Chapter 18

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22. März 2015

Jules lag weinend auf ihrem Bett als ich reinkam. Sie hatte mich angerufen und brachte kein Wort raus aus Verzweiflung. Danach war ich augenblicklich hierher gefahren. Ich hatte sie so noch nie erlebt. Sie war sonst immer eher reif, auch logisch, wenn sie zwei Jahre älter war, und vernünftig und nichts warf sie so schnell aus der Bahn. Ihre Mutter hatte mich reingelassen und hoffte wohl, dass ich wusste was los war, aber ich hatte keine Ahnung.

„Jules was ist los?", fragte ich vorsichtig. Aber sie antwortete nicht, also probierte ich es anders.

„Ist etwas passiert? Geht es um Quentin?" und als ihr Schluchzen noch schlimmer wurde nahm ich an, ich hatte ins Schwarze getroffen.

„Oh Jules. Was ist passiert? Hattet ihr einen Streit? Ach das kommt schon wieder ihr werdet euch sicher wieder versöhnen", sagte ich und nahm sie in den Arm. Sie sagte lange Zeit nichts sondern liess sich einfach von mir festhalten und weinen. Aber schliesslich meinte sie leise:

„Das ist es nicht?"

„Nicht?"

„Wir haben uns nicht gestritten."

„Aber was ist denn?"

„Ich kann das nicht... Du wirst mich für so dumm halten", sagte sie und begann wieder zu weinen.

„Hey, Jules", sagte ich liebevoll, „Ich würde dich doch niemals für dumm halten. Egal was passiert ist, du kannst es mir sagen ich bin für dich da und helfe dir dabei."

„Ich kann nicht..."

„Nun sag schon."

„Ich... Becca ich weiss nicht wie ich dir das sagen soll."

„Sag's einfach."

„Ich bin schwanger", flüsterte sie leise und blickte starr zu Boden. Geschockt starrte ich sie an.

„Du bist was?", sagte ich tonlos. Ich musste sie falsch verstanden haben.

„Ich bin schwanger. Oh Gott ich weiss nicht, was ich tun soll Becca!", sagte sie verzweifelt und wieder begann sie zu weinen. Stumm legte ich meine Arme um sie.

„Weiss es Quentin schon?"

„Nein."

„Aber du musst es ihm sagen, dass weisst du?"

„Ja ich weiss."

„Und deine Mutter?"

„Du bist die Erste, der ich es erzähle Becca. Was soll ich nur tun? Ich kann es nicht abtreiben. Das geht nicht."

„Dann tu's nicht."

„Aber wie soll ich ein Kind grossziehen? Ich bin ja selber noch ein Kind."

„Du schaffst das. Meine Mutter war nicht älter als du, als sie Tommy bekommen hatte", meinte ich leise.

„Wirklich?"

„Ja."

„Hilfst du mir, es meiner Mutter zu sagen? Und Quentin?"

„Natürlich."

Wir sassen noch eine Weile auf ihrem Bett und ich wartete bis sie sich ein wenig beruhigt hatte, bevor ich ihr aufhalf und mit ihr nach unten ging. Ich hatte es selbst noch nicht ganz realisiert. Sie war schwanger. Ihr ganzes Leben würde sich dadurch verändern.

„Mãe? Können wir reden?", fragte Jules ihre Mutter erschöpft.

„Natürlich. Was ist denn los minha princesa?"

„Vielleicht setzten wir uns besser ins Wohnzimmer oder so", schlug ich vor und Jules nickte. Jules Mutter sah mich besorgt an, folgte uns dann aber. Ich setzte mich neben Jules und drückte aufmunternd ihre Hand, damit sie wusste, dass ich für sie da war.

„Mãe es ist etwas passiert."

„Nichts kann so schlimm sein, dass du es mir nicht sagen kannst princesa, das weisst du doch."

„Es tut mir so leid dich zu enttäuschen."

„Du würdest mich nie enttäuschen."

„Mãe, ich bin schwanger."

Die Augen von Jules Mutter weiteten sich. Man sah ihr an, wie sehr sich zusammenreissen musste, dass ihr brasilianisches Temperament nicht mit ihr durchging. Jules begann erneut zu weinen. Lange sagte keiner von uns etwas. Bis ihre Mutter nach Jules Hand griff und sie fest in ihre nahm.

„Sehe mich an. Du würdest mich nie enttäuschen."

Ich nahm das als mein Stichwort, stand auf und liess die Beiden alleine.

„Ich warte draussen", flüsterte ich Jules noch zu.

Die erste Hürde war genommen. Jetzt musste sie es nur noch Quentin sagen. Ich ging raus und atmete die kühle Frühlingsluft ein. Danach rief ich meinen Bruder an. Ich fragte ihn, ob er herkommen konnte und uns danach zu Quentin fahren kann.

„Was ist passiert?", fragte er mich, als er ankam. Er setzte sich neben mich auf die Stufen zum Hauseingang.

„Glaubst du Quentin wäre ein guter Vater?"

„Scheisse."

„Ja."

„Ist sie sich sicher?"

„Ich weiss es nicht. Ich glaube sie wollte noch nicht zum Arzt bis er es weiss."

„Wer weiss schon davon?"

„Du, ich und ihre Mutter."

„Will sie es behalten?"

„Ja. Ich hab ihr erzählt, dass Mum gleich alt war, als sie mit dir schwanger wurde. Ist doch in Ordnung oder?"

„Besondere Situationen erfordern besondere Massnahmen."

„Was tut er hier?", fragte Jules, die plötzlich hinter uns aufgetaucht war.

„Wir brauchen jemanden, der uns fahren kann. Ausserdem braucht Quentin danach vielleicht auch einen Freund", ihr Blick wurde weicher und sie nickte.

„Bist du bereit?", fragte Tommy sie, und wieder nickte sie. Wir standen auf und liefen zum Auto. Die Fahrt verlief schweigend. Thomas hielt vor einem Haus und nickte Jules aufmunternd zu. Wir stiegen aus und ich drückte Jules noch einmal ganz fest. Dann lief sie auf das Haus zu. Thomas und ich blieben beim Wagen stehen und beobachteten die Szene aus der Ferne.

Quentin öffnete die Tür und schaute Jules überrascht an. Er gab ihr einen Kuss aber sie war zu angespannt um zu reagieren. Verwirrt sah er sie an. Sie hielt ihren Kopf starr zum Boden gerichtet, als sie begann zu sprechen. Aber Quentin hob ihr Kinn, damit sie ihn anschauen musste. Sie sprach weiter und Quentins Augen weiteten sich. Tränen liefen über Jules' Wangen. Quentin fuhr sich durch seine Haare und drehte sich um sich selbst. Verzweiflung machte sich in seinem Gesicht breit. Doch dann sah er Jules an und nahm sie fest in dem Arm. Sie standen da und umarmten sich während Tränen über ihre Gesichter liefen.



Niemals wieder gleichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt