Kapitel 107

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Hier kommt ein extra langes Kapitel für euch :) Ich hoffe es gefällt euch !

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Justins Sicht:

Sechs Tage später war der Tag vor dem Haylee sich die ganze Woche gefürchtet hatte – Romys Beerdigung. Romys Eltern hatten die Beerdigung zusammen mit Alex geplant und Haylee hatte sich beinahe komplett rausgehalten, weil sie kurz vor einem Zusammenbruch stand. Noch nie hatte ich einen Menschen so leiden sehen, wie sie. Wir waren extra die gesamte Woche in ihrer alten Wohnung in New York geblieben, obwohl wir vor dem Unfall geplant hatten noch ein paar Tage nach LA zu fliegen. Haylee hatte in den letzten Tagen kaum etwas gegessen, ich musste sie schon zwingen überhaupt ein paar Bissen zu sich zu nehmen. Ihr zuliebe stellte ich mich sogar in die Küche und kochte, obwohl ich absolut nicht kochen konnte. Haylee redete kaum noch, seit dem Abend an dem ich sie betrunken in der Wohnung entdeckt und ihr geholfen hatte, heil ins Bett zu kommen. Sie litt unter schrecklichen Albträumen, weshalb sie sich nachts krampfhaft versuchte wach zu halten. Auch ich hatte diese Albträume, die mich immer wieder an den Unfall erinnerten, doch ich hatte sowieso Probleme beim Schlafen, weshalb es für mich nicht so anstrengend war die ganze Nacht durchzumachen oder nur zwei bis drei Stunden zu schlafen.

„Soll ich dir helfen?", fragte ich meine Freundin, als sie vor dem Spiegel stand und versuchte den Reißverschluss ihres schwarzen Kleides auf dem Rücken zu schließen. Haylee sah mich durch den Spiegel an und nickte zaghaft. Ich ging zu ihr, legte meine Finger an den Reißverschluss und zog ihn vorsichtig hoch. Währenddessen hauchte ich ihr einen Kuss auf ihren Nacken. Haylee bekam eine Gänsehaut und ich freute mich darüber, dass ich immer noch so eine Wirkung auf sie hatte, auch wenn sie im Moment ein komplett anderer Mensch war. Seit dem Unfall hatten wir uns kaum noch angerührt. Nachts weinte sie sich in meinen Armen in den Schlaf, am Tag küssten wir uns ein paar Mal, aber wirklich berührt hatten wir uns die ganze Woche nicht. Ich nahm es ihr nicht übel, ich verstand es und wollte sie auf keinen Fall unter Druck setzen. Sie brauchte mich nicht berühren, damit ich wusste, dass sie mich liebte. Denn das wusste ich auch so. Keine Sekunde lang zweifelte ich an ihrer Liebe zu mir. Ich hatte einfach nur wahnsinnige Angst um sie. Angst davor, dass sie bei der Beerdigung endgültig zusammenbrach.
Als ihr Kleid sich perfekt an ihren Körper schmiegte, beobachtete ich sie im Spiegel und es erschrak mich wie jeden Tag, dass sie traurig aussah. Sie hatte ein bisschen abgenommen, seit der tragische Unfall passiert war und hatte ständig gerötete Augen. Manchmal wachte sie weinend auf und es zerriss mir mein Herz, das sie litt.

„Wird es irgendwann besser, Jus? Wird der Schmerz irgendwann aufhören?", fragte sie mich plötzlich und ich konnte mir den verwirrten Blick nicht verkneifen, denn es waren seit langem die ersten Worte, die von ihr aus kamen.

Sanft legte ich meine Hände an ihre Hüfte und drehte sie zu mir um, damit sie mir richtig in die Augen sehen konnte und nicht nur durch den Spiegel. Ich wusste nicht, ob der Schmerz irgendwann aufhörte. Ich wusste nur, dass man nach einer Zeit lernte damit umzugehen. Als ich dachte, ich hätte Selena für immer verloren, hatte ich den Halt in meinem Leben verloren. Jeglicher Bezug zu der Realität war verloren, indem ich mich durch die Welt vögelte und allen Schmerz in Alkohol ersäufte. Und Haylee war mein Anker, der mir Halt in meinem Leben gab. Durch sie konnte ich mit dem Schmerz und den Schuldgefühlen leben. Zwar war Selena nun doch am Leben, aber auch der Verlust von Romy schmerzte tief in meiner Brust. Haylee war immer noch mein Anker, bei allem was ich tat hielt sie mich davon ab, abzustürzen. Jetzt musste ich ihr Anker sein.

„Es wird immer wehtun, aber du wirst lernen mit dem Schmerz umzugehen... Es wird besser, glaube mir", hauchte ich gegen ihre Lippen. Ich wollte sie so gerne küssen, aber es schien mir unangebracht. Haylee hatte schon wieder Tränen in den Augen, als sie ihre Hände in mein schwarzes Hemd krallte.
„Ich weiß nicht, ob ich es kann, Jus... ich weiß nicht, ob ich die Beerdigung schaffen werde", schluchzte sie unsicher.

I bet you will - j.b. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt