P R O L O G U E

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Seine Atemzüge gingen flach, aber schneller denn je. Adrenalin wurde durch die Aterien seines angestrengten Körpers gepumpt und versorgten ihn mit dem nötigen Schwung, den er brauchte, um seinen Triumph zu verdeutlichen und diesem Spiel ein lang ersehntes Ende zu setzen. Er holte immer und immer wieder aus, dachte nicht einmal daran mit der Transchiererei aufzuhören - er verlor sich komplett in dem süßen Rausch der Rache. Er verspürte nicht einmal seine eigenen Schmerzen, sein eigenes Blut, was ihm die Hände hinunterfloss und den eisigen Geschmack, den er vernahm, als er sich konzentriert auf die Lippe biss. Nichts und niemand kann ihn in diesem Moment aufhalten. Niemand würde ihm diesen glorreichen Moment nehmen. Zumindest dachte er das. Bis er plötzlich ruckartig in die bittere Realität zurückgezogen wurde und sich die schreckliche Wahrheit vor ihm offenbarte.

Sein Bruder musste ihm mit einem festen Griff und Rucken aus dem Geschehnis ziehen, da er jegliches Gefühl für die Außenwelt verloren hat. Loki war vollkommen besessen davon gewesen, dem Täter seine gerechte Strafe zu bringen und sie dementsprechend auch zu vollziehen - doch hatte er dabei die Person vergessen, für die er all diesen Unsinn tat. Und dies bereute er zutiefst.

Denn als er sich nur leicht umdrehte und nur einen Spalt von dem hinter ihm passierten Geschehnis erhaschen konnte, fühlte er sofort, wie ihm das Herz urplötzlich tausende Male schwerer wurde. Dort saß sie. Schlotternd, auf den Schenkeln kniend, und mit einer Hand fest ihren Bauch umschlungen. Es brauchte keine lange Überlegungszeit, um zu verstehen, warum Alice dieser Tätigkeit nachging - und die Tatsache warum sie das tat, ließ ihn das brodelnde Blut in den Adern gefrieren. Ihre verkrampften Arme zitterten und waren überall mit einer dunkelroten Flüssigkeit überströmt - und das nicht wegen all den Kratzern, die sie durch Kämpfe und Schlachten bekommen haben musste, die sie all die Zeit alleine austrug. Nein, dafür war dies alles viel zu viel Blut. Irgendetwas musste geschehen sein - und er war ein solch törichter Narr gewesen und hatte überhaupt nicht darauf geachtet. Neben ihr bildete sich rasant schnell eine Lache voller Blut, die mit jeder weiteren vergangenen Sekunde sich mehr ausbreitete. Es war ein schreckliches Szenario - und er hätte es beinahe nicht mitbekommen, wäre Thor nicht gewesen.

Ohne noch allzu viel länger zu überlegen, stürmte der Gott des Unfugs so schnell wie es auch nur in seiner Macht lag, auf das leichenblasse Mädchen zu, was aussah, als würde sie jede Sekunde zusammenbrechen. Ihr Atem wurde immer und immer langsamer und Panik breitete sich in dem nun genauso zuckenden Körper Lokis aus. Unterstützend ließ er sie nun in seine Armen fallen und realisierte aufgrund der darauffolgenden Berührungen, wie schrecklich kalt ihr Körper dabei war. Und ehe er sich noch weitere, plagende Fragen stellen konnte, erspähte er schlussendlich auch die Ursache für dieses ungeheuerliche Geschehnis - das Messer, das dieses Scheusal von Wesen Alice die ganze Zeit an die Kehle gehalten hatte, steckte mit fast seiner gesamten Hälfte in dem zierlichen Körper des Mädchens.

Loki hatte das Gefühl, als wäre er derjenige, der eine solch derartige Verletzung erleiden müsste. Und er würde am Liebsten auch alles dafür machen, dass er an ihrer Stelle wäre, denn er konnte es einfach nicht aushalten, Alice in ihrem jetzigen Zustand zu sehen. Hektisch blickte Loki in das schweißgebadete, schneeweiße Gesicht der Verletzten - er konnte es kaum ertragen sie mit ihren herausstehenden Adern und den deutlich gewordenen, hellroten Blutgefäßen anzusehen - und fing dabei kurz einen Schein auf halb geöffneten Augen auf. Nur ein kleiner Spalt war zu sehen, die Vorstellung, was geschehen würde, wenn diese erst einmal komplett geschlossen waren, verängstigte ihn auf einer komplett neuen Ebene. Hass breitete sich noch einmal in dem pulsierenden Körper des Gottes aus. Eine ungestümen, bittersüßen Hass, gerichtet auf die Person, dies Monster, was auch nur wagte, daran zu denken, diese Tat zu vollziehen. Doch wurde dieses eifrige Gemüt von einer Welle von Sorge und panischer Angst übermannt, als er noch einmal in das eingefallene, bleiche Gesicht des Mädchens sah. Ihre Augen schienen sich mittlerweile schon von alleine geschlossen zu haben und auch ihr Atem war nur noch kaum zu erkennen. Das konnte einfach nicht war sein. Das war ein schrecklicher, schrecklicher Traum.

Er fühlte sich wie gelähmt. Dieses Wesen, was ihm einst nicht einen Deut wichtig war, brach ihm nun auf einem Mal das Herz - und das auf eine so wuchtige Weise, dass es einem Herzinfarkt glich. Loki wollte schreien, wollte sie hochheben und so schnell wie möglich mit ihr auf das Schiff fliehen, um wenigstens zu versuchen, ihr Überleben zu retten. Doch er war wie versteinert. Kein Muskel bewegte sich, sondern Loki starrte stattdessen paralysiert auf den verschwitzten, blutverschmierten Körper des Wunder von Menschen.

In solchen Momenten war Loki doch noch froh, seinen Adoptivbruder bei sich zu haben. Denn schlussendlich war er derjenige, der ihm mit einem Ruck - und jetzt auch schon zum zweiten Mal, binnen weniger Sekunden - zurück in die Realität brachte. Und setzte somit auch wieder Lokis Instinkt in die Normalität. Den wohl einzigen Instinkt, den er nun brauchte. Und der war, Alice Bruce zu retten.

E A R T H D U C H E S S { a v e n g e r s ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt