Meere im Bauch (1)

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Okay, erstens: Es ist ein halbes Kapitel. Das soll nicht zur Regel werden, aber ich will große Update-Lücken verhindern und nachdem ich in den letzten beiden Tagen zumindest so weit gekommen bin, dachte ich, ich füttere euch mit dem, was ich habe.

Zweitens: Ich habe schrecklich schlechtes Internet, deswegen hier eine Entschuldigung an alle Kommentar-Schreiber, die ich bisher mit Schweigen gestraft habe. Ich werde antworten, sobald ich kann, versprochen. 

Drittens: Viel Spaß! :)

PS: Frohe Ostern. Kuss, Luna <3


5. Meere im Bauch

We insist, it seems, on living.

Virginia Woolf, The Waves

*

Schmerz.

Ein Gesicht zuckte vor ihr auf, ganz kurz nur. Sie hörte eine Stimme, die ihr vertraut war, da waren Hände. Dann nichts mehr.

Schwärze, durchbrochen von Licht. Lichttropfen, schillernd wie der Ozean. Ozean in ihren Händen, auf ihrer Haut.

„Lysanna?"

Schmerz.

Glühende Zähne, die sich in ihre Eingeweide bohren, sie zerreißen. Ozeane in ihr, die zum Vorschein gebracht werden von gierigen Fängen. Es ist zwecklos, sich zu wehren. Wer Meere in seinem Bauch versteckt, muss damit rechnen, aufgebrochen zu werden.

„Lys!" Sie hörte ihren Namen, wollte antworten. Sie mussten doch wissen, dass sie Fluten in sich trug, dass sie ertrinken würden. Dass sie schon ertranken, in diesem Augenblick, überrollt von tausend Lichtermeeren.

Schmerz.

Dann nichts mehr.

*

„Scheiße", flüsterte es hinter den Sitzen hervor, „Scheiße, scheiße, scheiße."

Indigo umklammerte das Lenkrad, starrte stur in die Nacht. Sie wusste nicht, wieso Moreno Zuflucht in ihrer ihm fremden Sprache suchte, ausgerechnet in dieser Situation, die ihn überforderte. Vielleicht, um nicht allein zu sein. Um in keiner Sekunde vergessen zu müssen, dass sie da war. Er flüsterte, so schnell und laut er konnte, aber es war nicht laut genug, um Lysanna zu übertönen. Auch das lauteste Flüstern der Welt kommt nicht an gegen Schmerzensschreie.

Wieder leuchtete das Licht auf, warf tanzende Lichtflecken an das Autodach und Indigo wünschte sich ans Meer. Aber sie war nicht am Meer, das Licht brach sich nicht in den Wellen und das spröde Salz auf ihren Lippen war ihr eigener Schweiß. Tränen waren es nicht, konnten es nicht sein. Ihre Sicht war klar.

„Scheiße", flüsterte Moreno, aber wenn man nicht genau hinhörte, war es nur die knisternde Gischt am Strand. Und Indigo fuhr und Moreno flüsterte und die Lichter tanzten und Lysanna starb.

„Indigo."

Es konnten Stunden vergangen sein, die Uhr sagte, es waren zehn Minuten. Sie waren auf der Straße, einer namenlosen Straße zwischen zwei namenlosen Städten. Indigo, dachte sie verbissen, Indigo, Indigo, Indigo, manche Dinge gab man nicht auf.

„Indigo", wiederholte Moreno und da merkte sie, wie still es war, „Halt an."

„Ist sie tot?" Sie hatte nicht gewusst, dass sie sprechen konnte.

„Nein, verdammt. Aber ich muss ... damnay, halt einfach an!"

Ein weiterer Rastplatz, irgendwo. Indigo musste das Lenkrad loslassen und es war, als kehrte dringend benötigtes Blut in ihr Gehirn zurück. Sie rang nach Luft, wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und sah über die Sitze nach hinten.

INDIGO EYES - Im Zeichen der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt