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Neun Monate früher.

Ich war froh weg zu sein. Im Taxi zu sitzen, mit den Kopfhörern in den Ohren und die vorbeiziehenden Häuser sehen zu können. Das hier würde die größte Rechnung meines Lebens geben. Einmal mit dem Taxi von San Diego nach Los Angeles, knapp 120 Meilen, einmal über den Broadway.

In den zwei Stunden dachte ich weniger darüber nach, wie viele Nullen die Summe dieser Rechnung haben würde, sondern viel mehr über das, was sich in den letzten Stunden bei uns zu Hause abgespielt hatte. Versuchte mich mit der Stimme des Metal-Sängers in meinem Ohr zu beruhigen.

Nichts ahnend war ich heute Morgen aufgestanden, hatte die Jalousien hochgezogen und in den Garten geschaut. Wir waren bei Grandma zu Besuch, weil Dad dort für zwei Wochen beruflich zu tun hatte. San Diego war der Heimatort meiner Mum und ich hatte die High School beendet, war noch voller Fragezeichen, was ich danach studieren sollte und nutze diesen Urlaub nichts ahnend als kleine Hilfe. Grandma Lilo hatte ein großes Haus, ich schlief in einem der zwei Gästezimmer und hatte es endlich einmal für mich alleine, weil mein Bruder Jake zur Schule musste, zu Hause in London blieb und am Wochenende für zwei Tage nachkommen würde. Zu erwähnen ist, dass sich unser London in Kanada, Ontario befindet, führt öfters zu unangepassten Verwechselungen.

Sogar als Mum und Dad mir vor drei Jahren sagten, dass wir nach London ziehen werden, erlitt ich fast einen Herzinfarkt. Großbritannien war wirklich ein Gebiet, auf dem ich mich nicht auskannte und ich wollte in Gottes Namen nicht tausende Flugstunden von meiner Heimat entfernt sein. Erst als ich nach einer Tüte fragte um meine Atmung wieder einiger Maßen in den Griff zu bekommen, klärte mich Dad auf. Trotzdem war dieser Umzug komisch. Auch Kanada war ein Unterschied wie zwei Welten wenn man Kalifornien gewohnt war. Wir hatten es zwar nicht weit zum Meer, doch dort hatte das Wasser konstant gefühlte hundert Grad minus. Das Baden konnte ich mir abschminken und auch sonst war es schwer Kontakte zu schließen. Auf der High School kannten sich schon alle und ich war nur die Neue die das große Talent hatte die Streber und Nasenpobler anzuziehen. Außerdem hatte ich zu Hause genug damit zu tun die vergeblichen Annäherungsversuche meiner Eltern auszuhalten.

„Wir ziehen nicht nur nach London, weil ich dort eine neue Stelle als Chefarzt bekomme, sondern weil wir endlich wieder ein wenig zusammenrücke müssen in dieser Familie", hatte Dad an diesem Abend erwähnt.

Es war kein Geheimnis, dass sich Mum und Dad nicht mehr so verstanden wie sie es früher taten. Dad lebte für seine Arbeit als Arzt und Mum war diejenige die zu Hause blieb. Diese Geschichte mit der Arzthelferin ein Jahr vor unserem Umzug, machte die Sache nicht besser und obwohl ich glaubte, Dad würde niemals auf die Idee kommen Mum zu hintergehe, tat er es doch. Er war ein guter Vater, vielleicht konnte man das eine mit dem anderen einfach nicht vergleichen.

Etliche Stunden hatte ich mir schon darüber den Kopf zerbrochen, mich gefragt warum das alles so enden musste wie es gekommen war. Jedoch merkte ich bald, dass ich zu dieser Sache sowieso nichts hinzutun konnte. Jedenfalls tat der Urlaub bei Grandma gut. Dad war die meiste Zeit in diesem Blutspendezentrum und Mum war ebenfalls wenig da. Ich genoss die Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm, könnte ich hinterher definitiv sagen.

Die Sonne schien an diesem Morgen direkt in mein Gesicht. Langsam öffnete ich den Vorhang noch ein Stück, sah die winzige Ecke des Meeres und als ich nach unten sah Mrs. Spencer, Gandmas Pudeldame.

Keiner war zu Hause und es war beunruhigend still gewesen. Fast zu still.

Ich verharrte kurz in meiner Position. Lauscht und hörte nur das Summen des Kühlschrankes unten in der Küche, bis zu diesem lauten Knall im Haus.

Mein Herz schlug so stark, dass ich Angst hatte umzukippen und zu ersticken gleichzeitig. Hastig drehte ich mich im Kreis. Verdammt, es gab nichts in diesem Zimmer womit ich mich ernsthaft bewaffnen konnte. Glätteisen oder Regenschirm? Glätteisen.

The PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt