8 - Mr. Fun

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"Sonja komm wir haben es gleich geschafft!" sage ich außer Atem zu ihr, während ich sie am rechten Arm mitzerre. Sie hält sich das links Auge noch immer fest und rennt irgendwie, beinahe unfähig mit.
Wir haben es getan. Wir flüchten. Wir sind im Wald. Wir sind bald von hier weg!
Geradeaus rennen wir ohne Ziel einfach den uns schon bekannten Wald entlang. Irgendwann wird schon eine Straße kommen und dann haben wir es geschafft. Danke Gott! Sonja rennt sehr unwillig mit, da sie am Ende ihrer Kräfte ist. Ihre einzige Kraft bin ich, die versucht sie mitzuzerren. Sie weint noch immer und ihre Wunde blutet noch.

"Du hättest mich einfach dort lassen sollen Keena. Vielleicht hätte ich dann meinen Frieden gefunden."

"Sonja hör auf das ständig zu sagen! Wir haben es gleich geschafft, bitte hör auf! Du wärst mir sicher nicht abgekratzt. Jetzt nicht. Nicht hier. Nicht von ihnen!" Ebenfalls weinend und kraftlos versuche ich Sonja noch irgendwie zu motivieren.

"Keena geh ohne mich. Bitte. Lass mich sterben. Ich habe es nicht verdient zu leben."

Ich bleibe stehen und schaue sie an. Es reicht.

"Sonja! Wenn wir es einmal von hier hinaus geschafft haben wird alles wieder gut! Wieso willst du das nicht verstehen!? Wieso willst du nicht verstehen, dass ich dich nicht liegen lassen werde!? Wieso willst du nicht verstehen, dass es nicht deine Schuld ist!?"

Sie unterbricht mich, reißt ihren Arm von meinem Griff los und schreit mich aufgebracht an:
"Weil ich höllische Schmerzen habe! Weil dieses Leben nichts für mich ist! Weil ich so leichtsinnig und dumm bin!"

Während sie mich anschreit und sich befreit sehe auch ich es ein, dass es nicht mehr so weiter geht. Ich falle ihr über den Hals, umarmen sie fest und sage:
"Wir schaffen das ok? Ich habe es schon einmal geschafft zu flüchten. Ich habe es geschafft dich zu finden. Ich habe es geschafft dich von der Rennbahn zu holen. Ich habe es geschafft mit dir von dort zu flüchten. Und: Ich werde es auch schaffen dich zu retten! Hast du verstanden? Wenn du nur noch ein bisschen durchhälst, dann sind wir frei. Dann kehrt alles wieder zur Normalität zurück."

Sie schaut mich wie leblos an und durch nicken gibt sie mir das Zeichen weiter zu rennen. Doch bevor wir starten reiße ich ein Stück meines frischen Nachthemdes ab, knülle es zu einer Kugel und steck sie Sonja langsam in ihre Augenhöhle. Sonja hält ein kleinen Holzstock zwischen den Zähnen und versucht die Schmerzen durchzuhalten. Wenn wir schon versuchen irgendwie lebendig von hier raus zu kommen, dann ohne Verblutungen. Es sieht sehr schmerzhaft aus, aber es scheint zu klappen. Wie ekelerregend das ausschaut! Ich verschwinde für eine kurze Zeit in meinen Gedanken und muss an ihre Schmerzen denken. Keena reiß dich zusammen. Rennen ist unser Motto.
R e n n e n !
Sonja am Arm packend rennen wir wieder weiter immer weiter und weiter. Wir haben schon eine lange Strecke zurück gelegt, doch ich höre etwas. Wir bleiben stehen. Ich schaue sie lachend an.
"Ich wusste es! Sonja ich wusste es!" Mit einem großen Lächeln zerre ich sie weiter und weiter.
"Hörst du die Straße Sonja? Hörst du wie Autos auf ihr fahren?"
Auch Sonjas Auge wird größer und beide bekommen einen letzten hoffnungsschub. Gleich.
Ich spüre die Freiheit.
Ich höre die Autos.
Ich rieche den Asphalt.
Ich sehe einen 10m hohen Zaun mit Stacheldraht am Ende.
Mir wird schwarz vor den Augen.
Nein Gott bitte nicht. Nein. Nein. Nein. Nein!
Ich falle in mich zusammen und auf dem Boden sitzend schaue ich hinauf auf den Zaun. Laut beginne ich zu weinen.
"Wir haben es doch gleich geschafft! Ich habe es gespürt."
Ich spüre eine Hand auf meine Schulter, zucke zusammen und höre Sonja mit einer ruhigen Stimme sagen:
"Schon ok Keena. Unsere Bestimmung ist es halt hier zu verrecken."
Wuterfüllt schreie ich auf Sonja zu:
"Ich scheiß auf die Bestimmung! Ich scheiß auf die Hoffnung! Ich scheiß auf das Leben hier! Und ich scheiß auf diesen Zaun!"
Voller Adrenalin stehe ich auf und beginne diesen Zaun hoch zu klettern. Wenn ich schon sterbe, dann weil ich in die Tiefe stürze, aber sicher nicht wegen diesen Schweinen!

"Keena bitte komm runter es bringt sich nichts! Sieht du den Draht oben nicht?"

Wütend schreie ich hinunter: "Ich scheiß ebenfalls auf diesen Draht!"

Ich klettere immer höher und höher. So hoch, dass ich mir einbilde die Luft ist da oben dünner. Jedoch ist die Luft da oben nicht dünner, sondern meine Lungen werden schwächer. Wie ein Affe klemme ich mich am Zaun fest und rede mir ein bloß nicht hinunter zu sehen. Und woops ich schaue hinunter.
Ok. Das ist höher als ich dachte. Halte dich fest. Keine Panik es kommt dir nur so hoch vor. Höhenangst gibt es nicht. Es gibt nur die Angst vor dem Abstürzen. Ich habe keine Angst vor dem Abstürzen. Ich halte mich ja fest. Ein paar Schritte weiter hinauf und schon hast du es geschafft. Du bist auf der anderen Seite!
Während ich damit beschäftigt war mich zu motivieren habe ich ganz auf Sonja vergessen. Ich schaue hinunter zu ihr und sehe wie ein Mann kommt und sie packt. Sie wehrt sich nicht. Er packt sie und schreit:
"Du kleine Schlampe. Hast du geglaubt du kannst entkommen? Siehst du diesen Zaun? Schön stimmts? Wir sind auf alles vorbereitet."
Mir wird schwindelig. Jetzt kannst du nicht mehr hinunter. Ich hänge hier oben fest und sehe nur noch zu wie der Mann Sonja eine Spritze injiziert. Sie schlappt in sich zusammen. Er dreht sich zu mir um, schaut hinauf und schreit von unten hinauf:

"Zuckerpüpchen wie lange willst du da oben bleiben? Wann kapierst du es endlich, dass du nicht flüchten kannst?"

Ich schaue hinunter und sage voller Trotz:
"ASO? Dann schau mal her wie ich über den Zaun klettere! Ihr Schweine kriegt mich sicher nicht!"

Weiter hinauf kletternd bemerke ich eine gruselige Gestalt auf der anderen Seite des Zauns. Ein Clown. Ein Clown?! Was für Psychopathen sind das?

Der Mann, der die betäubte Sonja auf der Schulter trägt beginnt zu lachen und sagt mit einer rauen Stimme:

"Versuchs Zuckerpüpchen, versuchs. Siehst du diesen Clown da? Das ist Mr. Fun. Er liebt es Spaß zu haben, vor allem mit Mädchen. Übrigends von hier unten kann ich alles was sich unter deinem Hemd befindet sehen und mir gefällt es. Also entweder du kommst hinunter, damit ich es dir jetzt so richtig besorgen kann oder du kletterst weiter und Mr. Fun hat Spaß mit dir."
Mit einem Lächeln schaut er mich wie ein Pedophiler an. Schnell drücke ich mich gegen den Zaun, damit er nicht mehr von unten hinein schauen kann. Er wartet auf mich. Auf der anderen Seite wartet der krankhafte Clown und winkt mir zu. Was soll ich machen? Ich kann nicht mehr. Ich kann das Spiel nicht mehr spielen. Sie haben gewonnen.
Ich schaue nochmal hinunter auf Sonja und flüster:

"Es tut mir so leid."

Ein letztes mal schaue ich auf und sehe auf den Sonnenuntergang und die Bäume. Wie schön die Welt sein kann. Tief atme ich ein und fühle mich glücklich.

Ich löse langsam eine Hand und spüre wie ich immer unsicherer werde. Zittrig lasse ich auch die zweite Hand los und stürze aus 9 Metern in die Tiefe.

Wir Werden Uns In Der Hölle Sehen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt