Als ich mich am nächsten Morgen halbwegs gut gelaunt auf den Weg zur Schule mache, beginnt der Himmel zu streiken und der Regen peitscht mir kurze Zeit später energisch ins Gesicht. Ich ziehe mir fluchend meine Kapuze über den Kopf, so tief es geht, doch man würde so oder so nichts mehr daran ändern können, dass ich total nass am Schulgelände ankommen werde.
Ich lege einen Zahn zu und überlege, ob ich zuerst meine Sachen in den Spind legen oder direkt zu Jade gehen soll, um ihr das gestrige Schauspiel zu erklären.
Jade hat zwar keine andere Meinung als ich zu unserer Schule und den Leuten dort, aber es benötigte dringend Klärungsbedarf, wieso ich mich gegen ihren, nennen wir ihn, Crush gestellt habe.
Ich sehe die Tore, die immer näher kommen und den letzten Bus, der gerade von der Haltestelle aus startet.
Mir fällt niemand auf, den ich wirklich kenne, außer ein paar bekannte Gesichter, weshalb ich stur meinen Weg fortfahre und schließlich pitschnass in der Schule ankomme.
Jade und der Rest der Bande vermute ich an ihrem, beziehungsweise auch meinem, Stammplatz mitten im Flur, wo die Spinde aufhören und stattdessen Bänke aufgestellt wurden.
Ich zwänge mich durch die Menschenmasse, durch all die Teenager, die hektisch zu ihren Spinden rennen, um die benötigten Unterrichtsmaterialien zu holen.
Ray, der eine ziemlich große und breite Statur hat, fällt mir als erster auf. Er führt gerade irgendwelche Handbewegungen aus, während die anderen ihm lachend applaudieren.
Jeder sieht zu, jeder der sich gerade im Moment auf dem Gang befinden. Ich frage mich schlagartig, was denn daran so interessant sei. Wieso werden diese Leute als Prominenz der Schule angesehen?
Ich bemerke Jade, die einen schwarzen Rock, einen hellblauen Pulli und dazu schwarze Strümpfe und Stiefel trägt. Ihre Haare hat sie fast kunstvoll hochgesteckt und ich kann mir nur allzu gut vorstellen, wie lange sie wohl dafür gebraucht hat. Jedoch stellt sich mir die Frage, warum sie mich, nicht wie sonst auch immer, panisch mit Textnachrichten und Bilden zugetextet hat wie sonst auch immer, wenn sie sich für die Schule und insbesondere Ray hübsch machen will.
Sie lächelt, steht aber ein wenig abseits.
Ich laufe zu ihr hin und tippe ihr auf die Schultern. Sie dreht sich um und ich grinse sie an. "Hey Jadie! Wir konnten ja gestern nicht mehr reden. Wieso hast du nicht angerufen?", frage ich und möchte mich bei ihr einhacken, doch plötzlich reist sie ruckartig ihren Arm weg und dreht mir den Rücken zu.
Stirnrunzelnd stelle ich mich vor sie und sehe sie fragend an, doch ihr Gesichtsausdruck wirkt verschlossen und ihre Lippen sind aufeinander gepresst.
"Jade, was ist denn los?", frage ich leicht erschrocken und besorgt und möchte ihr meine Hand auf die Schultern legen. Doch bevor das passieren kann, dreht sie sich um und stellt sich direkt neben Ray, der mich bis jetzt noch nicht bemerkt hat.
"Was soll das?", frage ich etwas lauter, sodass mich nun die ganze Gruppe bemerkt.
Ray sieht mich verächtlich von oben nach unten an und ich fühle mich schlagartig unwohl.
"Was willst du denn noch hier? Renn doch deinem Einunddreißiger hinterher", lacht er spöttisch und legt dabei einen Arm um Jade, die krampfhaft den Blickkontakt zu mir vermeidet.
"Ach, daher weht der Wind", sage ich erstaunt. "Nur, weil dir endlich jemand mal deine Grenzen vorgehalten hat, Ray? Nur weil endlich mal jemand gesagt hat, dass du weder der König der Schule noch beneidenswert bist, wenn du mit einer gesamten Gruppe eine einzige Person fertig machst?", schreie ich schon halb hysterisch und mache somit die Menschenmasse auf und aufmerksam.
Ich spüre ihre stechenden Blicke in meinem Rücken, als wären es Messerstiche.
"Adina, hau einfach ab. Keiner will etwas mit einer Verräterin zu tun haben", meint einer aus Rays Clique, dessen Name mir nicht einfällt.
Mit geöffnetem Mund suche ich nach den richtigen Worten, doch mir fallen dazu keine ein. Sprachlos versuche ich, die Worte in meinem Kopf zu ordnen, doch es gelingt mir nicht. Es ergibt für mich keinen Sinn, was sie sagen.
"Jade, machst du da etwa mit? Verschwörst du dich jetzt auch gegen mich, nur weil ich mich gegen dieses lächerliche Mobben gestellt habe?", konfrontiere ich sie mit der Frage aller Fragen.
"Sag's ihr, Babe", flüstert ihr Ray zu und ich sehe sie schlucken. Sie dreht sich mit dem Kopf zu mir um, während Ray immernoch seinen Arm um sie herum hat.
Das erste Mal an diesem Tag schaut sie mich geradewegs aus traurigen, aber auch verächtlich dreinblickenden Augen an. Ich starre zurück, ohne mit den Wimpern zu zucken. Sie weiß, dass ich eine Antwort verlange, weshalb sie sich kurz räuspert.
Seit all den Jahren, in denen wir befreundet sind, habe ich sie noch nie so niedergeschlagen wie jetzt gesehen.
"Ich möchte nichts mit solchen Leuten wie dir zu tun haben, Adina", rattert sie gefühllos runter und ich sehe Ray zufrieden nicken.
Alles in mir scheint zu gefrieren und ich kann nicht, außer die Gruppe anzustarren.
"Da hast du deine Antwort, du lächerliches Wesen", meint Ray lachend und dreht sich um, während er Jade an der Hand packt und sie mit sich durch den Flur zieht. Auch der Rest der Gruppe macht einen Abgang.
Mit offenem Mund blicke ich ihnen hinterher. Ich bemerke, wie ich von jeder Seite angestarrt werde und kann mir die Gesprächsthemen am heutigen Pausentisch nur zu gut vorstellen.
Doch das Gefühl von Messerstichen ihrerseits ist verschwunden. Das Einzige, was ich spüre, ist das Messer, dass mir frontal und brutal von meiner eigenen besten Freundin in den Rücken gerammt wurde.
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Break up
Short Story"Wir könnten Legenden werden. Wir würden niemals sterben, da unsere Namen noch generationenlang im Gedächtnis der Menschen verankert bleiben würden" -