Casper

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Ja, hmm. Schwere Geburt. Aber zumindest wird zur Abwechslung mal ein Geheimnis gelüftet ... Lest selbst. ;)

Kuss,

Luna

* * *


6. Casper

Alle Geheimnisse liegen in vollkommener Offenheit vor uns. Nur wir stufen uns gegen sie ab, vom Stein bis zum Seher. Es gibt kein Geheimnis an sich, es gibt nur Uneingeweihte aller Grade.

Christian Morgenstern, Stufen

*

Casper versuchte eine Weile, vier Klappstühle in dem kleinen Wintergarten unterzubringen, bevor er es aufgab und mit einem entschuldigenden Lächeln auf den einzelnen Schreibtischstuhl und einige verwaiste Sofakissen deutete.

„Ich bin umgezogen", antwortete er auf Indigos fragenden Blick hin. „Das hier ist jetzt nur noch Galerie und Atelier. Vor ein paar Jahren stand dieses kleine Cottage zum Verkauf, na ja ..." Er zuckte ein wenig die Schultern. „Es ist schön, ein bisschen mehr Platz zu haben."

„Hm", machte Indigo und versuchte, sich auf ein Kissen zu setzen, ohne die große Staffelei umzuwerfen. Lysanna und Mor taten es ihr gleich und für ein paar stumme Sekunden stand Casper vor ihnen und schien nicht recht zu wissen, wie es weitergehen sollte. „Wollt ihr ... etwas trinken? Tee? Kaffee? Whisky?" Er lächelte ein wenig.

„Tee", antworteten Indigo und Moreno gleichzeitig und Lysanna seufzte und nickte. Sichtlich erleichtert verschwand Casper hinter einem überfüllten Bücherregal und Indigo erinnerte sich mit trockenem Mund an die vielen vergangenen Male, in denen er an dieser Küchenzeile gestanden und für sie beide Tee gekocht hatte. Auf einmal erschien ihr eine dampfende Tasse, an der man sich festklammern konnte, verlockender denn je.

„So", sagte Casper, als er schließlich mit einem zerkratzten Tablett und vier nicht zueinanderpassenden Tassen samt Teekanne zurückgekehrt war und sich vor ihnen auf das letzte Kissen sinken ließ. „Ich nehme an, ihr seid nicht nur rein zufällig vorbeigekommen, um mal hallo zu sagen."

„Nein", erwiderte Indigo, „Sind wir nicht."

„Dann habt ihr wahrscheinlich alle ein paar Fragen."

„Allerdings", gab Lysanna zurück, bevor Indigo den Mund öffnen konnte. Sie warf ihr einen raschen Seitenblick zu und stellte fest, dass Lys den Mann vor sich mit zusammengezogenen Brauen taxierte.

Casper wandte sich nun direkt an sie und erwiderte ihren forschenden Blick mit derselben Intensität. „Sie sind –"

„Lysanna. Lysanna Yuliena."

Er nickte langsam. „Ah. Lila."

„Niemand nennt mich –" Lysanna brach ab. Ihre Augen weiteten sich.

„Wer bei allen Göttern sind Sie?", stieß Moreno hervor, die Hände fest verschränkt. Casper lächelte ihn an und ihre Gesichter spiegelten sich wie verblasste Erinnerungen in seinen Pupillen. „Momo, nehme ich an."

„Moreno. Mor." Mors Augen glitten hastig über Caspers Gesicht, auf der fieberhaften Suche nach etwas, das er kannte. Hilfesuchend wandte er sich an seine Schwester, die gerade dabei zu sein schien, etwas zu begreifen.

„Ihr wart noch sehr klein, als ich euch das letzte Mal gesehen habe", sagte Casper leise. „Ich denke nicht, dass ihr euch an mich erinnern könnt."

Schlagartig fiel Indigo auf, dass er Hyiandanisch sprach und plötzlich war sie sich völlig sicher, dass sie das nicht zum ersten Mal hörte – zu vertraut klangen die exotischen Silben von seinen Lippen. Nun, da sie darüber nachdachte, hallte eine Ahnung alter Lieder in ihren Ohren nach: Seine sanfte Stimme, die ihr fantastische Geschichten zuflüsterte, fremde Worte, versteckt in vertrauten Melodien. War er es gewesen, der ihr damals diese Sprache beigebracht hatte, ohne, dass sie es auch nur bemerkte? Hatte er ihr seine Sprache beigebracht?

INDIGO EYES - Im Zeichen der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt