Warnung

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Sollte der Zufall es wollen, dass du Doktorand der Germanistik, Englischer Literaturprofessor, oder ein Forscher irgendeiner anderen lebenden oder toten Sprache bist: Schließe den Tab, bevor es zu spät ist. Kehre in deinen Sessel zurück, mache es dir bei einer Tasse Tee gemütlich, und erschließe die Symbolik von Goethes Faust oder wende Derridas Dekonstruktion auf Shakespeares Sonette an. (Wenn du nicht weißt, wer Derrida ist: gut für dich.)

Allen anderen sei gesagt: Nur keine falsche Scheu, nehmt euch eine Silbensäge am Eingang, denn hier wird Literatur zerlegt! Ihr wollt gut schreiben lernen? Dann auch euch auf Wiedersehen! Wir maßen uns nicht an, die nächste Jane Austen oder der nächste Günter Grass zu werden. Das Ziel unseres Geheimbundes ist das Drehregal in der Bahnhofsbuchhandlung und das vernichtende Urteil des Förderbandes in Druckfrisch. Aus unseren Erzählungen scheint kein Gefühl, sondern (mehr oder weniger) ehrliches Handwerk. Wir mauern Wort auf Wort, spinnen Handlungsfäden, und entwerfen Charaktere am Reißbrett. Und dazu werden wir zu Bücherfledderern, die auch vor den Besten nicht Halt machen.

Gewiss, Harry Potter ist eine wunderschöne Geschichte voller Magie und einzigartiger Figuren, aber bei uns wird sie unter die kalte Leselupe genommen. Über kleiner Kapitelflamme geröstet reduzieren wir das Epos auf die Grundelemente: Held, Schurke, Helfer, Quest.

Wir sind nicht wählerisch: Auch Filme, Serien und Videospiele werden unfrewillige Gäste unserer Zusammenkünfte sein. Jeder unserer Abende soll dabei unter einem anderen Motto stehen, eingeleitet durch einen Lese/Ansehtipp. In welchem Roman lernt man am Besten, Spannung zu erzeugen? Wie fällt man bereits durch ungewöhnliche Gestaltung auf, ganz egal, worum es geht? Was hat das italienische Theater des 16. Jahrhunderts mit japanischen Anime gemeinsam?

Und nun nehmt euch rasch eine Lederschürze, denn es wird Druckertinte fließen...

P.S.: Der vorstehende Text ist eine Parodie des Stils von Walter Moers in Die Stadt der Träumenden Bücher.

P.P.S.: Parodie klingt viel schöner als Plagiat.



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