Prolog

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<< Was denkst du?>>

<<Nicht geliebt, akzeptiert zu werden>>


<<Wieso denkst du sowas?>>

<<Ich weiß es nicht. Es passiert einfach>>


<<Was oder wer führt dich dazu, so etwas zu denken?>>

<<Meine Familie, die Menschen in meiner Umgebung>>

<<Falsch, du tust es selber. Du liebst und akzeptierst dich selber nicht. Es sorgt dafür, dass du es denkst, doch du täuschst dich, Mia. Du guckst durch eine dunkle, finstere Brille, die dir falsche Bilder zeigt und Tatsachen umdreht>>

<<Ich versteh nicht was du meinst?>>

<<Du musst dich selber bekämpfen, um zu siegen>>


Es waren ihre letzten Worte an mich, ehe sie aufstand. Sie drehte sich um, ihre Pech schwarzen Haare wehten im Wind wirr herum, sie schritt unterm Sternenhimmel durchs Garten Tor und verschwand in der Dunkelheit. Der Vollmond stand in seiner vollen Pracht am Himmel, die Sterne leuchteten heller als sonst und bildeten einen Schutzkreis um ihn.

Minuten lang sah ich meiner Tante hinter her, starrte in die unendliche Finsternis. Ihre Silhouette blitzte noch zwei dreimal im Licht auf, ehe es komplett dunkel blieb. Es war nicht das erste mal, dass sie mich verwirrt zurück ließ. Eigentlich tat sie es jedes mal. Es war ihre Art. Die Art, die die Menschen verschreckte, bis auf mich. Mich verwirrte und interessierte sie. Schon mit jungen Jahren fiel mir ihre Art, ihr Erscheinungsbild auf. Die Kälte, die sie ausstrahlte, ihre Augen, die ins Leere führten. Das Zögern wenn ich sie umarmte, wie sie erst nach 3 Sekunden ihre dürren Arme um mich schlang, ihr Herz welches flach und unregelmäßig pochte. Das schwere Schlucken, wenn sie durch die Wohnzimmertür schritt am alljährigen Familientreffen.

Wie sie sich auf den alten, zerfetzten braunen Sessel meines Urgroßvaters fallen ließ, der ausgegrenzt von den anderen Sofas und Sessel im hintersten Eck stand. Wie sie mit ausdruckloser Miene die herzlichen Begrüßungen der anderen Familienmitglieder verfolgte, ihr Erzittern wenn die anderen sich gegen seitig sagten, wie sehr sie sich vermisst hatten. Wie sie stumm die Fußball Gespräche zwischen meinem Vater, meinem Bruder und dem Bruder meiner Mum beobachtete, die typischen Frauen Gespräche zwischen meiner Mutter, meiner Schwester und der Schwester meines Vaters, also meiner anderen Tante kritisch begutachtete.

Einmal, ein einziges Mal im Jahr sah ich meine Tante. Am 13.1, am Familientreffen. Über das ganze Jahr hörte ich nichts von ihr, nichts an Weihnachten, Silvester und an einem der Geburtstage. Auf meine jährliche Geburtstagseinladung gab es auch keine positive Reaktion. Meine Eltern sagten mir immer, dass sie beruflich nicht könnte, aber meine andere Tante ja kommen würde. Ich nickte jedes mal verstehend und tat so als würde ich mich auf Tante Lydia freuen, doch das tat ich nicht. In beiden Fällen nicht. Ich glaubte nicht daran, dass meine Tante wegen ihrem Berufes nicht kommen könnte und erst Recht freute ich mich nicht darauf Tante Lydias Mode Gequatsche mit an hören zu müssen. Mit Mode konnte ich einfach nichts anfangen, im Gegensatz zu meiner Schwester. Sie träumte davon Model zu werden, während ich davon träumte, Menschen zu helfen. Deswegen waren sich Tante Lydia und meine Schwester auch ähnlicher und kamen besser mit einander aus, genauso wie mein Bruder und mein Vater.

Also musste ich jeden Geburtstag mit Tante Lydia aus kommen und mir Sachen zusammen Reimen, wieso sie nicht kam.

Von Jahr zu Jahr reimte ich weiter, stellte Theorien auf, wieso sie so war, wieso sie nicht kam. Mit jedem vergangenen Familientreffen bemerkte ich weitere Auffälligkeiten und merkte sie mir. Jedes Jahr ließ sie mich verwirrt auf der Hollywood Schaukel unter dem Sternenhimmel zurück. Auch dieses Jahr.

Ahnungslos was als nächstes passieren würde saß ich weiter auf der Schaukel, ging Haar genau ihre Worte durch und suchte nach einer passenden Bedeutung. Ging erst nach der dritten Aufforderung meines Dad ins Bett und schlief dann eingekuschelt in meiner Flauschige Decke mit dem Gedanken an das nächste Familientreffen, an unser nächstes Gespräch ein.

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