Epilog

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Epilog

„Oma, was ist das eigentlich für ein Bild auf deinem Kamin?", fragt Lissi, ihre wundervolle Enkelin. Ja, Mia hatte Kinder und Enkel bekommen, die sie allesamt so sehr liebte, wie sie nie erwartet hätte, jemanden zu lieben. Lissi ist die bisher Jüngste, doch ein weiterer Enkel ist unterwegs. Mia betrachtet das Bild eingehend, bevor sie das antwortet, was sie auch Lissis sieben vorherigen Fragestellern geantwortet hatte: „Das, kleine Lissi, das ist Sam. Ich war sehr gut befreundet mit ihm, wirklich sehr gut...", Mia schwelgt in Erinnerungen, oh, sie wusste noch genau, wie sehr sie geweint hatte, wie sie sich gefühlt hatte, als Sam die Klippe hinab gestürzt war.

Sie hatte Elliot geküsst, eine Explosion aus tausend Farben in ihrem Bauch gespürt, war nicht fähig gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen, ihr gesamter Körper hatte sich mit einer Art Stolz erfüllt, als Elliot sie zurück geküsst hatte. Sie war knallrot angelaufen, als sie sich voneinander lösten. Nach ein paar Minuten war ihnen beiden aufgefallen, dass Sam sich nicht mehr auf dem Halbmond der Klippe befunden hatte und sie hatten begonnen ihn zu suchen. Elliot hatte ihn gefunden, sie sanft bei der Hand genommen und zu ihm gebracht.

Nächtelang hatte Mia wachgelegen, sich Vorwürfe gemacht. Sie war schuld an seinem Tod. Wenn sie nicht diese Reise angetreten wären... Wenn sie Elliot nicht geküsst hätte... Wenn sie nur ein bisschen besser aufgepasst hätte...

Bis heute weiß sie nicht, ob er das absichtlich getan hatte oder ob es ein Unfall gewesen war. „Das Bild ist das erste und Einzige, das von diesem wunderbaren Menschen existiert. Es hat eine miserable Qualität, schließlich ist der Moment, als es geschossen wurde, schon mehr als ein halbes Jahrhundert entfernt und selbst damals war die Kamera, die wir benutzt haben schon uralt", Mia lacht, sie muss daran denken, wie Sam reagiert hatte, nachdem er das Bild gesehen hatte. Er hatte sich ja so geschämt, aber nun verwahrt sie es gut, dort wo es jetzt steht, ist es gut aufgehoben, wirklich sehr gut...

Mia erinnert sich auch noch an Firu, den Sam so sehr geliebt hatte... Azel war im selben Jahr verstorben, der kleine Azel hatte es anscheinend nicht ohne seinen Kumpan ausgehalten. Caldo folgte erst viele Jahre darauf. Sie jedoch hatte einen Sohn hinterlassen, einen wunderschönen schwarz-weißen Hengst, der seinem Vater Firu zum verwechseln ähnlich sah. Aber auch Matrix starb, er wurde sehr alt, wirklich sehr, sehr alt...

Elliot war noch fünf Monate mit ihr zusammen gewesen, hatte sie durch die Trauer geführt und unterstützt, doch nach dieser Zeit verließ er sie, hatte sich in ein anderes Mädchen verliebt, Mia war ihm nicht mehr interessant genug. Sie hatte die Ausbildung zur Vermittlerin zwischen beiden Welten abgeschlossen, war dann aber weitergezogen, zwar in der modernen Welt geblieben, aber in eine andere Stadt gezogen. Caldo war immer an ihrer Seite geblieben, auch als sie sich neu verliebte und ihr erstes Kind gebar, eine Tochter, die sie nach ihrer Mutter Pernilla benannte. Ihren ersten Sohn nannte sie Collin, wie ihr Vater hieß und ihren zweiten Sohn Sam. Sie heiratete den Vater ihrer Kinder und gebar noch zwei weitere; Lynn und ihren jüngsten Sohn, den sie Firu nannte. Sie brachte ihren Kindern alles bei, was sie aus beiden Welten wusste und Jares, ihr Mann, steuerte den Rest bei. Er war ein normaler Mensch gewesen, ohne besondere Augenfarbe oder einer Trainingshalle, in der besondere Kleidung getragen werden musste, doch genau das faszinierte sie

an ihm. Bis heute rätselt sie darüber, wie er so lange ohne sie hatte überleben können, ohne ihre Fähigkeiten, ohne ihr Wissen. Doch das tat er, er ging jeden Morgen zur Arbeit, akzeptierte, dass sie fünf Kinder wollte obwohl das in seiner Welt nicht so üblich war und drückte ihr immer wenn er wieder von der Arbeit kam einen sanften Kuss auf den Mund.

Jares war gestorben, kurz nachdem das erste Enkelchen zur Welt gekommen war, Mia ist sich sicher, seine Seele schlummert in ihm.

Einmal im Jahr machte sie sich auf den Weg, um ihre beiden anderen Welten zu besuchen, zuerst die Welt, in der sie Elliot kennen gelernt hatte und in der Sam gestorben war, dann besuchte sie Firus Grabstätte und legte eine Triskele darauf nieder und dann, ja, dann ging sie weiter zu dem Rest ihrer Familie. Ihre Eltern empfingen sie jedes Jahr mit Freuden, erkannten jedoch auch, dass sie wieder zurück zu ihren Kindern musste. Mia sprach auch mit Ada und hatte ihr längst verziehen, dass sie sie angeschrien hatte und auch auf Lynn freute sie sich jedes Mal aufs Neue.

Bei ihrem ersten Besuch hatte sie auch die schreckliche Nachricht mit Sam überbracht, und der erste Gelehrte, jener der im Krankenzimmer versucht hatte, die Ursache ihrer Ohnmacht herauszufinden, hatte ihr endlich Sams Angst vor dem Wasser erklärt.

Inzwischen kann sie, in Frieden mit sich selbst, weiter ihrer kleinen Enkelin beim Spielen zusehen, die längst das Interesse an dem Bild verloren hatte, und in ihrem alten Schaukelstuhl hin und her wippen. So, wie sie es seit Jahren tat. Es war gut gewesen, so wie es war... Ja, es war gut.

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