5 - unnavigated

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Ein weiterer Kurs, den ich aufgrund meines Informatik Studiums belegte war die Kryptologie. Momentan befassten wir uns mit alten Schriften und ich hasste es. Hieroglyphen lesen, beziehungsweise entschlüsseln, klang zwar anfangs interessant, doch unsere Dozentin ging schon bald dazu über uns mit Latein und Alt-Griechisch zu quälen. Zu gerne würde ich einfach schwänzen, allerdings wusste ich aus Erfahrung, dass ich dann für die nächste Stunde das dreifache an Zeit benötigen würde um das Gelernte aufzuholen. In der Schule hatte ich Spanisch als zweite Fremdsprache, was es mir nicht gerade leichter machte Lateinvokabeln auswendig zu lernen.
Auch wenn ich mich noch so sehr anstrengte, so zu tun als würde es mich interessieren, verstand ich die ganze Stunde nur Bahnhof.

Neben unserem Haus flimmerte die Straßenlaterne schwach. Der zunehmende Mond wurde durch dichte Wolken verdeckt und der Begriff 'pechschwarze Nacht' passte wie die Faust aufs Auge. Meines zumindest schmerzte immernoch. Bei der Dunkelheit wirkte eine Sonnebrille nicht nur überflüssig, sondern war es auch. Bei meinem Hobby, beziehungsweise Beruf, spielte die Nachwirkung der Prügelei keine Rolle. Mein Gesicht sah man selten im Internet, und wenn doch dann nur verdeckt mit einer weiß-schwarzen Maske. Ich wusste nicht wohin ich sollte. Drinnen musste ich mich nervigen Fragen stellen und Bars gab es in der Nähe keine. Außerdem hatte ich sowieso nicht vor meine Zeit mit angetrunkenen Leuten zu vergeuden. Generell war ich eher der Einzelgänger.

Die Pause beendete mein Martyrium und ich war froh, nach Hause zu können. Auf den Weg dorthin kam ich mir verfolgt vor. Beim zehnten Blick über meine Schulter erspähte ich eine kleine Gestalt. Unauffällig gekleidet, schwarz. Bis auf ein kleines Detail. Die blaue Strähne stach heraus und verlieh der ganzen Erscheinung etwas unwirkliches. Und doch war klar, wer sich mir dort langsam näherte.

Die einzige Gesellschaft, gegen die ich nichts einzuwenden hätte, war gerade wahrscheinlich bei meinem Erzfeind. Kurz blickte ich die Straße hinauf, die meisten Gebäude lagen im Dunkeln. Nur hinten an der Ecke brannte noch ein schummriges Licht. Langsam steuerte ich darauf zu. Es war die Neonröhre eines alten Zigarettenautomaten. Früher hatte ich oft versucht über ihn auf die dahinter stehende Mauer zu gelangen, doch ich hatte nie die richtige Größe gehabt. Mittlerweile war ich zu schwer und konnte leicht über die Mauer schauen. Der Wind wehte mir die dünnen Haare ins Gesicht. Ich sollte wirklich bald zum Friseur gehen. Mein Blick streifte die grünen Augen einer Katze. Diese Nacht würde ich nicht vergessen.

Kein Tag ohne ManuelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt