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"Das ist ja alles roh", rief mein Vater entsetzt aus und betrachtete die kleinen Schälchen mit diversen Sushi-Varianten vor ihm. Ich liebte Sushi.
Ich fing an zu lachen. "Was hast Du denn erwartet?"
"Naja... Nicht sowas", er stach etwas pikiert mit seinem Essstäbchen in eines der Nigiri-Sushi. Vorsichtig nahm er eins zwischen die Stäbchen und tunkte es in Sojasauce. Gespannt sah ich ihm zu wie er die Thunfisch-Rolle in den Mund steckte.
"Naja, ist ja eigentlich ganz ok", sagte er nachdem er eine Weile kauend dagesessen hatte.

"Wie läuft es bei der Selbsthilfegruppe, Dad?!"
"Ach, ich find' das zwar recht albern mit diesem vorstellen und darüber reden und so, aber irgendwie hat es mir geholfen. Ich bin mittlerweile seit eineinhalb Monaten trocken", strahlte er mich an. "Und ich habe mich auch wieder für Jobs beworben. Du hättest halt recht. Ich muss mein Leben langsam in den Griff bekommen"
"Das ist ja super", ich freute mich aufrichtig.
"Jetzt genug von mir. Erzähl' mal. Was gibt's Neues bei Dir? Jemand Neues kennengelernt? Frisch verliebt?", er zwinkerte mir zu. An den 'neuen' Dad muss ich mich erst noch gewöhnen.
"Nein, eigentlich nicht", ich dippte meine Rolle ins Wasabi. Jan ist nicht erwähnenswert.
"Hmm", machte er und schien nachzudenken. "Ach, Du findest schon noch den Richtigen. Meistens kommt er genau dann, wenn man am wenigsten mit rechnet. Hab' einfach noch Geduld", er lächelte weise und legte seine Hand auf meine. Ich verdrehte die Augen, aber lächelte ihn an. DARAN muss ich mich auf jeden Fall erst noch gewöhnen.
"Und was macht die Arbeit? Kellnerst Du immer...", er stockte und hielt sich den Magen. Tut mir leid. Mir ist... Irgendwie... Grad etwas übel", erklärte er. Ich sah ihn mir genauer an. Sein Gesicht war aschfahl und es standen ihm Schweißperlen auf der Stirn.
"Alles in Ordnung, Dad?"
"Jaja, ich glaub' mir bekommt der rohe Fisch nur nicht so. Ich glaub', ich geh' mal eben auf's Klo", stieß er hervor. Ich runzelte die Stirn. Er stand auf und entfernte sich ein paar Schritte, doch im nächsten Augenblick brach er zusammen und fiel zu Boden.

PoV Lukas

Ich wachte zum zweiten Mal in dieser Woche mit starken Kopfschmerzen auf und wusste erstmal nicht wo ich war und was genau gestern Abend passiert war. Nach einigen Sekunden der Orientierung merkte ich, dass ich auf Tims Couch lag und alleine war. Na immerhin nicht wieder irgendwelche nackten Weiber, die sich neben mir im Bett räkeln.
Ich setzte mich auf und dachte nach. Alkohol war leider nur zeitweilig eine Hilfe, aber sobald der Pegel nachließ waren die Probleme in der Regel immer noch da und, wenn man Pech hatte, sogar noch verschlimmert, da der Alkohol manchmal mehr Einfluss hatte als einem lieb war.
Ich überlegte, ob ich das Internet einschalten sollte um Christina zu schreiben? Nein, immerhin hatten wir gradmal zwei Tage keinen Kontakt. Und außerdem hat mein Besuch bei Tim den Zweck, dass ich mir bewusst werde, was ich will und wie es weitergeht.
Ich nahm mir meine Reisetasche und ging ins Bad zum duschen.

Mehr als gute Bekannte.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt