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Ich hatte mir Los Angeles zwar heiß vorgestellt und es war nicht so, dass ich Kalifornien und sein Wetter nicht gewohnt gewesen wäre, aber die Hitze am nächsten Tag machte mich fix und alle.

Einmal am Mittag war ich kurz draußen gewesen. Falsche Entscheidung. Die Mittagssonne prallte auf meinen Kopf, der Asphalt dampfte förmlich und ich selbst hatte drei Schweißausbrüche bis ich vom Briefkasten endliche wieder in Sicherheit vor der Sonne war.

Ein Glück war dieser Donnerstag der Tag der Abrechnung im Surfshop und ich musste meinen Hintern noch nicht in ein viel zu knappes Bikini-Höschen zwängen. Vor dem hatte ich wirklich Angst. Das würde die peinlichste Aktion meiner Laufbahn als Mensch werden.

Ich schlug die Zeitung auf und setzte mich an den Esszimmertisch. Dieser verdammte Radio rauschte immer noch. Wirklich, denn sollte mal jemand reparieren. Langsam hatte ich das Gefühl ich war die einzige die dieses Geräusch überhaupt hörte. Zumal war das das Einzige war ich hörte, was die Sache noch schlimmer machte. Es war keiner zu Hause und ich versuchte mich mit Hilfe eines Artikels von dem Gedanken an Geister oder Einbrecher abzulenken.

Mein Handy klingelte im Laufe des Nachmittags ungefähr hundert Mal. Ein Glück hatte Mum noch nicht verstanden, dass es heutzutage so etwas wie Whatsapp gab. Sonst hätte ich den Nachrichten Terror hoch siebentausend. Mum konnte wirklich hartnäckig sein.


Weder Kira noch Billy oder Layla waren später am Abend zu Hause, also befolgte ich Kiras Bitte einkaufen zu gehen. Ich nahm den Zettel der unter einem Magnet am Kühlschrank hing und die fünfzig Dollar die sie mir am Morgen in die Hand gedrückt hatte.

Außerdem hatte sie gemeint, ich solle das Auto nehmen, obwohl sie wusste, was für eine Miserable Autofahrerin ich war. So viele Beulen wie ich in unser Auto in Kanada gefahren hatte, war es ein Wunder, dass mir die Regierung noch nicht verboten hatte mit dem Auto auf einer öffentlichen Straße zu fahren. Ich hasste es sowieso. Dann hätte ich wenigstens eine Ausrede um nicht fahren zu müssen.

Der Supermarkt zu dem ich fuhr lag in der Nähe des Santa Monica Beaches. Ich parkte schräg auf zwei Parkplätzen und stieg schließlich nach dem dritten misslungenen Versuch, das Auto gerade zu stellen aus. Ich sah mich um und hoffte inständig, dass mich keiner beobachtet hatte. Das Klischee, dass Frauen nicht einparken konnten, traf leider auf mich zu.

Ich lief zur Tür hinein. Der Supermarkt war klimatisiert und es tat gut. Obwohl es Abend war, lief mir der Schweiß schon bei jeder kleinen Bewegung die Stirn hinunter.

Konzentriert studierte ich die Einkaufsliste und hatte schon jetzt Angst davor, wenn es soweit war, dass ich auch für mich die Dinge selbst einkaufen musste.

Ich packte Sachen in den gelben Einkaufskorb. Alles war hier fast doppelt so teuer wie zu Hause, hatte ich das Gefühl.

Die Klimaanlage blies weiter kalte Luft umher, perfekt dafür, mir wieder einen Schnupfen einzuholen. Der zweite Grund, warum ich diese Klimaanlage verfluchen hätte können war, weil sie mir die Haare zu einem undefinierbaren Haarbuschel zusammenblies. Die Kühle hier drin war ja schön und gut, doch trotzdem gaben mir die Nachteile das Gefühl sie zu hassen.

Als ich schon einige Sache die notwendig waren in den Korb gepackt hatte, blieb ich schließlich vor dem Cornflakesregal stehen und konnte mich ewig nicht entscheiden welche Sorte ich nehmen sollte. Kira hatte sie nicht aufgeschrieben und es war wirklich schwer abzuwägen, ob sie billig oder lecker sein sollte.

Irgendwann griff ich blind nach einer Packung, denn ich hatte die Hoffnung aufgegeben mich für etwas entscheiden zu können. Kurz bevor endlich eine Packung in meinem Korb landen würde, berührte meine Hand die einer anderen Person, welche dieselbe nehmen wollte. Zuerst sah ich nur auf diese Hand. Sie war muskulös und ruhte neben meiner. Dann blickte ich die Person neben mir an. Ziemlich viel sah man allerdings nicht. Es war ein Junge, das war eindeutig. Ich erkannte, dass er größer als ich war, genau hatte ich es mir aber nicht gemerkt. Was mir auffiel war, dass das Schild seiner Mütze weit in sein Gesicht gezogen war und er zusätzlich die Kapuze seines Hoddies auf hatte. Kurz gesagt, ich konnte fast nichts von seinem Gesicht erkennen. Seine Augen waren verdeckt, nur die dunklen Ringe die sich unter ihnen abzeichneten waren ein wenig zu sehen. Er war bestimmt auf Drogen und hatte Nächte lang nicht geschlafen, so sah er zumindest auf den ersten Blick aus.

Ich weiß nicht, ob er mich angesehen hatte, ob er mich überhaupt sehen konnte durch seine Mütze. Ich jedenfalls starrte seine Wangenknochen an, die sich durch den halben Bereich seines Gesichts zogen und wie nachgemalt aussahen.

Irgendetwas fesselte mich an ihm und ich konnte nicht sofort meinen Blick von ihm lassen. Was es war, wusste ich nicht. Vielleicht wunderte ich mich auch nur, wieso er so traurig aussah.

Unsere Hände ruhten immer noch auf der gleichen Cornflakespackung. Keine Ahnung ob es eine Ewigkeit oder nur wenige Sekunden dauerte bis er seine Hand wegzog und sich ruckartig umdrehte. Dabei schlug er seinen Rucksack unabsichtlich gegen meinen Einkaufskorb und etwas fiel zu Boden. Er lief davon und verschwand hinter dem nächsten Regal.

Es war ein kleines schwarzes Portemonnaie, was jetzt am Boden lag. Ich wollte ihm hinterherrufen, aber er war schon außer Sichtweite gewesen. Langsam bückte ich mich, hob es auf und öffnete es.

Ein paar wenige Dollar, etliche Visitenkarten und ein Zettel mit einer Nummer waren darin. Ich hatte nicht vor, irgendetwas zu stehlen, aber ich dachte ich könnte herausfinden, wieso es dieser Junge so eilig gehabt hatte und wer er war.

„Eigene Rufnummer" las ich gedanklich den Zettel mit der Nummer. Auch so jemand der seine Handynummer nicht auswendig konnte.

Klatschend schlug ich das Portemonnaie wieder zu und legte es mit samt der Cornflakespackung in meinen Einkaufskorb. Ich würde es mir bei Kira zu Hause genauer anschauen.

Wenn ich genug Mumm hatte, würde ich diese Nummer anrufen, sagte ich mir und lief weiter. Die Einkaufliste war noch lange genug und ich hatte wirklich keine Lust in den Feierabendverkehr hinein zu geraten. Wäre das passiert, hätte Kira ihr Auto nie wieder gesehen und ich die Panikattacken meines Lebens gehabt.

The PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt