Chapter 9

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Ich versuchte mich abzureagieren und ließ meinen Kopf einfach wieder auf meinen Arm sinken, während ich die Augen schloss. Doch dadurch konnte ich ihrem Gespräch trotzdem nicht entgehen...was ich eigentlich auch gar nicht wirklich wollte.

„Und wie gefällt es dir hier auf der Schule?" fragte Kylie, der die Neugier in der Stimme stand.

„Bisher kann ich nur sagen, dass diese Schule hier zwar um Einiges kleiner ist, als meine alte, aber trotzdem irgendwie komplizierter. Ich hab heute Morgen total lange gebraucht, um meinen Raum zu finden." Ich erinnerte mich wieder daran, wie er zu spät in Deutsch kam und wie unangenehm es wohl für einen neuen Schüler sein musste, direkt in eine volle Klasse zu spät zu kommen.

„Das wird mit Sicherheit noch öfter passieren. Wir können dir auch gerne die Schule zeigen, dann fällt es dir vielleicht leichter, dich zurecht zu finden."

Ich hörte ein leises Lachen, was entweder von Steven oder Conor kam. „Oh, dass hat Stephanie heute Morgen schon gemacht."

Den Blick, den Kylie mir zuwarf, konnte ich förmlich in meinem Nacken spüren. „Das hat sie gar nicht erwähnt!" Und das war eindeutig an mich gewandt, noch ein Grund so zu tun, als sei ich am Schlafen.

„Naja, sie wurde auch mehr oder weniger dazu gezwungen es zu tun...also nichts Großartiges."

„Ich hoffe, sie hat dir alles gezeigt, in solchen Dingen ist sie eigentlich richtig gut, nicht wahr Steve?"

Na super. Mussten sie mich daran erinnern? „Oh ja, sie hat mir letztes Jahr die komplette Schule gezeigt, sie hat sogar Winkel gezeigt, wo man sich vor Lehrer verstecken kann. Oh und diesen einen Raum, wo diese Freizeitaktivitäten drin sind, also Sachen wie eine Kletterwand, ein großes Mensch-ärger-dich-nicht-Spiel, lauter Kartenspiele, ein Bälleschwimmbecken oder wie das heißt, lauter solche Sachen eben."

„Wirklich?" Conor hörte sich mehr als ungläubig an, was ihm nicht zu verübeln war...immerhin hatte er nicht so eine tolle Tour gehabt.Oh, wie nett ich doch war...

„Ja. Ich weiß nur nicht mehr wo der Raum war."

Ich atmete tief durch und setzte mich auf, während ich Steven aus zusammen gekniffenen Augen ansah. „Er ist bei den Computerräumen, direkt nebenan."

„Stimmt. Ich war irgendwie bei Redaktion. Aber da müssen wir mal hingehen. Das Mensch-ärger-dich-nicht-Spiel macht richtig Spaß. Ernsthaft!"

Kylie nickte zustimmend. „Jaaa, das haben wir schon ewig nicht mehr gespielt."

Ich spürte schon, wie ich mich verkrampfte und versuchte den Faden bei dem Gespräch zu verlieren, aber natürlich war das unmöglich.

„Ja, das letzte Mal, hatte Steph ausversehen ein Männchen quer durch den Raum geschossen, weil Eric sie zum vierten Mal raus geschmissen...äh...Mist."

Stevens Blick schoss plötzlich zu mir und ich merkte, wie Kylie sich am Verkrampfen war, während die Erinnerung bei mir hochkam. Ich starrte auf die Tischplatte vor mir. Auf das unangerührte Essen und spürte, wie meine Finger anfingen taub zu werden. Das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, nahm zu. Und jetzt hatte ich einen Wunsch. Den Wunsch einfach hier raus zu wollen. „Ich...ich muss...auf die Toilette. Bis später." Ich packte mein Tablett, nahm meine Tasche und stand auf. Ich hörte, wie Kylie hinter mir herwollte, aber Steven sie aufhielt. Zum Glück.

Das Tablett stellte ich in den dafür vorgesehenen Wagen und verließ die Mensa. Ja, ich wusste, warum wir so lange nicht mehr in dem Raum gewesen waren. Wegen allem, was seitdem passiert war. Wegen der Tatsache, dass man mit mir nichts mehr anfangen konnte. Wegen den Erinnerungen, die sich überall festgehangen hatten. Wegen der Stimmung, die seit dem auf uns allen lastete.

Ich ging nach draußen, in die Kälte und ließ mich auf irgendeine Bank sinken. Da so gut wie alle beim Essen waren, war ich wenigstens hier vor lauter neugierigen Blicken geschützt. Natürlich konnte ich nicht von meinen Freunden verlangen, dass sie unsere komplette, gemeinsame Vergangenheit auslöschten, zumindest die, wo er in unser Leben getreten war. Genauso wenig konnte ich verlangen, dass sie sich in Acht nahmen, was sie sagten.

Als es klingelte, ging ich langsam in Richtung Klasse, in die gerade alle am Strömen waren, weswegen ich weder mit Kylie noch mit Steven reden konnte. Ich hätte sowieso nicht gewusst, was ich sagen sollte.

Die nächsten Stunden fühlten sich so schon wie Folter an. Die Zeit verging so langsam, dass ich manchmal das Gefühl hatte, die Uhren wären kaputt. Als es endlich zum letzten Mal klingelte, atmete ich erleichtert auf und packte meine Sachen.

Jetzt nur noch zwei Stunden die Versammlung in der Turnhalle und dann konnte ich nach Hause. Jippi!

Alles was ich wollte.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt