Kapitel 9

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Das von allen Schülern lang ersehnte Klingeln ertönte. Rasch sprangen alle meine Klassenkameraden auf, ignorierten gekonnt den Satz 'der Lehrer beendet den Unterricht' und verließen den Klassenraum, mit dem Ziel der Cafeteria vor Augen. Als letzte verließ ich den Raum, den Rucksack wie ein Sack auf der linken Schulter und mit den Händen in der Jackentasche vergraben. Auf dass 'Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag' reagierte mein Lehrer nicht, wischte gelangweilt die Tafel weiter als wäre ich nicht noch im Raum. Meine Schulter sanken, meine Armen hingen schlapp an meinen Seiten. Das sogar die Lehrer mich ignorierten konnte mein Bruder nicht geschafft haben. Da war spätestens der Beweis dafür. Sie waren schließlich die Pädagogen und könnten wenn meinem Bruder etwas vorschreiben, aber nicht anders herum. Das war einfach ein Grundliegender Fakt, der mir bestätigte das die Rede meines Bruders nichts bedeutete, so wie ich es von Anfang an dachte. Meine Tante musste falsch liegen. 

Meine Füße trugen mich automatisch in die Cafeteria, wieso weiß ich nicht. Normalerweise war ich die ganze Mittagspause immer alleine, bloß nicht unter Menschen, doch irgendwas regte sich in mir drinnen, übernahm Oberhand und befiel meinen Beinen dort hin zu gehen. Die Essenschlange reichte fast bis zur Tür, ich hatte Schwierigkeiten überhaupt ins Innere zu kommen. Als ich mich schließlich durch gekämpft hatte, sah ich mich erstmal um. Wann war ich dass letzte mal hier? Vor 2 Jahren vielleicht. Viel hatte sich seitdem nicht verändert, doch im Gegensatz zur der Cafeteria im Video schon. Die Wände strahlten in einem hellem grau, die Tische waren moderner und so wie ich es einschätzte das Essen auch, sonst würden sich die Schüler nicht so drängeln. 

Insgesamt hatte sich einiges geändert wenn man dies hier und das Video vergleichen würde, doch eine Tatsache ist gleich geblieben. Der Platz der Beliebten. Ich erhaschte eine Blick in die Ecke. Ein Déjà vu überkam mich. Es wirkte alles so wie im Video. Meine Schwester neben ihrer besten Freundin, mein Bruder neben Dean, der mittlerweile zweimal weiderholen musste und sich deswegen jetzt im gleichen Jahrgang wie mein Bruder befand. Plötzlich fühlte es sich so an, als wäre die Zeit zurück gedreht. Ich befand mich 4 ein halb Jahre zurück. Mein Bruder saß in gleicher Haltung dort, Dean führte die gleiche Geste durch. Mir wurde schwindelig. Es war zu viel, zu viel für mein Gehirn, meinen Körper. Mein Bruder stand auf, lief Richtung Raum Innere. Angst packte mich. 

Mein Bruder sah sich im Raum um, entdeckte mich wie ich verloren dort stand und ihn anstarrte. Er starrte unbeirrt zurück, seine Augen durch bohrten meine. Wieso sah er mich so an, so intensiv. Von hier sah ich wie er einmal tief durch atmete, und dann weiter lief, in Richtung Essenschlange. Die winzig kleine, aber dennoch bestehende Hoffnung die sich in mir aufgebaut hatte, das er vielleicht wieder eine Rede halten würde, dass vielleicht irgendwas an den Worten meiner Tante der Wahrheit entsprach, verschwand augenblicklich. Meine Schulter sanken noch weiter, meine Augen füllten sich mit Tränen, aus Wut auf mich selber. Wie konnte ich nur annähernd denken, er würde so etwas tun, er würde mich beschützen wollen. Vielleicht tat und wollte er es vor 4 ein halb Jahren, in der zeit wo wahrscheinlich jeder noch daran glaubte, aus mir würde noch irgendetwas werden, doch jetzt, jetzt wo er selbst der Star der Schule war, eine Schwester hatte, die genauso beliebt und erfolgreich war wie er, würde er nie auf die Idee kommen, seine nichts lose Schwester beschützen zu wollen. Wahrscheinlich starrte er mich auch nur so an, weil er sich fragte, wie ich mit ihm verwandt sein konnte. Es fragte sich wahrscheinlich jeder.


Mit quietschenden Reifen parkte mein Bruder das Auto geschickt in der Einfahrt. Schneller als je zuvor flüchtete ich aus dem Auto und verschwand blitz schnell im Haus. Es war auf irgend einer weise peinlich meinem Bruder unter die Augen zu treten. Wie konnte ich nur denken, er wolle das Ereignis wiederholen, das schon mal statt fand, was laut den Worten meiner Tante ein Teil meines Leben veränderte. Er wusste es zwar nicht, dass ich sowas dachte, wahrscheinlich würde er dann an seinem eigenen Lachen ersticken, und trotzdem wollte ich gerade nicht in seiner Nähe sein. Wohlmöglich würde ich noch in Tränen ausbrechen, so wie jetzt in meinem Zimmer. Mit Tränenverschleierter Sicht schnappte ich mir die Kamera meiner Tante und verließ zügig darauf bedacht keinem meiner Familie unter die Augen zu treten durch das Haus, in den Garten. Dort ließ ich mich auf die etwas feuchte Hollywood Schaukel nieder und drückte wie selbst verständlich auf den <On> Knopf der Kamera. Das Menü Bild erschien kurz, bis dann die Videos angezeigt wurden. 

Insgesamt 13 Videos, 11 verbleibende zum ansehen. Unsicherheit das nächste Video wirklich sehen zu wollen, starrte ich einen Moment auf das Display. Mit einem tiefen Seufzer, der meine Verzweiflung wieder gab, drückte ich auf das nächste Video mit dem Namen <<Überraschungsparty falsch interpretiert>>. Der Name allein häufte haufenweisen Fragen in mir auf, während ich das drehen des Ladezeichen verfolgte. Nach einer Minute Lade zeit erschien mir ein bekanntes Datum auf dem Bildschirm

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