So long I've been waiting

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Hillside Manor, 2016

Schweißgebadet wachte Harry auf. Er wischte sich über das nasse Gesicht und versuchte, seinen Atem zu regulieren. Schaute sich in dem dunklen Zimmer um. Alles war noch so, wie es war, als er vor zwei Wochen hier eingezogen war. Einige der Kartons hatte er noch nicht ausgepackt und der Stapel sah im Dunkeln wie ein bedrohlicher Turm aus. Harry schüttelte sich, stand auf und ging ins Bad, um sich kaltes Wasser ins Gesicht laufen zu lassen. Die alten Rohre krachten, als er den Wasserhahn aufdrehte, und er zuckte zusammen. Ruhig, Styles, du bist doch sonst nicht so schreckhaft, sagte er sich. Es ist ein altes Anwesen, da sind solche Geräusche normal! Aber dieser irre Traum...Er war fast wie ein Film gewesen, den er in Gestalt dieses Harold's- McVinegar, warum auch immer- erlebt hatte. Hatte den Schmerz gespürt, den Frust, die Wut. Und seine Zuneigung zu der hübschen Puppenfrau, die er nicht haben durfte. Empfand noch deutlich die Scham des anderen darüber, jemanden sexuell zu begehren. Für Harry war Liebe und Sex jedoch etwas Unerläßliches. Deshalb war er total erschrocken über diese fremden Gefühle, die er im Traum erlebt hatte. 

Natürlich hatte er öfter mal Albträume gehabt, aber niemals hatten sie sich derart realistisch angefühlt, wie der von eben. Er musste herausfinden, ob Hillside Manor tatsächlich früher mal eine Anstalt gewesen war! Die Maklerin hatte nichts gesagt, nur, dass es Mitte der Neunziger von einem reichen Anwalt komplett restauriert worden war. Der Typ besaß jedoch sehr viele Anwesen und hatte es deshalb an Harry verkauft. Eigentlich war Hillside Manor zu groß für den jungen Popstar und zur Zeit bewohnte er nur den Westflügel, den Teil, den er im Traum als den Männertrakt erlebt hatte. Der Ostflügel war ziemlich verwinkelt, jedoch leicht zu erreichen, deshalb verstand er nicht ganz, warum McVee durch den Garten gegangen war, um zu Dolly zu kommen. Aber er würde es noch herausfinden. Er hatte ja Zeit. Am liebsten würde er sofort die Maklerin anrufen, doch es war gerade mal drei Uhr morgens. Also legte Harry sich wieder ins Bett und begann, zu lesen. Doch immer wieder schweiften seine Gedanken zu McVee und Dollyfant. Er konnte so froh sein, dass er behütet aufgewachsen war und keine prügelnden Stiefväter hatte ertragen müssen. McVee's Vater war ein Priester gewesen, das hatte Harry in McVee's Erinnerungen gesehen. Er hatte erlebt, wie der strenge Gottesmann seinen verängstigten Sohn prügelte. Nein, McVee's Vater hatte seinem Sohn nicht ins Gesicht geschlagen, sondern mit einer Gerte auf sein nacktes Gesäß und dann... musste McVee seine Beine spreizen. Harry biss sich auf seine Unterlippe. Er wußte noch jeden kleinen Moment des Traumes. Wie konnte das sein? Er sprang wieder auf und ging runter in die Küche. Setzte Wasser für Tee auf. Eine seiner Katzen, Madge, strich um seine nackten Beine und er beugte sich zu ihr runter, um sie zu kraulen.

„Hey, kleine Rumtreiberin. Hast du genug vom Mäuse fangen? Hier könnt ihr euch so richtig austoben, was?" murmelte er.

Madge antwortete mit einem leisen Maunzen. Harry goß sich Tee auf und setzte sich an den Küchentisch. Auch hier standen noch Kartons herum und so machte er sich, nachdem er ausgetrunken hatte, an die Arbeit und räumte Geschirr in die Schränke.

Später weckte ihn ein Geräusch und er fuhr erschrocken hoch. Ihm tat alles weh, denn er war auf der Ofenbank eingeschlafen. Er hörte die Haustür zufallen.

„Harry?" rief Anne, seine Mutter. „Bist du da?"

„Ja, in der Küche." rief er zurück.

Nach einer Weile öffnete Anne die Küchentür, sie war mit Tüten beladen. Harry nahm sie ihr ab und stellte sie auf den Tresen.

„Mum, du sollst doch nicht immer für mich einkaufen. Ich krieg das hin, ehrlich."

„Oh, du hast aufgeräumt!" sagte sie und ignorierte seinen Einwand. Er seufzte.

„Ja, konnte nicht schlafen. Dieses Anwesen hat echt merkwürdige Vibes!"

Sie lächelte ihn an.

„Ich hab's dir doch gesagt! Du wolltest es ja unbedingt kaufen. Nun zieh dich aber mal an, du holst dir noch den Tod. Brr, ist das kalt hier!"

„Ich mach gleich den Ofen an." sagte Harry und verließ die Küche.

Als der junge Popstar nach einer wohltuenden Dusche wieder runter kam, war der Esstisch reichlich gedeckt und es duftete nach Kaffee. Er holte Holz aus dem Verschlag und feuerte den Ofen an. Es war ein kalter Septembertag. Eigentlich wollte er bereits im Sommer umgezogen sein, doch waren die nicht vorhergesehenen Dreharbeiten für den Film "Dunkirk" dazwischen gekommen. Niemals hätte er auch nur gehofft, eine Rolle in einem größerem Film zu bekommen und er war stolz darauf. Während Mutter und Sohn aßen, überlegte Harry, ob er ihr von dem Traum erzählen sollte und entschied sich dagegen. Es war ja nur ein Traum und am Tage sah alles wieder anders aus. Die Sonne schien durch's Fenster, der Ofen knisterte und seine Mum erzählte ihm von alltäglichen Dingen. Das fremde Gefühl in Harry war gänzlich verschwunden. Später half Anne Harry mit der Einrichtung des Wohnzimmer's, seine Schwester Gemma kam auch noch hinzu. Er vergaß, die Maklerin anzurufen und fiel abends todmüde ins Bett, wo er sofort einschlief.




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