihn verzichten. 
"Wie wäre es mit den normalsten Dingen, die uns einfallen?", ist seine Gegenfrage und auch von ihm aus ist Freude zu spüren.
Und dazu ist seine Idee grandios. Auch wenn ich ziemlich oft normale Dinge wie Einkaufen und Essen kochen mache, fehlen mir einfache Dinge.
Es dauert nicht lang, da haben wir uns drauf geeinigt einiges an Essen zu kaufen, welches wir mit an den Strand nehmen und später noch einen völlig normalen Spaziergang zu machen. 

"Komm ins Wasser, Zuko!", rufe ich aus dem knietiefen Wasser zum Strand, wo Zuko auf dem warmen Sand sitzt und sich ziert zu mir zu kommen.
Nur wir sind an diesem Teil des Strandes, den Toph gefunden hat.
"Das ist mir zu nass", lacht er zurück. Kopfschüttelnd stehe ich da und überlege, wie ich ihn hier her bekomme. Da kommt mir die Idee, die mir direkt als erstes in den Sinn hätte kommen sollen.
Wenn er nicht ins Wasser kommt, dann muss das Wasser wohl oder über zu ihm.
"Du hast es nicht anders gewollt", murmle ich vor mich hin und konzentriere mich auf etwas anspruchsvolleres Bändigen.
Mit Leichtigkeit bringe ich das Wasser dazu eine Spirale um meinen Körper zu werden und so laufe ich dem Strand entgegen.
"Nein, Katara. NEIN. BITTE!", brüllt Zuko schon fast verzweifelt mit einem spaßigen Unterton.
Doch ich überhöre ihn einfach und lasse das Wasser zu einer riesigen Blase über seinem Kopf zusammenlaufen. Er versucht nicht einmal wegzulaufen, weil ihm bewusst ist, dass er dem nicht entkommen kann. Wie ein kleiner Junge kneift er seine Augen zusammen und mit so viel Freude wie lange nicht mehr, lasse ich sie über ihm zerplatzen. 
"Das wirst du bereuen", sagt er gespielt wütend und kommt mit großen Schritten auf mich zu. Ich wehre mich nicht, da ich einem Lachen freien Lauf lasse und so hebt Zuko mich ohne Probleme hoch. Er wirft mich sich über den Rücken und marschiert geradewegs ins Wasser, was mich nur noch mehr zum Lachen bringt.
"Dir ist aber bewusst, dass ich eine Wasserbändigerin bin, oder?" rufe ich ihm über die Schulter zu.
Auch Zuko lacht nur und so landen wir beide im Meer. Nicht zwei Meisterbändiger. Nicht der Feuerlord und die Freundin des Avatars.
In diesem Moment sind wir nur zwei Freunde, die viel zu selten Zeit miteinander verbringen und den Tag genießen.  
 

Sol et LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt