Highlandboy

My fault- Cara's Sicht

Mit meiner rechten Hand umklammerte ich die kalte, silberne Türklinke. Ganz langsam und vorsichtig drückte ich sie hinunter. Mit einem Auge schaute ich hinein. Er lag da auf seinem Krankenbett. Leise schlich ich zu einem Stuhl und setzte mich darauf. Wieso habe ich das getan? Es ist meine Schuld. Mein Blick schwiff über seinen so leblosen Körper. Ich überschlug meine Beine und stützte mich mit meinem Rechten Arm auf einen kleinen Tisch. Im Hintergrund hörte ich nur das regelmäße, unangenehme Piepsen des Apparates und das pletschern des Tropfes. Ich starrte ihn an. Wie sein Brustkorb sich auf und ab bewegte.
"Es tut mir so unendlich leid, Iron." flüsterte ich. Eine Träne kullerte meine Wange hinunter. Beschämt über mich selber und mich in irgendeiner Art verstecken wollend, legte ich beide Hände auf mein Gesicht. Ich bin so ein Arschloch, aber was hätte ich machen sollen, wenn ein Mann...
Aufeinmal sah ich durch einen Spalt zwischen meinen Fingern, dass er seine Augen öffnete.
"Iron." Sagte ich erleichtert. Und rückte mit meinem Stuhl etwas näher. Ein kleines Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Verwirrt schaute er mich an. Ich schaute ebenfalls verwirrt zurück. Wieso guckte er so?
"Iron?" fragte ich ihn lächelnd.

"W...wer bist du?" stotterte er und schaute nun nur noch ängstlicher.
"Ich...ich bin's Cara." Hastig rutschte er von mir weg.
"K...kannst du...kannst du dich nicht errinern?" Mit einem ängstlich drein schauenden Blick schüttelte er den Kopf. Sein Charakter hatte sich verändert. Er war nun nicht mehr der Starke, sonder der Ängstliche, Schwache. Fassungslos schaute ich ihn an.
"Was ist hier los und wo bin ich?" rief er. Ich stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab.
"Du...du kannst dich also nicht an die Nacht im See errinern?" wollte ich wissen. Erneut schüttelte er den Kopf. Ich blieb stehen und rannte dann aus dem Zimmer zu der kleinen Empfangszentrale der Station. Erneut liefen mir Tränen die Wangen hinunter, die meine Sicht einschränkten.
"Dr. Males. Ich bin Cara Roth und mein Freund, er...er braucht ihre Hilfe. Schnell!", machte ich ihm klar und fing mich am Thresen ab. Verwirrung war in sein Gesicht geschrieben.
"Er...er kann...sich an nichts mehr erinnern." rief ich. Sein Blick verfinsterte sich und er öffnete einen Ordner.
"Zimmer?" Ich antwortete: "251"
Er kramte er in dem Ordner herrum und setzte seine Brille auf um sich die Akte genauer anzuschauen.
"Er hatte einen schweren Autounfall. Diesen hat er körperlich ganz gut verkraftet. Ein Arm ist gebrochen und er hat eine Gehirnerschütterung. Ich befürchte jedoch, die wahre Verletzung liegt in seinem Gedächtnis. Ich werde einen Psychologen zu ihnen kommen lassen. Ich nickte und drehte mich um. Einmal holte ich tief Luft, dann machte ich mich mit dem Blick auf den Boden gesenkt auf den Weg zurück in Raum 251. Sein Blick war sofort wieder auf mich gerichtet, als ich das Zimmer auch nur mit einem Fuß betrat. Er hatte die Bettdecke ganz hochgezogen und saß zusammengekauert auf dem Bett. Seine Augen waren geweitet.
"Hab keine Angst vor mir." bat ich ihn.
"Ich kenne dich nicht." gab er daraufhin von sich.
"Klar kennst du mich. Nur dein Gehirn schafft das alles nicht und du kannst dich nicht an mich errinern." flüsterte ich leise.
"Ich kann mich nicht an dich errinern. Wer bist du?" machte er mir erneut klar. Mit einem Atemstoß ließ ich mich auf einen Stuhl fallen.
Und das hier ist nur wegen mir passiert. Ich bin an allem Schuld. Wieso habe ich mich überhaupt darauf eingelassen mit ihm zu gehen? Wieso haben meine Eltern mir erlaubt mitzugehen, hierhin auf diese scheiß Klassenfahrt.
"Verdammter Mist." flüsterte ich und starrte auf den grauen Boden. Die Zimmertür öffnete sich.
"Frau Roth?" sagte ein Mann. Mit einem Brummen antwortete ich. Meine Augen hatten sich auf einen Punkt fixiert und ließen ihn nicht mehr los.
"Könnte ich kurz mit Ihnen reden? Draußen?" fragte er. Nickend stimmte ich zu. Dann erhob ich mich und folgte ihm. Leise fiel die Tür ins Schloss.
"Könnten Sie mir bitte etwas über das Verhältnis zwischen Ihnen und Iron erzählen." Daraufhin folgte unsere kleine gemeinsame Geschichte.
"Dann werde ich mal schauen." sagte er und ging wieder ins Zimmer. Ich folgte ihm leise und setzte mich wieder auf den kleinen Stuhl in der Ecke.
"Mister McKenzie. Was ist mit ihrem Vater und mit ihrer Mutter?" fragte der Psychologe.
"Dad ist zuhause und Mom ist einkaufen. Dad meinte, dass ich ihm gehorchen soll. Dann hat er mich bestraft. Jetzt bin ich hier.", erzählte er. Ich hielt mir meine Finger vor meinen Mund.
"Und wann ist ihre Mutter einkaufen gegangen?" fragte der Mann.
"Vor zwei Tagen." meinte Iron.
"Und kennen Sie die Frau dahinten? Haben Sie mit ihr schoneinmal etwas erlebt?" Iron schüttelte den Kopf. Der Psychologe schrieb etwas auf. Ich starrte auf Iron. Wieso kann er sich nicht errinern?
"Frau Roth? Anscheinend ist sein Gedächnis auf dem Stand seines Vierjährigen Ich's."
Meine Kinnlade klappte hinunter.
"Das einzige, wie sie versuchen könnten wäre an Orte zurück zu kehren die er kennt und liebt. Dies speichert das Gehirn dann als Positiv und so könnte es dann vielleicht wiederhergestellt werden. Das kann ich zur Behandlung hinzufügen, sodass das Gerichtsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeleitet wird." Ich nickte und mein Blick schwiff noch einmal auf den Jungen. Das hier war alles meine Schuld. Nur meine.
Als der Psychologe den Raum verlies machte ich ein paar Schritte auf Iron zu.
"Iron, ich bin's! Cara. Komm schon Iron! Errinere dich. Bitte!", sagte ich laut und umklammerte seinen Arm.
Das Gerät neben ihm fing immer schneller an zu pipsen. Iron zitterte und sah mich aggressiv an.
"Geh! Geh weg! Verschwinde!", brüllte er. Ich fuhr zusammen. Erst langsam dann schneller rannte ich durch die Flure der Klinik und raus auf die Straße. Regen klatschte auf meine Kleidung und ich kniete mich auf den Boden. Iron hatte alles vergessen. Er würde den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Wegen dem Mord an seinem wiederwertigen, übergriffigen, gewalltätigen Vater. Wegen mir.