Vor drei Monaten hat mich die Neuigkeit wie ein Sturz vom Himalaya getroffen: Ein Fall ins Ungewisse.
Nun zeigt sich schon eine deutliche Wölbung, wo mein Bauch einmal flach gewesen ist.
Die Reaktion von allen: Unglaube. Fassungslosigkeit. Ein Vampir - schwanger? Das ist doch nicht möglich!
Ich habe meiner neuen Familie von meinem Traum erzählt, dem ich bisher nicht viel Bedeutung zugemessen habe. Eine Ausuferung meiner Fantasie.
Nik war hin und her gerissen zwischen Rache und etwas anderem - Dankbarkeit? Glück? Sollte er die Hexen, die mir das angetan haben, langsam und qualvoll umbringen oder sich über sein ungeborenes Kind freuen? Letztendlich hat ein Gedanke überwogen: Er würde Vater werden!
Rebekah war völlig aus dem Häuschen und wollte mich am Tag darauf zum Kindermöbelshoppen mitschleppen. Elijah hat dieses Vorhaben glücklicherweise verhindert, indem er seine Schwester auf die alten Babysachen im Keller aufmerksam gemacht hat.
Im Klavierzimmer sitze ich in einem Schaukelstuhl. Bis vor wenigen Minuten habe ich mich noch im Atelier mit Farben vollgekleckst, doch Nik ist gekommen und hat mich hierher verwiesen. Er ist noch überfürsorglicher als normalerweise.
Es klopft an der Tür. "Herein", sage ich. Alle haben sich seit der Bekanntmachung der Neuigkeit verändert. Finn klopft neuerdings beim Betreten eines Zimmers an, wohingegen mir Kol jedoch weitaus mehr Sorgen bereitet: Er geht auf Zoeys Flirtereien ein. Seit mehreren Wochen habe ich ihn kein anderes Mädchen mehr küssen gesehen.
Die Klinke wird hinuntergedrückt. Zoey kommt hereingeflattert, gefolgt von Finn. Sie wirft stürmisch ihre Arme um mich, wie jedes Mal, wenn sie mich in letzter Zeit sieht. Als wäre sie überglücklich, dass ich noch am Leben wäre. Oder entgegen allen Vampirgesetzen immer noch schwanger. Oder sie freut sich über beides.
"Hallihallo, werdene Mutter. Geht es dir gut?"
Ich verdrehe die Augen. "Hör auf, mich so zu nennen, sonst setzt die Panik, die wir bei Niklaus vermutet haben, doch noch ein."
"Kann ich dir etwas bringen, Chloe?", erkundigt sich Finn steif. Ich mache eine wegwerfende Handbewegung. "Ich brauche nichts. Und wenn, würde ich es mir selber holen." Ich schaue ihn auffordernd an. Er versteht den Wink und verschwindet.
Zoey setzt sich mir gegenüber aufs Sofa und kramt in ihrer Tasche. "Ich habe alles dabei. Kaum zu fassen, dass es dem berüchtigten Haus der Mikaelsons an so etwas einfachem wie Briefpapier mangelt." Nacheinander bringt sie einen Bogen Papier, eine Feder und ein Tintenglas zum Vorschein und stellt es vor mich auf den Tisch. "Willst du schreiben oder soll -"
"Himmelherrgott, warum denken alle, dass ich nach drei Monaten Schwangerschaft plötzlich völlig hilflos bin?", unterbreche ich sie. Aufgebracht nehme ich die Feder vom Tisch. "Herzlichen Dank, aber ich bin in der Lage, selbst einen Brief zu schreiben."
Das Brett, das neben dem Stuhl steht, wandert als Unterlage auf meinen Schoß. Ich tunke die Feder in das Fass und verweile über dem Papier.
"Fang doch an mit Lieber Damon", schlägt Zoey vor.
Ich nicke. Lieber Damon, ich muss dir eine Nachricht mitteilen. Ich runzle die Stirn und streiche die letzte Zeile wieder durch.
Zoey tauscht den angefangenen Brief durch ein neues Blatt aus. "Lieber Damon, ich habe dir etwas mitzuteilen. Du kannst dich auch nach seinem Befinden erkundigen, aber weder du noch er schätzt solche Spielereien."
Lieber Damon, ich habe dir etwas mitzuteilen. Das letzte Mal, seit wir uns gesehen haben, ist fünf Monate her. Ich vermisse dich.
Ich drehe das Papier zu meiner Freundin herum. Sie überfliegt es und gibt mir das Daumen-hoch-Zeichen.
Viel ist passiert. Es würde mich freuen, wenn du uns in New Orleans besuchen würdest.
"Schreib lieber wenn du mich in New Orleans besuchen würdest", rät sie, nachdem sie auch diese Zeile gelesen hat. "Du weißt, wie wenig er Klaus und Elijah ausstehen kann."
"Gut." Wieder kommt ein neues Blatt Papier, auf das ich den vorigen Text mit Ausnahme der kleinen Verbesserung kopiere. "Da ich aber weiß, dass die Chancen dafür sehr gering stehen, sage ich es dir vorab."
Zoey nickt. "Ja, schreib das."
Ich überlege kurz, bevor ich die Feder wieder ansetze. Am einfachsten wäre es, ihm einfach mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich bin schwanger, Damon. Das Wie erkläre ich dir, sobald du hier bist. Ich würde mich freuen, wenn mein Bruder mir hierbei zur Seite stände.
Ich kaue auf meiner Unterlippe. "Damon wird nicht kommen, oder?", murmle ich.
Zoey sieht mich erstaunt an. "Warum sollte er seine Nichte nicht kennenlernen wollen?"
"Er denkt, dass ich mich nicht genug ins Zeug lege, um Stefan aus Niks Gewalt zu befreien, dabei habe ich ihn oft genug angefleht." Jedes Mal, wenn ich das tue, wird Niklaus wütend und wir streiten. Deswegen habe ich irgendwann aufgehört, ihn erweichen zu wollen.
Seufzend schreibe ich den Brief weiter. Mein Kind wird eine Familie brauchen. Du bist sein Onkel, ob du es nun willst oder nicht.
Ich war bei einer Hexe. Nik und ich bekommen eine Tochter! Wir haben sogar schon einen Namen für sie: Freya.
Den Namen hat Nik vorgeschlagen. Ich fand ihn so schön, dass ich ihm meine Liste erst gar nicht mehr gezeigt habe. "Es ist der Name einer Schwester, die sowohl Niklaus als auch ich schon vor unserer Geburt verloren haben", erklärte mir Elijah. Dass der Vater meines Kindes so sentimental sein konnte, gefiel mir auf irgendeine Art und Weise.
Bitte melde dich zurück; ich erhoffe dein Kommen. In Liebe, Chloe.
Den fertigen Brief reiche ich Zoey, die ihn einmal durchliest und dann nickt. "Perfekt. Wenn dieser perfide Sturkopf dich nach diesem Brief immer noch ignoriert, dann werde ich ihn höchstpersönlich aufsuchen und an seinem Ohrläppchen hierher schleifen."
"Wen? Damon?"
Nik ist in den Raum gekommen, in seinen Händen eine dampfende Tasse. Dankend nehme ich sie entgegen und nippe daran. Ich liebe dieses Gemisch aus gerösteten Kaffeebohnen und Blut.
"Ja, Damon." Zoey streicht sich eine Strähne hinters Ohr und rümpft die Nase. "Tut mir leid, Nik, aber du stinkst."
Auch ich bemerke nun die wortwörtlich atemberaubende Welle von Rauch, die sich zusammen mit Nik im Raum breit gemacht hat.
"Kol und ich verbrennen die Babysache, die wir nicht brauchen", erklärt er.
"Verbrennen?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Es könnte doch sein, dass irgendwann noch ein Mikaelson-Baby auf dem Weg ist."
Nik beäugt mich misstrauisch. "Du hast doch hoffentlich nicht vor, diesen Hexen demnächst einen erneuten Besuch abzustatten? Ich denke doch, dass ein Kind reicht, Liebes." Er stellt sich hinter mich und beginnt, sanft meinen Nacken zu massieren.
Genüsslich schließe ich die Augen. "Warum eigentlich nicht? Wenn ich bei jeder Schwangerschaft eine solche Massage bekomme, bin ich ganz zufrieden."
Nik gibt mir einen Kuss auf den Scheitel und massiert mich stumm weiter. Da hat man es mal wieder: Niemand nimmt eine werdende Mutter ernst.
"Ich bringe den Brief später beim Postamt vorbei", kündigt Zoey an, als sie ihn in ein Kuvert gesteckt und versiegelt hat. "Riecht Kol auch so schrecklich wie du, Niklaus? Ich würde ihn nämlich gern besuchen."
"Mach nur, mittlerweile müsste er gebadet haben."
Sobald Zoey aus dem Raum ist, drehe ich meinen Kopf zu Nik um und lasse mich küssen.
"Vielleicht solltest du das auch machen. Baden", sage ich.
"Warum sollte ich?", entgegnet er mit einem Funkeln in den Augen.
"Weil du stinkst." Noch immer haftet der penetrante Geruch nach Rauch an ihm wie eine Klette.
"Also gut, ich gehe", sagt er und geht um meinen Schaukelstuhl herum ... nur um mich blitzschnell hochzuheben und mit mir durch das Haus zu rasen. Ehe ich mich versehe, stehen wir im Badezimmer. Kol war so gütig und hat neues Wasser erhitzt und in die Wanne gelassen. Ich sage doch, er hat sich verändert.
"Ich bin schwanger", erinnere ich ihn, als er mich vorsichtig auf die Beine stellt. Eine Ahnung, was er vor hat, schwebt mir vor.
"Wahrhaftig ein Segen. Aber das hindert dich doch nicht daran, ein Bad zu nehmen", meint er, während er von hinten seine Arme um mich legt. "Zusammen mit mir."
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Desiderium
FanfictionEine The Originals/ The Vampire Diaries Fanfiction Chloe Silver hat eine Vergangenheit. Nach Jahren des Friedens muss sie sich damit auseinandersetzen. *Inoffiziell bin ich hier, weil ich etwas holen muss. Etwas aus dem Haus der Mikaelsons. Ich muss...