Feuer und Eis

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Ein neuer Tag brach an. Ich hiefte mich aus meinem Bett (insofern man es eines nennen konnte) und lief in unseren Stall, um die Kühe zu füttern und zu melken. Als ich fertig war, ging ich zum Frühstück. Es gab trockenes Brot und etwas Butter. Schon wieder. Aber es war Winter, und ich durfte jetzt nicht wählerisch sein. Ich räumte schnell den Tisch ab und lief zum Stall. Ich mistete ihn aus, was wieer ein furchtbar anstrengende Arbeit war. Als ich eine kurze Pause machte, hörte ich meine Eltern flüstern.

'Sie müssten bald kommen.' 'Mirja, nun mach dir keine Sorgen. Es wird schon werden, sie werden uns doch nicht töten.' 'Hast du die nicht Erzählungen gehört? Waslow und seine Frau haben sie umgebracht, dabei haben sie doch nur nach etwas Essen gefragt!'

Stille. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie mir der Angstschweiß ausbrach, doch jetzt zitterte ich. Ich wusste, worüber meine Eltern geredet hatten. Die Deutschen sind in unser Land eingedrungen, sie morden und wenn ein Deutscher stirbt, werden für ihn hunderte Gefangene umgebracht.
Sie nehmen mit, was nicht niet- und nagelfest ist und brennen Häuser ohne jeglichen Verstand nieder. Und die sollten jetzt in unserer Nähe sein?

Ich versuchte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, was nicht wirklich klappte. Als ich Abends ins Bett ging, konnte ich nicht einschlafen. Mitten in der Nacht hörte ich ein Geräusche. Ein Gewitter konnte es nicht sein, die Donnergeräusche waren nie so laut. Mich beschlich ein schrecklicher Verdacht. Ich zog mir eine warme, gefütterte Jacke über, feste Schuhe. Wenn es die Deutschen sind, so meine Logik, könnte ich fliehen und mich verstecken.

Ich schlich hinaus und obwohl es kalt war, fror ich nicht. Mein Herz pochte und mein Körper zitterte vor Angst. Ich hörte ein lautes ,,Wumm" und sah ca. 10 km entfernt ein helles Licht. Als es etwas dunkler wurde, konnte ich erkennnen, was es war.

Der Hof meiner Freundin Alnia stand komplett in Flammen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht das Weinen anzufangen. Hoffentlich waren sie und ihre Familie dort rechtzeitig herausgekommen! Aber wie war das Feuer ausgebrochen? Das Wummen, das Feuer... alle Puzzleteile fügten sie in meinem Kopf zu einem grauenvollen Bild zusammen. Ich wollte nach meinen Eltern rufen, doch es war zu spät.

Ich spürte einen Luftzug hinter mir. Geistesgegenwärtig schmiss ich mich flach zu Bodem. Im selben Moment spürte ich eine Druckwelle über mir und hörte ein lautes Donnern. Holzstücke regneten auf mich herab und ich wagte nicht, meinen Kopf zu heben. Etwas später hielt ich es nichtehr aus und blickte auf. Zuerst war meine Sicht etwas verschwommen, doch ich konnte einen deutlichen Feuerschein sehen. Meine Sicht wurde klar, doch als ich das neue Bild erkannte, wäre ich lieber mein Leben lang blimd gewesen.

'Großer Gott, nein...', murmelte ich. Mühsam kam ich auf die Beine. Mein Zuhause brannte. Alles, was ich je gehabt hatte, von einer Sekunde auf die andere ausradiert. Ich blickte auf das, was davon übrig war. Meine Familie... meine Mutter, die mich abends, als ich klein war, in den Schlaf gesungen hatte. Mein Vater, der immer Witze gerissen hatte. Und meine kleine Schwester, die noch nicht einmal sechs war. Jetzt kamen die Tränen, sie liefen mir in Strömen dir Wangen hinunter. Gleichzeitig spürte ich Hass auf diese verdammten Deutschen. Sie hatten mir gerade alles genommen, ich wollte sie büßen lassen. Aber der Zeitpunkt war noch nicht da. Ich sah noch einmal auf die lodernden Flammen, dann drehte ich mich um und lief in den Wald. Ich schaute nicht zurück.

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Habe das Kapitel jetzt überarbeitet,  hoffe, es gefällt euch besser ;)

ON HOLD-Tränenkinder-ON HOLDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt