5 - Zimmer 501

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Überall Kartons, Hüllen, Säcke und Regale. Alle voll mit abgetrennten Gliedern von verschiedenen Mädchen. Hände verschiedener Art in der rechten Ecke, Beine und Füße in der linken. Haare verschiedenster Form, Farbe und Länge hängen auf der Wand. Rasierte Köpfe in einer Kiste da, Rümpfe in Hüllen dort und Finger, Zähne und andere kleinere Körperteile sind in Säcken gestopft. Kein Wunder, dass es hier so kalt ist.
Aus Ekel übergebe ich mich direkt in die neben mir stehende Kiste, in der die Köpfe sind. Ich schließe fest meine Augen und drehe mich zur Tür hin, bevor ich auch noch beginne meine Organe raus zu kotzen. Ich muss hier raus. Das halte ich nicht mehr aus!
Während ich wieder ein Fluchtplan ausdenke muss ich an diesen Psychopathen denken. ER. Die Chance sein Gesicht zu sehen habe ich sehr deutlich zu spüren bekommen.
Ganz helle, kleine Augen, die umhüllt von tiefen Augenringen sind. So dunkle volle Haare, die einem pechschwarz vorkommen. Eine etwas größere Nase, die zu seinem Gesicht unsymmetrisch ist lässt ihn gruselig und unschön auschauen. Ich würde ihn auf Mitte 40 schätzen. Groß und sportlich ist er für sein Alter aufjedenfall, was die Mitte 40 etwas unglaublich machen. Auf seiner linken Gesichtshälfte hat er eine große und tiefe Schnittwunde, die ihm vom Auge bis zum Mundwinkel geht. Ich vertiefen mich in diese Gedanken immer mehr und bilde mir ein sein Gesicht vor mir zu haben.
Gänsehaut überall, jedoch weiß ich nicht ob es wegen ihm oder der Kälte ist.
Die Kälte. Das letzte mal war mir so kalt, als ich im See mit Sonja war. Sonja. Meine Augen füllen sich mit Tränen und auf einmal spüre ich einen sehr stechenden Schmerz am Schienbein. Ich schaue hinunter und sehe, dass die Schnittwunden, die durch das Hackbeil entstanden ist sehr stark blutet. OK, Krieg dich ein, das ist nur ein wenig Blut. Mehr nicht. Es blutet weiter. Blut ist etwas ganz natürliches, komm Keena bleib stark! Bitte. Das schafft du!  Und es blutet weiter. Ok. Jetzt bekomme ich schon etwas Panik. Aus Angst zu verbluten suche ich nach etwas Druckverbandähnliches. Hier sind aber nur abgetrennte Gliedmaßen. Gut, Gott hat mich heute besonders gern. Ich gehe also zu einer Kiste und suche nach etwas Stoff. Die Säcke. Mit meiner noch vorhandenen Kraft versuche ich diese riesen Säcke in kleine Stücke zu reißen, aber leider reicht meine Kraft nicht. Wo ist mein Begleiter Axt, wenn man ihn wieder einmal dringend braucht?  Jede zweite Sekunde schaue ich auf meine Wunde und drücke sie fest zu. Mit meiner zweiten Hand und Zähnen versuche ich noch immer ein Stück von einem Sack zu reisen, bis ich es tatsächlich schaffe. Ich wickele dieses Stück rund um meine Wunde, doch sie wird nicht fest genug gedrückt. Das Blut durchdringt auch diesen Stoff. Verzweifelt überlege ich nach einer weiteren Lösung. Hätte ich nur eine dritte Hand.

Im nächsten Moment gehe ich mit einer fremden, abgetrennten Hand um mein Schienbein, welches ich mit diesen Sackresten festgebunden habe in diesem Raum herum, um mich an dieses Gefühl anzugewöhnen. Meine Blicke sind auf den Boden gerichtet, da ich gerade irgendwie versuche mir beizubringen, dass ich eine fremde Hand auf mich habe. Wenn ich jetzt noch, die restlichen abgetrennten Gliedmaßen sehe werde ich bald wirklich beginnen meine Organe zu kotzen.
Es sind so viele Zimmer in diesem Flur und ausgerechnet hier muss ich hinein. Was hat der Typ überhaupt vor mit all diesen Körperteilen? Und warum hat er mich auch nicht schon längst zerstückelt? Ob ich Sonja hier finde? Bei dem letzten Gedanken läuft mir ein Schauer durch den Körper und ich weiß, dass ich hier nicht mehr bleiben kann. In welches Zimmer er sich auch immer jetzt befindet, ich werde mein Zimmer jetzt ändern und mit dieser Taktik jedesmal ein Zimmer weiter gehen, bis ich bei dem Zimmer direkt neben der Ausgangstüre bin. Nur so werde ich es jemals wieder hier hinaus schaffen. Mit einer gewissen Vorfreude auf diesen Plan und der Freiheit nähere ich mich wieder der Türe und lausche eine Weile. Es ist wieder nichts zu hören. Gut. Diesmal weiß ich, dass er sich nicht hinter irgendwelchen Gliedmaßen versteckt und dann mit einem Gerät auf mich schreiend zu springt. Das erleichtert und verängstigt mich zugleich, da ich trotzdem nicht weiß wo er ist.
Ganz langsam öffne ich die Türe und schaue mit einem Auge durch. Es ist todesstill. Vielleicht ist er ja hinaus gegangen um neue Opfer zu suchen.
Aus einer Mischung von gehen und humpeln überspringe ich ganze zwei Türen links von mir. Mit dem Gedanken noch weitere zwei zu überspringen fällt mir ein, dass ich bis jetzt immer durch das Überstürtzen nur abgestürzt bin, weshalb ich vor einem Zimmer mit der Zahl 501 stehen bleibe.
Mit der Einbildung etwas zu hören öffne ich ganz schnell die Türe ohne zu überlegen was sich hinter ihr befindet. Mit geschlossenen Augen gehe ich hinein, da ich ein zweites riesen Kühlfach mit abgetrennten Körperteilen nicht mehr aushalte. Hier ist es jedoch nicht kalt. Zimmertemperatur. Erleichtert atme ich tief aus und öffne meine Augen. Oh mein Gott.

Geschockter als bei dem Kühlzimmer von vorhin, geschockter als bei zwei Kühlzimmer, geschockter als bei 501 Kühlzimmer stehe ich vor ihr

Sonja.

Wir Werden Uns In Der Hölle Sehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt