Chapter 3

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Als wir nach Hause kamen, war es bereits am Dämmern und der eisige Wind bließ mir ins Gesicht und hinterließ ein Stechen, wie kleine, spitze Scherben, die in mein Gesicht drangen. Wie sich einfach alles perfekt zu meiner Stimmung anpasste, fast hätte ich lächeln müssen.
Ich ging hinter Mum ins Haus und hätte mich liebend gerne wieder umgedreht und wäre einfach nur weg gerannt. Egal wohin, einfach weg. So weit weg wie möglich. Damit ich dass alles hier hinter mir lassen konnte. Aber es ging nicht. Auch wenn einem alle Möglichkeiten im Leben offen standen, konnte man nicht vor seinem eigenen Leben davon rennen. Es blieb immer das Gleiche, egal wo man war.
"Möchtest du etwas essen?" Mum warf mir ein Lächeln zu, welches kein bisschen ihre Augen erreichte, aber dennoch wirkte sie hoffnungsvoll. Ich schüttelte meinen Kopf und sah den Schmerz in ihren aufblitzen und wie schwer schluckte. "Stephanie, du musst wieder mehr essen. Du hast die letzten Wochen kaum etwas gegessen und du siehst alles andere als gesund aus."
Ich zuckte mit den Achseln und wandte mich der Treppe zu. "Ich bin auch alles andere als gesund."
Sie packte mich am Handgelenk. "Bitte, Schatz. Tu mir den Gefallen und...und...ess mit mir."
Man konnte hören, dass sie etwas komplett anderes hatte sagen wollen. VIelleicht wäre die alte Stephanie darauf eingegangen und hätte gefragt, was, aber ich wusste, dass es etwas gewesen war, was mir nur einen weiteren Stich in mein geschundenes, zerbröckeltes Herz versetzen würde. Ich sah auf ihre Hand hinuntert und das schlechte Gewissen nagte in mir. Während ich die letzten Wochen in Selbstmitleid und Schmerz gebadet hatte, war ich komplett aus dem Weg gegangen und hatte kaum ein Wort mit ihr  gesprochen. Es war für sie schon schlimm genug, auch wenn sie mich hasste, war ich immernoch ihre Tochter. Ich musste mich einfach zusammen reißen.
Ich drehte mich um und sah ihr ins Gesicht. Natürlich wagte ich es nicht in ihre Augen zu blicken, ich wusste sowieso was mich erwarten würde. Ich hatte mir abgewöhnt, den Menschen in die Augen zu schauen. Man sah fast immer die gleichen Emotionen. In der Schule bildete es eine Kette aus Mitleid, Ungewissheit und Distanz. SIe wussten alle nicht, wie sie mit mir umgehen sollten und ließen mich einfach in Ruhe, seit dem ich abgeblockt hatte. Nur Kylie und Steven hatten ihre echte Freundschaft bewiesen und verbrachten nach wie vor Zeit mit der unerträglichen Stephanie.
Ich schluckte und brachte die nächsten Worte nur mit Mühe heraus. "Kann ich helfen, beim Zubereiten?"
Sie fing an zu lächeln, die erste Andeutung eines richtigen Lächelns und ging in die Küche. "Ich habe Sachen für Salat gekauft und wir können sicher irgendeinen Auflauf zaubern, mit dem wir anfangen sollten."

Ich hatte vergessen, wie viel Spaß ich früher immer gehabt hatte, wenn wir zusammen kochten. Auch wenn es nicht so war wie früher, weil diese eine Sache auf uns beiden lastete, wie eine dunkle Wolke, war es kleine, winzige Andeutung von früher. Während der Auflauf im Backofen war, schnitten wir die Sachen für den Salat und Mum brachte die ganze Zeit irgendein Thema an den Start, damit keine Funkstille herrschte. Sie bemühte sich wirklich, aber für mich war das alles einfach zu früh. Zu oft verspürte ich den Drang, das nächste Fenster aufzureißen und tief Luft holen zu müssen, weil mein Brustkorb sich anfühlte, als würde er wieder mal zerquetscht werden. Aber ich bemühte mich dafür, diesen Drang jedes Mal so gut es ging runter zu schlucken und zu lächeln und ihr zu antworten, nicht so zu tun als wäre es zu früh, sondern als wäre ich auf dem Weg zu Besserung.
Aber was, wenn es für mich immer nur noch dieses "zu früh" geben würde? Wenn ich gar nicht auf den Weg den Besserung kommen würde, sondern fest saß? Denn, ganz ehrlich, ich fühlte mich nicht wirklich so, als könnte ich noch einmal repariert werden. Ich war eine Glasvase, die auf harte, steinige Fliesen geknallt war und in tausend, winzige, spitze, scharfe Glassplitter zersprungen war. Es war unwahrscheinlich, dass ich jemals wieder komplett zusammengefügt und geklebt werden könnte und es war sehr wahrscheinlich, dass man sich an mir schnitt, wenn man mir zu nahe kam. Vielleich sollte ich mir ein Schild anfertigen, auf dem ich darum bat, sich von mir fernzuhalten...

Alles was ich wollte.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt