Ich wachte in Schweiß gebadet auf. Es war nur ein Traum, versuchte ich mir einzureden, aber ich beruhigte mich nicht. Immer wieder kam das Bild des Soldaten, meine Eltern. Zitternd setzte ich mich auf. Ich konnte nicht mehr schlafen, also ging ich hinaus. Es dämmerte bereits, außerdem lag Schnee. Jetzt konnte ich natürlich wieder kein Feuer machen, man würde den Rauch sofort sehen. Seufzend ging ich wieder rein. Mein Magen knurrte. Ich hatte seit vorgestern nichts mehr gegessen und wusste nicht, wo ich das herbekommen sollte. Es war ja Winter, pflanzen wuchsen nicht und der Apfel, den ich in der Hütte gefunden hatte, war braun und verschrumpelt. Wohl oder übel blieb mir nur eine Wahl: ich musste Tiere erlegen. Allein bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht (was vielleicht aber auch dran lag, dass ich schon lange nichts mehr zwischen die Zähne bekommen hatte). Obwohl... Es fiel mir erwas ein. Ich nahm eines der Messer, die ich im kleinen Schränkchen deponiert hatte und ging nach draußen. Dort kletterte ich einen Baum hinauf, das Messer zwischen den Zähnen. Oben schabte ich ein wenig Rinde ab (was ziemlich anstrengend war) und legte eine dünne, weiße Schicht frei. Als ich klein war, hatte mein Vater mir gezeigt, dass man das essen konnte. 'Wo Bäume sind, kannst du überleben. ', hatte er gelacht. Allein bei dem Gedanken an sein Lächeln schossen mir wieder Tränen in die Augen. Aber ich durfte umd wollte mich jetzt nicht ablenken lassen. Er war tot und Schluss. Energisch schüttelte ich meinen Kopf und machte mich daran, das weiße Zeug abzuziehen. Als ich genug beisammen hatte, um meine Jackentaschen zu füllen, kletterre ich wieder hinab. Ich hatte nicht gemerkt, dass Nebel aufgezogen war. Die kleine Hütte konnte ich fast nicht erkennen. Ich lächelte. Jetzt konnte ich mein Feuer machen und die weiße Unterrinde kochen. Mit zwei Feuersteinen, die ich für alle Fälle im Haus liegen hatte, machte ich ein Feuer und stellte einen Topf auf die Flammen. Ich füllte Schnee und die Unterrinde hinein und ließ es etwas köcheln. Etwas später nahm ich den Behälter vom Feuer. Hier in der Hütte wurde es schön warm und die warmen Rindestreifen waren genießbar. Als ich gegessen hatte, setzte ich mich vor das Feuer. Es tat gut, mal nichts zu tun, an nichts schlimmes zu denken. Beinahe war es wieder so, als würde meine Familie noch am Leben sein. Ich vertrödelte den Tag, starrte stundenlang ins Licht um mich abzulenken. Die nächsten Tage war es ähnlich. Ab und an schabte ich Rinde ab, einmal kochte ich mir sogar Tee (aus Tannennadel und Schnee, beides im Überfluss vorhanden). Jede Nacht suchte mich der Soldat auf, mal mit Maschinengewehr, mal Messer. Und immer dieses verrückte Grinsen. Aber alles in allem mzsste ich nicht leiden. Bis die Deutschen mein Versteck fanden. Ich hörte sie kommen. Schnell steckte ich mir zwei Messer, ein kleiner Kochtopf, einen Becher und die Feuersteine ein (ich hatte große Taschen), dann lief ich nach draußen. Schnell, auf einen Baum!, dachte ich und kletterte den hoch, der oben am dichtesten war. Keine Sekunde zu früh. Kaum war ich oben, sah ich, wie sie kamen. Mit Panzern, Wägen, Pferden. Ein Soldat sagte etwas auf Deutsch und ging mit seinem Gewehr in die Hütte. Kurz darauf kam er mit meinem riesigen Topf heraus und lachte. Am liebsten würde ich jetzt eines meiner Messer hinunter werfen, direkt in seinen Schädel. Ich hoffte, die Deutschen würden einfach weiterziehen und die Hütte in Ruhe lassen. Doch ich hatte mich getäuscht. Ein Mann stieg aus einem Wagen und ließ sich von einem Soldaten eine Fackel geben, die er an das Haus hielt. Trotz dem Schnees auf dem Dach brannte es lichterloh und mir stiegen wieder Tränen in die Augen. Diese scheiß Deutschen hatte meine einzige Zufluchtsstätte zerstört, alles, was ich noch besaß. Durch die Tränen sah ich gerade noch, wie der Mann, der die Hütte angezündet hatte, in seinen Wagen stieg und der Tross sich weiterbewegte. Ich wartete noch kurz, dann stieg ich den Baum hinab. Das Häuschen brannte nun vollkommen und und die Hitze haute mich beinahe um. Ich stand vor meinem eigenen, jetzt brennenden neuen Leben. Ich stolperte vorwärts, ich musste mir ein neues Versteck suche. Es war bereits Abend, als ich endlich etwas ausreichendes fand: ein Gebüsch. Es war dicht und war gleichzeitig innen etwas nach außen gebogen. Dort könnte ich mich hinlegen. Ich sah ein winziges Loch, perfekt getarnt. Dort schlüpfte ich hindurch und ließ mich nieder. Im Gestrüpp hatte sich Wärme angesammelt, in Kombination mit meiner dicken Jacke war mir gemütlich zumute. Schließlich legte ich mich hin und schlief ein. Dieses eine Mal blieb ich von Alpträumen verschont.
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ON HOLD-Tränenkinder-ON HOLD
Historical FictionEr sah mich an und ich starrte zurück. Dann rappelte ich mich auf und lief tiefer in den Wald hinein, den Schmerz in meinem Bein ignorierend. ------------------------ -Dezember 1941- Lisa lebt mit ihrer Familie auf einem kleinen Bauernhof. Sie führe...