Vor einer Woche hatte die Schule wieder begonnen, auch wenn ich Mum angefleht hatte, mich zuhause zu lassen, hatte sie darauf bestanden, dass ich sofort wieder dahin gehe. Wie ich es nicht anders erwartet hatte, hatten mich die meisten Schüler angestarrt, weil sie genau wussten, was passiert war. Solche Sachen verbreiteten sich immerhin, wie ein Feuer. Alle wussten, dass Jase im Krankenhaus lag, immer wenn ich dorthin kam, entgingen mir nicht die neuen Genesungskarten oder Blumensträuße, und alle wussten, dass sie mich in Ruhe lassen wollten.
Und jetzt stand ich wieder hier im Gang, wartete vor Kylies Spind auf sie und ignorierte die Blicke.
"Hey Schätzchen, wie gehts?"
Ich sah auf und sah Kylies Lächeln. "Hervorragend und dir?"
Sie fing an zu schmunzeln, weil sie den Sarkasmus eindeutig gehört hatte. "Nicht gut geschlafen?" Ich schüttelte den Kopf und sah ihr dabei zu, wie sie ihre Tasche für die nächsten Stunden packte. "Ich auch nicht. Die Gedanken kreisen ständig umher und behandeln einen wie eine Zielscheibe beim Dart."
Ich wusste wovon sie sprach. Ihr Dad war vor fast einem Jahr gestorben und sie musste bei ihrer Stiefmutter leben. Natürlich hatte sie den Tod noch immer nicht überwunden, aber ironischerweise, machte sie das zu der Bezugsperson für mich, auch wenn ich mit ihr trotzdem nicht darüber sprach.
"Bereit?"
Ich sah sie genervt an. "Wieso fragt ihr mich das heute ständig?"
Sie grinste schief. "Steve?" Ich nickte und sie lachte.Wir gingen in unseren Klassenraum, wo unsere Deutschlehrerin bereits an ihrem Pult saß und ließen uns auf unsere Plätze sinken. Am Anfang des Schuljahres, waren wir sofort getrennt worden, weil wir nur am Reden waren und ich war ganz hinten gelandet, neben einem Jungen von dem ich seit zwei Monaten nichts mehr gehört hatte. Ich sah auf den leeren Platz neben mir und spürte die Enge in meiner Kehle. Schnell sah ich weg, bevor die Tränen dieses Mal wirklich überliefen und sah wie meine beste Freundin mich besorgt musterte. Ich versuchte zu lächeln und vertiefte mich in meine Unterrichtssachen, während ich den einzigen freien Platz in der Klasse versuchts zu ignorieren.
Miss Flower fing mit dem Unterricht an und ganz "interessiert" starrte ich an die Tafel die sie voll kritzelte, während ich kein einziges Wort mitbekam. Als es an der Tür klopfte, sah sie auf die Tür und zog die Augenbrauen zusammen. Ich hatte sie eigentlich noch nie wirklich verärgert gesehen, aber jetzt wirkte sie tatsächlich so. Die Tür ging auf und ein Junge, den ich vorher noch nie gesehen hatte, trat etwas nervös wirkend in den Raum. Er sprach mit Miss Flower leise, so dass nicht mal die erste Reihe etwas hätte hören können, zeigte ihr einen Zettel und sie ließ ihren Blick durch die Klasse schweifen, bis er bei mir hängen blieb. Man konnte sehen, wie sie selbst mit sich rang, aber schließlich etwas zu ihm sagte und er ebenfalls zu mir sah. Er nickte ihr zu und maschierte auf mich zu. Nein, nicht auf mich, auf den leeren Platz neben mir. Ich weiß nicht, was es war, was mich ergriff, Panik? Angst? Wut? Jedenfalls wollte ich nicht, das jemand neben mir saß. Doch er lächelte mich immer noch nervös wirkend an und ließ sich auf den Stuhl neben mir nieder. Ich fühlte mich wie ein Raubtier, was sein Territorium bedroht fühlte, ich beobachtete jede seiner Handlungen aus den Augenwinkeln.
Ich hatte angenommen, dass er anfangen würde zu reden. Irgendwelche Sachen, nur um einfach zu reden und nicht dem Unterricht folgen zu müssen, doch er fing an die Sachen von der Tafel mitzuschreiben und blieb still. Da ich weiterhin keine Gefahr mehr witterte, stützte ich meinen Kopf in meiner Hand ab und sah schläfrig wieder an die Tafel.
"So und jetzt soll jeder von euch einen Zettel herausnehmen und darauf schreibt ihr euren Namen und was euer größter Wunsch ist."
Ungläubig sah ich die Lehrerin an und konnte nicht glauben, dass sie so etwas von uns verlangte. Was hatte das für einen Sinn, wenn jeder seinen Wunsch auf ein Blatt Papier schrieb und es ihr gab? Doch anstatt sich zu wehren, kramten alle in ihren Taschen und fingen an irgendetwas auf ihre Blätter zu schreiben. Klar, sie mussten dann immerhin nicht irgendetwas lernen. Mein Blick gllitt durch die Klasse, wirklich jeder schrieb eifrig auf die Blätter, sogar der Junge neben mir kritzelte etwas auf.
Ich starrte wieder an die Tafel und ging die Frage immer wieder in meinem Kopf durch. Was ist mein größter Wunsch? Was ist überhaupt ein Wunsch von mir? Was waren überhaupt Wünsche?
"Gut, dann könnt ihr jetzt zusammen packen." Und schon klingelte es. Ich starrte auf mein Blatt, griff nach dem Stift und schrieb zwei Wörte auf. Stepahnie Clarke.
Danach packte ich meine Sachen zusammen, während schon fast alle draußen waren, ging nach vorne und gab mein Blatt ab. Ich wandte mich zur Tür, als ich die Stimme der Lehrerin wieder hörte. Sie war gerade noch mit dem Jungen am Reden gewesen, doch er ging langsam in Richtung Tür und starrte auf einen Zettel. Miss Flowers wedelte mit meinem Blatt. "Stephanie hier steht doch gar nichts drauf."
"Ich weiß. Sie haben gesagt, wir sollen unsere Wünsche aufschreiben."
Sie beobachtete mich lange und starrte dann wieder auf mein weißes Blatt, als sie langsam anfing zu nicken. "Würdest du vielleicht Conor in der Schule herumführen? Ich glaube er ist noch etwas verloren."
Ich sah sie leicht genervt an, in der Hoffnung, dass sie ihre Meinung ändern, ihre Frage zurück ziehen, würde. Aber nichts geschah. "Meinen Sie das ernst? Während der Schule?"
Sie zog eine Augenbraue hoch. Normalerweise sprach ich mit Lehrern auch nicht so, aber normal war bei mir sowieso nicht mehr Standard. "Ich verstehe ja, was du durchmachst, aber genauso gut weiß ich auch, dass du jetzt eine Freistunde hast, Stephanie." Sie kam auf mich zu und blieb vor mir stehen, während sie kurz zu dem Jungen alias Conor, sah. "Du verstehst sicherlich auch, was für ein Horror das für dich war, als du mal auf diese Schule kamst und keinerlei Orientierung hattest. Du wärst sicher froh um Hilfe gewesen. Also sei so lieb und helfe ihm, die Räume zu finden." Ich wollte etwas einwenden, aber sie sah mich warnend an. "Keine Diskussion. Tu es einfach." Sie rauschte an mir vorbei und bevor sie den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal um, aber dieses Mal zu Conor. "Achja, ich gebe deinem Lehrer Bescheid, dass du erst ab Morgen da bist."
Und schon war sie verschwunden. Ließ mich allein, in diesem Raum, mit Conor. Langsam drehte er sich zu mir um und lächelte mich unsicher an, wodurch ich wieder mein Territorium vor mir sah und die Augen zusammen kniff.
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Alles was ich wollte.
Teen FictionManchmal ist das Leben wie ein kleines Kind, es spielt einem Streiche. Manchmal merkt man früh genug, dass man dabei ist in eine Falle zu laufen und manchmal eben nicht. Man läuft mitten rein und alles was übrig bleibt, sind tiefe Wunde, die nie meh...